(04.11.2022) Das erste jetzt vorgestellte hydroaktive Fassadenelement ist sehr leicht und kann deshalb an jeder Fassade im Neubau wie auch im Gebäudebestand nachträglich angebracht werden. Dabei spielt neben der Funktion und der Ressourceneffizienz das Gewicht eine besondere Rolle, denn zum einen ist die Statik bestehender Gebäude nicht auf deutlich höhere Gewichte ausgelegt. Zum anderen eignen sich vor allem Hochhäuser im urbanen Umfeld für den Einsatz der hydroaktiven Fassadenkühlung. Denn ab etwa 30 Meter Bauhöhe ist aufgrund der Windgeschwindigkeiten und des in der Höhe als Schlagregen auftreffenden Regenwassers die positive Wirkung der Elemente deutlich besser.
Warum sind solche Entwicklungen in einer Welt wichtig, die immer heißer und damit lebensfeindlicher wird? Weil sich Städte sich deutlich schneller aufheizen als das Umland. Das liegt an der fehlenden Verdunstungskühlung, denn Glas, Stahl und Beton heizen sich je nach Sonneneinstrahlung zwar auf, nehmen aber bei Regen kaum bis kein Wasser, das sie später wieder abgeben könnten. Und weil die zunehmenden Regenmengen für die Kanalisation zu einem immer größeren Problem werden.
Der Fokus eines neuen Beitrags im Fachmagazin Konstruktionspraxis liegt auf der Fähigkeit der leichten Fassendenelemente, Wasser aufzunehmen und so nicht nur zur Kühlung von Hitzeinseln, sondern auch zum Hochwasserschutz beizutragen: „Die leichten Fassadenelemente von Hydro-Skin aus mehreren Textillagen und Membranen nehmen Regenwasser auf. Das entlastet die Kanalisation und beugt Hochwasser vor. An heißen Tagen wird die Textilfassade mit Wasser befeuchtet und kühlt damit durch Verdunstung Gebäude und Stadtraum nachhaltig ohne Klimaanlage. Die Fassadenelemente können aufgrund ihres geringen Gewichtes mit Leichtigkeit an Neubauten sowie bestehenden Gebäuden angebracht werden – und das in vielfältigen Designs. Zudem können die Textilien zu 100 Prozent rezykliert und sogar aus PET-Flaschenabfällen hergestellt werden. […] Quelle: Konstruktionspraxis
„Hydroaktive Elemente dagegen stellen bei minimalem Ressourceneinsatz eine effektive Fassadenlösung zur Neutralisierung des städtischen Hitze-Insel- Effektes dar.“
Prof. Werner Sobek, bis 2020 Leiter des Instituts für Leichtbau Entwerfen und Konstruieren (ILEK) der Universität Stuttgart.
Das Fassadenelement Hydroskin, das nun am Forschungshochhaus in Stuttgart installiert wurde, ist ein hydroaktives Element. Es besteht im Kern aus einem Abstandsgewirke – zwei textilen Lagen, die durch Fäden auf Abstand gehalten und so gut hinterlüftet sind. Durch die Luftzirkulation wird Wasser verdunstet und die Fassade gekühlt. Das Gewirke hat außerdem an der vom Gebäude abgewandten Seite eine wasserdurchlässige textile Hülle. Dies lässt den Regen eindringen, schützt aber die Verdunstungsschichten gleichzeitig vor Verunreinigungen. Eine Folie an der Innenseite des Gewirkes sorgt dafür, dass das Wasser in ein Profilsystem am unteren Ende abfließt und dort entweder gespeichert oder im Gebäude direkt genutzt werden kann. An heißen Tagen wird Wasser in das hydroaktive Element zuückgeleitet, verdunstet und sorgt so für den Kühleffekt.
„Dieses Fassadensystem stellt eine artifizielle Retentionsfläche zur Regenwasserrückhaltung und -verdunstung in der Gebäudefassade dar, die durch ihre optischen und haptischen Qualitäten nicht nur unglaublich schön ist, sondern zugleich einen Meilenstein für die Anpassung der gebauten Umwelt an die akuten Herausforderungen unserer Zeit darstellt.
Christina Eisenbarth, Akademische Mitarbeiterin am ILEK und Erfinderin von Hydroskin.
Bild oben: Hitzewellen machen Großstädte zunehmend lebensfeindlich. Adaptive, hydroaktive und leichte Fassadenelemente könnten ein Mittel im Kampf gegen Hitze und Hochwasser sein. (Quelle: Depositphotos)
Quelle und weitere Infos: Deutsche Bauzeitung, Ingenieur.de, Forschung & Wissen, Transforming Cities, Euwid, Deutschlandfunk (Hörbeitrag)
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