Dinge nachzuahmen ist uns in die Wiege gelegt, denn so lernen wir Menschen. Die Bionik geht jedoch über diesen Ansatz hinaus. Daedalos war ein Nachahmer, Leonardo da Vinci dagegen ein Bioniker.
Bild oben: Fluggeräte von Leonardo Da Vinci, dem ersten Bioniker (Quelle: pixabay | Darkworx)
Der Unterschied? Die wächsernen Flügel waren ein Nachbau, um als Mensch wie ein Vogel fliegen zu können. Da Vinci studierte zunächst beobachtend den Vogelflug, versuchte die Prinzipien dahinter zu verstehen. Basierend auf seinen Erkenntnissen konstruierte er Fluggeräte. Die Umsetzung gelang in den Fluggeräten Otto Lilienthals und der Gebrüder Wright. Auch sie beobachteten den Flug großer Vögel, bevor sie ihre Prototypen bauten. Als einer der wichtigsten Begründer der Bionik gilt Werner Nachtigall, der viele Sachbücher zur Bionik in den unterschiedlichen Branchen verfasst hat.
4 wegweisende Beispiele aus der Geschichte der Bionik
1. Die Baker Galeone
Ende des 16. Jahrhunderts zwang die englische Flotte unter Sir Francis Drake die spanische Armada zum Rückzug. Diesen Sieg verdankte England unter anderem der Bionik. Warum? Matthew Baker hatte kleine wendige Schiffe gebaut nach dem Vorbild von Dorschkopf und Makrelenschwanz. Er nahm die Natur als Anregung für seine technologisch eigenständige Weiterentwicklung der Schiffsrümpfe, die der Baker Galeone zu einer besseren Manövrierfähigkeit und geringerem Wasserwiderstand verhalfen.
2. Fallschirm
Der Wiesenbocksbart stand für Sir George Cayley Pate, als er den ersten praktikablen Fallschirm entwickelte. Seine Erkenntnis, dass der weit unten liegende Schwerpunkt der Früchte und die nach außen hochgezogenen tragenden Flächen einen autostabilen Flug ermöglichten, setzte er im Fallschirm um.
3. Der Stacheldraht
Ende des 19. Jahrhunderts wurde das erste Patent für einen Stacheldraht eingereicht. Michael Kelly kam auf die Idee, nachdem er sich den Milchorangenbaum (Osagedorn) genauer angesehen hatte und das Prinzip aus Draht nachbildete um Viehherden zusammen zu halten. Als Erfinder des Stacheldraht gelten jedoch Glidden und Haish, die eine etwas geänderte, aber in der Herstellung kostengünstigere Variante auf den Markt brachten.
4. Neuer Streuer
Als erster deutscher Bioniker gilt Raoul Francé, der nach dem Prinzip der Samenverteilung einer Mohnkapsel einen „neuen (Salz)Streuer“ erfand und patentieren ließ.
Patente sind wichtig für den wirtschaftlichen Erfolg der Bionik
So wenig spektakulär das klingt, so wichtig war dieses Patent des „Neuen Streuers“ für den wirtschaftlichen Erfolg der Bionik. Denn Francé wollte eigentlich nur testen, ob das Patentamt bionische Erfindungen als Patente zulässt, da die zugrundeliegenden Prinzipien in der Natur bereits existieren. Die Zulassung als Patent hat somit auch den Weg der Bionik in den Leichtbau geebnet. Denn für den wirtschaftlichen Erfolg einer Innovation ist die Anmeldung und Anerkennung des Patents entscheidend. Daher konnte sich die Bionik in den letzten Jahrzehnten – auch aufgrund neuer und verbesserter Methoden in der evolutionären Produktentwicklung – zu einer etablierten Wissenschaftsdisziplin entwickeln.
Natürliche und technische Evolution nähern sich an
Insbesondere in der Konstruktionsbionik kann die Übertragung von natürlichen Prinzipien in die Technologie als gerichtete Evolution bezeichnet werden. Im ersten Schritt beschäftigt sie sich mit dem Verstehen von „Erfindungen“ aus der belebten Natur – um diese dann in der Technik umzusetzen. Häufig geschieht dies in mehreren evolutionären Schritten.
Was Leichtbau und Bionik verbindet
Deshalb wage ich eine These und freue mich über Kommentare dazu: In Zukunft werden alle Branchen zunehmend durch die Bionik beeinflusst werden. Technik und Natur rücken so näher zusammen – und vielleicht werden wir in einigen Jahrzehnten Technologie völlig anders denken, entwerfen und konstruieren. So werden sich möglicherweise Technologie-Entwicklungen in ferner Zukunft kaum mehr von den evolutionären Entwicklungen der Natur unterscheiden.
Autor: Christine Koblmiller, Redakteurin, Gründerin, Fachjournalistin aus Leidenschaft, überzeugter Leichtbau-Fan.
Mit dem Metamagazin Leichtbauwelt.de habe ich 2018 den Schritt in die Selbständigkeit gewagt und mit Leichtbauwelt ein neues Medienformat im B2B-Umfeld geschaffen. Seit etwa 25 Jahren bin ich Redakteurin für technische B2B-Fachzeitschriften. Für verschiedene führende Fachmagazine habe ich als eBusiness-Projektmanager Industrie schon 2001 crossmediale Angebote eingeführt, denn die Digitalisierung aller Lebensbereiche hat Einfluss auf unser Informationsverhalten. Deshalb bin ich mir sicher, dass sich die Medienbranche wandeln muss. Mehr über mich finden Sie unter Conkomm, auf Xing oder LinkedIn.
„Leichtbau fasziniert und begeistert Techniker. Er ist für die Herausforderungen der Zukunft unabdingbar. Deshalb bin ich sicher, dass der Markt für ein Angebot wie Leichtbauwelt.de reif ist.“
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