Die Natur bietet vielfach Vorbilder für leichte Strukturen und Lösungen. Technik kann sich diese Prinzipien zunutze machen und davon profitieren. Wie Bionik im Leichtbau genutzt werden kann, zeigte ein Schwerpunkt der Vorträge des Anwendertreff Leichtbau der Fachzeitschrift Konstruktionspraxis in Würzburg.

Modellbasierte Bionik wird bereits seit den 1950er Jahren angewendet, vor allem im Flugzeug-, Fahrzeug- und Schiffbau. Informatik, Nanotechnik, Mechatronik und Biotechnologie haben in den vergangenen Jahren wichtige Impulse geliefert, so dass Bionik heute eine wichtige Wissenschaftsdisziplin ist. Die DIN ISO18458 und die VDI-Richtlinie 6220 Blatt 1 geben Prozessabläufe für die Einbindung von Bionik in die Konstruktion vor.

Zwei Wege sind dabei möglich: entweder das Vorbild der Natur technisch umzusetzen oder die Anwendung daraufhin zu untersuchen, ob bionische Prinzipien angewendet werden können. Diesen zweiten Weg schilderte Prof. Dr. Heike Beismann vom Institut für Bionik der Westfälischen Hochschule Gelsenkirchen am Beispiel von Kühlkanälen an einem Umformwerkzeug. Dieses heizte sich zu schnell auf, was eine neue Kanalstruktur notwendig machte. Datenbankrecherchen in bionischen Katalogen zeigten zwei Lösungen auf.

Bild oben: Blatttstrukturen können als Vorbild für Kühlkanäle in Werkzeugen dienen. (Quelle: Pixabay /Pezibear)

Einmal das Elefantenohr, in dem das Blut gleichmäßig verteilt wird und zum zweiten Blattadern mit zweigeteilten Verzweigungen, die Nährstoffe gleichmäßig transportieren. Zu den Blattadern existierte bereits ein Algorithmus, der der gesuchten Lösung zugrunde gelegt werden konnte. Es entstand ein Kanalsystem, mit dem das Umformwerkzeug jetzt wirksam gekühlt werden kann.

„Wir wissen jedoch nicht, wo in der Kanalstruktur sich die Druckverhältnisse ändern, weil eine 3D-Berechnung noch nicht möglich ist.“
Prof. Dr. Heike Beismann, Insitut für Bionik, Westfälische Hochschule Gelsenkirchen

Derzeit wird die VDI-Richtlinie zur Bionik überarbeitet. Entwickler, Konstrukteure, Anwender und Entscheider sind aufgerufen, sich an dieser Überarbeitung zu beteiligen.

„Scheuen Sie sich nicht, die Dinge zu überprüfen – es lohnt sich.“
Alexander Brunner, Boge Rubber & Plastics

Die Reibhaftung, die den Geckofuß an der Decke haften lässt, ist Vorbild für das thermische Direktfügen, berichtete Dr.-Ing. Jens Standfuß,vom Fraunhofer Institut für Werkstoff- und Strahltechnik IWS.

Wie lässt sich eine Konstruktion stabiler machen? Um das herauszufinden, treibt Boge Rubber & Plastics die Topologieoptimierung voran. Aus der Natur lasse sich erkennen, so Alexander Brunner, dass beispielsweise Abrundungen eine Konstruktion stabiler machen als Kanten. Derartige Abweichungen von der geraden Linie lassen sich auch in der Konstruktion vorab berechnen und prüfen. Damit können Bauteile auf die beste Form in Bezug auf Stabilität und die beste Verbindung zu anderen Bauteilen optimiert werden. Das führe zu Gewichtseinsparungen, denn Material muss nur noch dort hinzugeführt werden, wo es unbedingt nötig ist.

Mit dieser kleinen Entscheidung könne der Konstrukteur bestimmen, ob Kosten entstehen oder nicht. Dies zahle sich aus, denn Gewichtseinsparungen im zweistelligen Bereich führen häufig zu Kosteneinsparungen, die gar im fünfstelligen Bereich liegen können.

„Die Schonung der Ressourcen ist das Prinzip des Leichtbaus in der Natur.“
Prof. Dr.-Ing. Hans-Joachim Weber, htw Saar

Die Natur unterliegt den gleichen Naturgesetzen wie die Technik, sagt Prof. Dr.-Ing. Hans-Joachim Weber von der htw Saar. Aus diesem Grund lassen sich aus der Evolution Optimierungsprozesse an natürlichen Strukturen ablesen, die sich für die Technik nutzbar machen lassen.

Eines dieser Prinzipien ist, dass die Natur Material dort hinzufügt, wo Spannungen sind und dort weglässt, wo keine Belastungen auftreten. Ähnlich lasse sich auch in vielen Anwendungen verfahren: Aus dem Einsatz von Wabenstrukturen in Blechen ergebe sich beispielsweise eine Gewichtsersparnis von 18%.

Eine weiterer Weg, Bionik in die Konstruktion einzubeziehen, ist laut Weber die Gestaltoptimierung. Wenn ein Teil bereits in Hinblick auf seinen Einsatz optimal berechnet worden ist, muss kein Material mehr hinzugefügt oder abgetragen werden. So lässt sich nicht nur die Form des Teils sondern auch der Materialeinsatz optimieren – ganz wie es bei Blattadern oder Fischgräten der Fall ist.


Susanne Bader, Redakteurin und freie Autorin

Autorin: Susanne Bader, Redakteurin, Fachjournalistin

Susanne Bader ist seit 1997 Fachredakteurin. Online und in Print hat sie unter anderem berichtet für: Handwerk Magazin, die Hubert Burda Media GmbH, Computerwoche und Produktion (UB Fachinformationen der Südwestdeutschen Medienholding). Dort war sie seit 2002 für die Themen Werkstoffe und Oberflächentechnik sowie Forschung und Wirtschaft zuständig. Zuletzt führte sie ein Team von acht freien Mitarbeitern und begleitete als Kongressredakteurin „Die Fabrik des Jahres„, „Maschinenbau vorausgedacht“ und weitere Veranstaltungen des Verlags Moderne Industrie. Seit Sommer 2018 arbeitet Susanne Bader für Leichtbauwelt.de und als freie Autorin. Mehr zu ihr auf Xing oder LinkedIn.

„Leichtbau umgibt uns überall – in der Natur ebenso wie in technischen Lösungen. Leichtbauwelt.de zeigt auf einen Blick, wie vielfältig und faszinierend die moderne Welt des Leichtbaus ist.“

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