Führungswechsel bei Composites United: 3 Fragen an Dr. Gunnar Merz und Dr. Tjark von Reden

Zum 01. April schied Dr. Gunnar Merz aus der Hauptgeschäftsführung des Composites United e.V. aus. Dr. Tjark von Reden übernahm seine Position, ihm zur Seite stehen nun die beiden neuen stellvertretenden Hauptgeschäftsführer Dr. Bastian Brenken und Dr. Thomas Heber.

Die Staffelübergabe in der Hauptgeschäftsführung nahmen wir zum Anlass, beide nach Ihren Erlebnissen, nach Rückblick und Visionen und angesichts neuer Herausforderungen nach der zukünftigen Ausrichtung des Vereins zu fragen. An welche besonderen Herausforderungen Dr. Merz noch lange denken wird und welche Strategie Dr. von Reden für Composites United umsetzen möchte, lesen Sie im folgenden Interview.

Leichtbauwelt: Dr. Merz, rückblickend auf Ihre Amtszeit bei Composites United und CFK Valley: welches war Ihre größte Herausforderung und auf welchen Erfolg sind Sie besonders stolz?

Dr. Gunnar Merz (Quelle: Composites United)

Dr. Gunnar Merz: Die größte Herausforderung war der Beginn meiner Zeit beim CFK Valley e.V. im Jahr 2014. Der Verein hatte sich umstrukturiert und eine schlanke Struktur aufgebaut. Der durch die Mitglieder gewählte Aufsichtsrat, der einen größeren Vorstand ersetzte, hatte sich den Erwartungen des Landes Niedersachsen angeschlossen, den CFK Valley e.V. im Hinblick auf das im Jahr 2015 Auslaufen der Förderung unternehmerisch auszurichten, ohne weitere Förderung. Zusätzlich sollten die Mitgliederzahlen durch Intensivierung der Internationalisierung und Schaffen von jährlich einer neuen Außenstelle deutlich erhöht werden. Nach Gründung des CFK Valley Japan in 2014 habe ich, zusammen mit meinen beiden Vorstandskollegen und meinem hochmotivierten Team in der Geschäftsstelle, CFK Valley Belgien, Korea, China und Indien gründen können. Die Mitgliederzahlen haben sich um etwa 20% erhöht.
Ganz ohne Förderung ging es dann aber in der Folgezeit nicht mehr und ich habe zielgerichtet Anträge für Vorhaben gestellt, die ohnehin in unserer Strategie vorgesehen waren. Dadurch konnten wir das Personal aufstocken. Gerade durch die internationalen Erfahrungen haben wir auch gesehen, dass im Ausland eher national die Kräfte gebündelt werden und in einem Gespräch mit Herrn von Reden vom damaligen Carbon Composites e.V. kamen wir 2017 gemeinsam zu dem Schluss, dass eine Fusion sehr sinnvoll ist. Nach einem holprigen Beginn in 2019/2020 haben wir dann ab 2021 auch gemeinsam als Hauptgeschäftsführer des Composites United e.V. durch gute Abstimmung und Zusammenarbeit die Fusion erfolgreich abgeschlossen.

Leichtbauwelt: Dr. von Reden, Sie sind schon lange Zeit in der Führungsverantwortung von Composites-Netzwerken. Welche besonderen Herausforderungen sehen Sie für sich persönlich jetzt in Ihrer neuen Rolle?

Dr Tjark von Reden (Quelle: Composites United)

Dr. Tjark von Reden: Ja das stimmt, man könnte sagen ich habe mich langsam hoch gearbeitet. Das hat zum einen den Vorteil, dass ich den Verein seit Langem kenne, mit seiner Historie, den Strukturen und Abläufen. Aber mit jeder neuen Aufgabe bleibt meisten doch etwas von der alten übrig. Bevor ich die wichtigen Aufgaben von Gunnar übernommen habe, hat es mir nicht an Arbeit gefehlt, nun wird es nicht besser werden. Ich glaube, meine persönliche Herausforderung wird es werden, genug Kapazitäten zu schaffen, um mich den zusätzlichen Aufgaben voll widmen zu können. Aber ich bin ja nicht alleine. Ich habe viele tolle Kolleginnen und Kollegen im CU, so dass ich mir keine Sorgen mache.

Leichtbauwelt: Dr. Merz, wie haben sich die Branchentrends und Herausforderungen während Ihrer Amtszeit verändert?

