Ergebnisse des 2. BMWi-Workshops Leichtbau-Strategie

Die wichtigsten Empfehlungen der Fachexperten für die künftige Leichtbau-Strategie: Design for Recycling, die Unterstützung für KMU verbessern, ein neuer Trend zu differenziert strukturierten Monomaterialien und die Notwendigkeit, das Netzwerken weiter zu verstärken. Welche weiteren Ergebnisse der Workshop Anfang Dezember brachte und welche Themen zum Teil heiß diskutiert wurden, erfahren Sie hier. 

Etwa 170 Teilnehmer aus Industrie (38%), Forschung (28%), Verbänden/Vereinen und Netzwerken (19%) sowie Vertreter der Politik vor Ort diskutierten am 05. Dezember 2019 die Handlungsfelder für die Leichtbau-Strategie des Bundes. Ziel des Fokus-Workshops war, die validierten Ergebnisse des Impuls-Workshops vom 03.07.2019 zu verdichten und die Erwartungen und den konkreten Bedarf der Wirtschaft im Hinblick auf eine erfolgreiche Leichtbau-Strategie und Leichtbau-Perspektiven für Deutschland zu konkretisieren. Durch ein rotierendes Moderationssystem konnte jeder Teilnehmer an drei von vier Themenbereichen

  • Nachhaltigkeit / Circular Economy
  • Technologie – Multimaterialsysteme und vernetzte Produktionsanlagen
  • Rahmenbedingungen und Förderpolitik – Mittelstand
  • Kooperation und Transfer – Multilateraler Transfer

teilnehmen und die aus der Vorbereitung mit Experten vorformulierten Thesen gezielt bearbeiten. Dabei wurden insbesondere konkrete Umsetzungsmaßnahmen zu den benannten Handlungsbedarfen definieren. Jede dieser Maßnahmen wurde kategorisiert:

  1. nach dem Zeitrahmen: kurz-, mittel- und langfristig
  2. nach der Umsetzungsverantwortung: Wirtschaft, Wissenschaft, Politik – hier noch differenziert in Landes-, Bundes- und EU-Politik – sowie Netzwerke und Verbände
  3. nach dem (finanziellen) Umsetzungsaufwand: in hoch €€€, mittel €€ und gering €)

In allen Diskussionsrunden wurde klar, dass den Teilnehmern einhellig das Thema sozusagen unter den Nägeln brennt. Schwerpunkt der Bedarfe in allen Themenbereichen liegt daher ganz eindeutig im kurzfristigen Bereich (unter 5 Jahre).

Thema 1: Nachhaltigkeit

Innerhalb der nächsten fünf Jahre sind mehrere Themenbereiche von den Teilnehmern identifiziert worden. Allen voran das nachhaltige Produktdesign, da das Prinzip der Circular Economy bereits bei der Produktentwicklung ansetzen muss. Um später aber recycelte Materialien und Bauteile wieder verwenden zu können, müssen Rahmenbedingungen geklärt werden. Dazu gehören Materialkennwerte ebenso wie Regularien zur Rohstoffsicherung, um verbaute Werkstoffe im Land zu halten.

Desweiteren fehlte den Teilnehmern eine Art „Öko-Kuratorium“ zur Bewertung von Datenqualität ebenso wie einzelner Rohstoffe oder Technologien. Hierbei wurde auch eine Korrektur der „E-Mobility-Story“ im Kontext von Nachhaltigkeit angesprochen.

Bewertungsmöglichkeiten für Verbraucher und Kunden in Hinblick auf den tatächlichen CO2-Footprints oder der Energiebilanz stehen auf der Aufgabenliste der Politik.

Systemische Analysen die ökonomische, ökologische und soziokulturelle Aspekte berücksichtigen sind Basis eines einheitlichen Standards für das Life-Cycle-Assessment bei der Entwicklung neuer und der Bewertung bestehender Produkte.

Angesichts dieser umfassenden Daten ist es nicht verwunderliche, dass die Teilnehmer die Entwicklung digitaler Tools empfehlen – als Aufgabe für die Forschung der nächsten 5 bis 10 Jahre – und langfristig, d.h. für 2030 oder später, als Ziel ein in der Wirtschaft etabliertes Computer-Aided-Ecobalancing Tool im Sinne eines internationalen Bewertungssystems definieren.

Thema 2: Technologie

Bei den kurzfristigen Empfehlungen lag der Schwerpunkt der Teilnehmer eindeutig auf der Förderung und Weiterentwicklung von Monomaterialsystemen im Hinblick auf deren Leichtbaueigenschaften. Dies kann durchaus auch eine unterschiedliche Strukturierung der Werkstoffe in einer Anwendung bedeuten.

Ebenso wichtig ein dem sinnverwandtes Thema: das recyclingfähige Fügen bei Multimaterialsystemen. Während bei den Monomaterialsystemen außer der Politik alle Stakeholder gefordert sind, ist in puncto den Fügetechnologien vor allem noch die Wissenschaft gefordert.

Eine virtuelle Prozesskette, validiert und zertifiziert, um den Systemleichtbau von Beginn an zu realisieren, steht für 13 % der Teilnehmer an erster Stelle der Empfehlungen für die nächsten fünf Jahre.