Dr. Gunnar Merz: Wir haben strategisch immer auf die Luft- und Raumfahrt als Hauptanwendungsbereich und Technologie-Treiber für Hochleistungsfaserverbundwerkstoffe gesetzt. Daran hat sich nichts geändert. Im Transportwesen gab es Hoffnungen auf einen größeren Einsatz im Automobil, die sich jedoch bisher nicht erfüllt haben. Besser sieht es bei LKWs und Schienenfahrzeugen aus. Das Bauwesen hat sich in der Folgezeit stark weiterentwickelt, sieht sich jedoch vor allem in Deutschland mit vielen Vorurteilen und falschen Informationen bezüglich Recyclingmöglichkeiten und Gefährlichkeit der verwendeten Carbonfasern konfrontiert. Ähnliches gilt für die im Laufe der Zeit wachsenden Bedarfe an Carbonfasern für die Windenergiebranche. Die immer größer werdenden Rotorblätter benötigen zur Stabilisierung CFK-Gurte. Dies führt auch zu einem wachsenden Bedarf an Carbonfasern, der nur durch stark aufgebaute Kapazitäten in China abgedeckt werden könnte. Leider haben sich die erforderlichen Rahmenbedingungen in Deutschland für eine Energie-intensive Carbonfaser Produktion nicht verbessert und sind weiterhin sehr herausfordernd. An Bedeutung stark gewonnen hat die Anwendung in der Wasserstoff-Technologie. Die augenblickliche politische Situation hat zu einer stärkeren Beachtung der Resilienz für die Industrie geführt und viele internationale Kooperation werden überdacht und neue Allianzen geschmiedet. Der Anwendungsbereich Verteidigung ist dadurch stärker in den Vordergrund gerückt und auch in der Mitgliederschaft vertreten. Der Bereich Ceramic Composites hat ebenfalls an Bedeutung gewonnen. Schon frühzeitig haben wir das Recycling von CFK und die industrielle Umsetzung unterstützt. Für die heute stärker werdende Bedeutung der Kreislaufwirtschaft und der Nachhaltigkeit sind wir damit sehr gut vorbereitet. Der Bedarf an Automatisierung hat sich durch die fortschreitende Digitalisierung und den Einsatz von KI wesentlich weiterentwickelt. Hier gibt es aber noch viel zu tun.

Leichtbauwelt: Was ist in den nächsten Jahren Ihrer Ansicht nach notwendig, um Composites United erfolgreich weiterzuentwickeln?

Dr. Gunnar Merz: Der Composites United ist nicht nur personell sehr gut aufgestellt und kann schon heute ein großes Portfolio an Mehrwerten für ihre Mitglieder bieten. Während der Pandemie konnte schnell und sehr flexibel auf digitale Formate umgestellt werden, um weiterhin einen Mehrwert für die Mitglieder im Bereich des Netzwerkens bieten zu können. Angesichts der weiteren zu erwartenden Veränderungen und Entwicklungen muss diese Flexibilität erhalten bleiben und der Service für die Mitglieder weiter im Mittelpunkt stehen. Es gilt die technologischen Trends rechtzeitig zu erkennen und die Mitglieder auf ihrem Weg von der Idee zu einem marktfähigen Produkt zu unterstützen. Die partnerschaftliche Zusammenarbeit mit anderen Netzwerken und der Dialog mit der Politik auf Landes-, Bundes und EU-Ebene werden das sehr gute Standing des Vereins erhalten und weiter ausbauen.

Leichtbauwelt: Herr Dr. von Reden, planen Sie, die Strategien und Initiativen ihres Vorgängers fortzusetzen oder haben Sie eigene, neue Ideen, um Composites United angesichts aktueller Herausforderungen weiterzuentwickeln?

Dr. Tjark von Reden: Gunnar und ich haben die letzten zwei Jahre gut und eng zusammengearbeitet. Insofern sind die Strategien und Initiativen die Gunnar in den letzten Jahren angestoßen und vorangetrieben hat, immer auch in meinem Sinne gewesen und es gibt keinen Grund diese jetzt kurzfristig zu verändern. Aber natürlich müssen und werden wir den Verein stetig weiter entwickeln, um den aktuellen Entwicklungen gerecht zu werden. Ich möchte aber, und in der Vergangenheit hat der CU das immer wieder geschafft, nicht nur auf Trends reagieren, sondern möchte diese antizipieren und auch setzen.

Leichtbauwelt: Wie möchten Sie den Verein langfristig positionieren und welche neuen Möglichkeiten sehen Sie für seine Entwicklung in der Leichtbau-Branche?

Dr. Tjark von Reden: Der Verein für sich ist sehr gut positioniert. Wir sind im deutschsprachigen Raum und ich würde sogar sagen zumindest in Europa, das führende Netzwerk für faserverstärkte Hochleistungswerkstoffe. Wichtiger erscheint mir, dass wir die Technologie so positionieren, dass sie entsprechend ihrer Möglichkeiten eingesetzt wird. Ob faserverstärkte Kunststoffe, Keramiken oder Beton, die Werkstoffe bieten das Potential deutlich ressourceneffizienter zu agieren, als es mit unverstärkten oder metallischen Werkstoffen möglich ist. Die angestrebte Energiewende mit grünen Strom und einer Mobilität mit Wasserstoff, sowie vieles mehr werden ohne CFK und GFK nicht möglich sein. Das müssen wir verdeutlichen und die sich hartnäckig haltende falsche Annahme die Materialien seien nicht recycling- oder verwertungsfähig korrigieren. Es gibt ja z. B. Unternehmen, die schon seit vielen Jahren CFK recyclen. Mit einer grünen Carbonfaser, an der gerade gearbeitet wird, werden wir die Werkstoffe auf ein ganz neues Level heben. Da freue ich mich schon drauf.

Hintergrund

Mit dem Rücktritt aus der Hauptgeschäftsführung des Composites United e. V. (CU) setzt Dr. Gunnar Merz ein Zeichen für die Zukunft und überträgt seinen bisherigen Verantwortungsbereich der jüngeren Generation. Dr. Tjark von Reden wird ab 01.04.2024 alleiniger Hauptgeschäftsführer, verstärkt durch die beiden neuen stellvertretenden Hauptgeschäftsführer Dr. Bastian Brenken und Dr. Thomas Heber. Beide kommen aus den Reihen des CU.
Dr. Gunnar Merz, promovierte Chemiker, kam 2014 mit umfangreicher internationaler Berufserfahrung, unter anderem bei Dow Chemicals, als geschäftsführender Vorstandsvorsitzender zum CFK Valley e. V. in Stade, einem der beiden später zum CU fusionierten Verbände.

Gunnar Merz hat die Fusionsverhandlungen zwischen dem CFK Valley e. V. und dem Carbon Composites e. V. maßgeblich mitinitiiert und vonseiten CFK Valley geführt. Am erfolgreichen Abschluss der Fusion und der Gründung des neunen, gemeinsamen Netzwerkes Composites United e. V. im Jahr 2019 hatte er einen wesentlichen Anteil.

Als CU-Hauptgeschäftsführer verantwortete er die Bereiche Strategische Weiterentwicklung, Internationalisierung, Technologiezentren sowie Politik und Lobbying. Gemeinsam mit dem CU-Präsidium hat Gunnar Merz auch durch sein Engagement unter anderem als Sprecher des Strategiebeirats der Initiative Leichtbau des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) sowie in Kooperation mit Partnerverbänden den Leichtbau im Koalitionsvertrag der jetzigen Bundesregierung verankert und als Schlüsseltechnologie etabliert sowie eine europäische Sichtbarkeit für den CU und seine Mitglieder geschaffen.

Der strategische Führungswechsel war bereits im Fusionsvertrag vereinbart. Seit dem 1. April 2024 ist Dr. Tjark von Reden alleiniger Hauptgeschäftsführer des CU. Ihm zur Seite stehen Dr. Bastian Brenken, der sich um die Themenfelder Technologie & Nachhaltigkeit sowie Internationalisierung kümmern wird, sowie Dr. Thomas Heber für die Bereiche Netzwerk & Veranstaltungen sowie Kommunikation als neue, stellvertretende Hauptgeschäftsführer.

Bild oben: Generationswechsel beim CU: Hauptgeschäftsführer Dr. Gunnar Merz (2.v.r.) übergibt den Staffelstab an die beiden neuen stellvertretenden Hauptgeschäftsführer Dr. Thomas Heber (l.) und Dr. Bastian Brenken (2.v.l.). Dr. Tjark von Reden (r.) wird alleiniger Hauptgeschäftsführer. (Quelle: Composites Uinted)

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