Dehnt man den Empfehlungszeitraum aus, so steht für die Wirtschaft die Entwicklung eines kostengünstigen Leichtbaus für flexible, wandlungsfähige Produktionstechnik an erster Stelle. Auf die Agenda der Wissenschaft setzten die Teilnehmer der Diskussionsrunden vor allem die ganzheitliche Optimierung von Bauteilen unter Berücksichtigung von Fertigung und Multimaterialaufbau.

Das Thema Aus- und Weiterbildung im Leichtbau wird alle Beteiligten in den nächsten 5 Jahren – und darüber hinaus begleiten. Der Bedarf an Fachkräften ist in allen Branchen hier bereits kurzfristig gegeben und wird mittelfristig deutlich zunehmen.

Als langfristiges Ziel gilt für die Teilnehmer die Entwicklung recyclingfähiger Multimaterialien.

Thema 3: Rahmenbedingungen und Förderpolitik

Das eindeutige Votum in der Diskussionsrunde zur Förderpolitik ist fast vorhersehbar gewesen, gilt doch der ausgeprägte Mittelstand in Deutschland als Innovationsmotor. In kaum einer anderen Technologie – vielleicht von der Digitalisierung und dem 3D-Druck abgesehen – geht es um mehr Innovation, um neues Denken, neue Entwicklungen bei Werkstoffen, Bauteilen und Prozessketten.

Die mehrheitliche Forderung der Teilnehmer an die Politik, die Teilhabe von KMU an Förderprogrammen zu verbessern erstaunt daher nicht. Im Detail geht es kurzfristig um verbesserte Information und niedrigere bürokratische und finanzielle Einstiegshürden sowie die Förderung von Personalkapazitäten.

Mittelfristige Aspekte sind das Vereinfachen von Zulassungsverfahren (Wirtschaft), die Komplett-Förderung von Beratungsdienstleistungen, um den Fachkräftemangel im Leichtbau auszugleichen (Politik), und um die engere Verzahnung zwischen Wirtschaft und Wissenschaft, um beispielsweise Forschungsroadmaps frühzeitig gemeinsam zu erstellen.

Langfristige Empfehlungen zielen vor allem auf mehr Venture Capital für die Leichtbau-Forschung.

Thema 4: Kooperation und Transfer

Bei den Themen Kooperation und Transfer ist das Stimmungsbild unter den Teilnehmern weniger eindeutig. Wichtige Rollen in der kurzfristigen Leichtbau-Strategie sollten Netzwerke, die (Wissens)förderung für KMU sowie gemeinsame Pilotanlagen spielen.

Auch branchenübergreifende Wissens- und Materialdatenbanken sind kurzfristig ein wichtiges Element für den Leichtbau.

Mittelfristig ist die Wissenschaft gefordert, dass in fünf bis zehn Jahren ausreichend Leichtbau-Spezialisten zur Verfügung stehen, um den wachsenden Bedarf zu decken. Dazu sollten Weiterbildungsprogramme angeboten werden, so der Vorschlag der Teilnehmer an der Diskussionsrunde.

Das bedeutsamste langfristige Ziel in diesem Themenblock ist eine Aufgabe an die Politik: Ausschreibungen sollte als eines der Hauptkriterien nicht mehr den Preis, sondern vor allem die technologische Ausführung beinhalten, am besten unter Einbeziehung der Umweltkosten.

Die Zahlen in den Grafiken entsprechen der Anzahl an Stimmen, die die einzelnen Vorschläge nach Abschluss einer Diskussionsrunde von den Teilnehmern der jeweiligen Gruppe bekommen haben. Dabei hatte jeder Teilnehmer nur eine Stimme.

Wie geht’s weiter?

Am 26. März lädt das BMWi (Bundeswirtschaftsministerium) zusammen mit der Initiative Leichtbau erneut nach Berlin ein. Auf dieser Abschlussveranstaltung „Leichtbau-Perspektiven für Deutschland“ werden die Ergebnisse der bisherigen drei Strategie-Workshops präsentiert. Kern der Veranstaltung sind die identifizierten Handlungsbedarfe und Maßnahmen und mögliche nächste Schritte für eine Leichtbaustrategie des BMWi für den Industriestandort Deutschland. Darüber hinaus werden aktuelle Informationen zum Technologietransfer-Programm Leichtbau des BMWi präsentiert. Anmeldungen sind ab sofort möglich.


Christine Koblmiller

Autor: Christine Koblmiller, Redakteurin, Gründerin, Fachjournalistin aus Leidenschaft, überzeugter Leichtbau-Fan.

Mit dem Metamagazin Leichtbauwelt.de habe ich 2018 den Schritt in die Selbständigkeit gewagt und mit Leichtbauwelt ein neues Medienformat im B2B-Umfeld geschaffen. Seit etwa 25 Jahren bin ich Redakteurin für technische B2B-Fachzeitschriften. Für verschiedene führende Fachmagazine habe ich als eBusiness-Projektmanager Industrie schon 2001 crossmediale Angebote eingeführt, denn die Digitalisierung aller Lebensbereiche hat Einfluss auf unser Informationsverhalten. Deshalb bin ich mir sicher, dass sich die Medienbranche wandeln muss. Mehr über mich finden Sie unter Conkomm, auf Xing oder LinkedIn.

„Leichtbau fasziniert und begeistert Techniker. Er ist für die Herausforderungen der Zukunft unabdingbar. Deshalb bin ich sicher, dass der Markt für ein Angebot wie Leichtbauwelt.de reif ist.“

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