In den Antworten auf 10 Fragen zum Gießverfahren stellen wir das Gießen als Fertigungsprozess vor. Was ist Gießen? Welche Werkstoffe eignen sich für das Gießen? Welche Bedeutung hat das Gießen im Leichtbau? Wie serientauglich ist der Gießprozess? Wie nachhaltig sind Gießverfahren? Worauf müssen Produktentwickler achten? In welchen Branchen finden Gussteile Anwendung? Welches sind die wichtigsten Stärken und Schwächen? Welche Entwicklungen sind bei den Gießverfahren für die Zukunft zu erwarten? Wo kann ich zu Gießverfahren Netzwerken?
Bild oben: Gießverfahren gehören zu den ältesten Formgebungsverfahren der Menschheit. (Quelle: pixabay | Erdenebayar)
1. Was ist Gießen?
Das Gießen zählt lt. DIN 8580 zu den sogenannten Urformverfahren (Hauptgruppe 1). Es ist eines der ältesten bekannten Fertigungsverfahren.
Aus flüssigem, plastischem oder breiigem Werkstoff entstehen durch den Gießprozess Bauteile einer bestimmten Gestalt. Diese wird zuvor in der Gussform (auch als Form, Modell, Schalung oder Werkzeug bezeichnet) als Negativ abgebildet. Das Material wird in diese Form eingebracht – gegossen – und erstarrt. Anschließend wird das Bauteil entformt, nachbearbeitet und weiterverarbeitet.
Gegossene Bauteile können massiv oder porös sein.
Die Prozesskette beim Gießen besteht aus
- der Vorbereitung mit der Herstellung der Formen
- dem Zusammenstellen und Schmelzen der Werkstoffe,
- dem Füllen der Form und dem Erstarren der Schmelze,
- dem Entformen und der Nachbearbeitung (zum Beispiel Entgraten, Gussputzen, Wärmebehandlung, Sintern).
2. Welche Werkstoffe eignen sich zum Gießen?

Metalle (beispielsweise Aluminium, Stahl, Magnesium, Zink etc.), Kunststoffe, Beton, Gips und Keramik lassen sich im Gießprozess verarbeiten. Im Leichtbau sind dabei vor allem Bauteile aus Stahl, Aluminium, Magnesium, Zink und Kunststoffen relevant. Auch für Textilbeton existieren Gießverfahren.
3. Welche Bedeutung hat das Gießen für den Leichtbau?
Je nach Werkstoff und Prozess gibt es unterschiedliche Gießverfahren: Druckguss, Sandguss, Feinguss, Kunststoff-Spritzguss, Metall-Spritzguss, Formguss, Gradientenguss, Niederdruckguss, Hybridguss, etc…. Einige dieser Verfahren sind für das Herstellen von Leichtbauteilen besser geeignet als andere. Diese werden wir in weiteren Beiträgen genauer betrachten.
4. Wie serientauglich ist das Gießen als Fertigungsprozess?

Im Leichtbau sind Gießverfahren vor allem für große Stückzahlen geeignet, da die Kosten pro Bauteil durch das zuvor notwendige Anfertigen der Form beziehungsweise des Werkzeugs bei Kleinserien oder Prototypen ungleich höher und meist nicht rentabel sind.
Die Zykluszeiten sind in der Regel kurz und die Qualität und Reproduzierbarkeit der Bauteile hinsichtlich Maßhaltigkeit und Oberflächenbeschaffenheit gut, so dass sich Gießverfahren für die Großserie eignen.
5. Umweltaspekte der Gießverfahren
Da sowohl Metalle als auch Kunststoffe zum Gießen in flüssigen beziehungsweise plastischen Zustand gebracht werden müssen, verursachen Gießverfahren je nach Energieverbrauch und -quelle für das Erhitzen CO2-Emissionen, die in die Betrachtung des Bauteils für den resultierenden CO2-Footprint einfließen müssen. Alle Anlagen- und Maschinenhersteller haben die Energieeffizienz ihrer Prozesse jedoch im Fokus, weshalb gerade in den letzten Jahren viele Maßnahmen zum Einsparen von Energie entwickelt wurden. Auch weiterhin wird an diesem Thema intensiv geforscht.
Positiv schlägt die mögliche hohe Recyclingquote bei vielen gegossenen Bauteilen zu Buche. Metalle und Kunststoffe eignen sich prinzipiell für einen geschlossenen Recyclingkreislauf. Entscheidend für die Entscheidung pro oder contra Recycling sind die resultierenden Bauteileigenschaften, weshalb der Anteil an Recyclingwerkstoff in der Schmelze teilweise geringer sein muss als 100 Prozent. Außerdem sind manche Gießverfahren materialintensiv, da die Formen beim Entformen des Bauteils zerstört werden müssen. Auch dies ist bei der CO2-Bilanz sowie dem Ressourcenbedarf in der Lebenszyklusanalyse des Bauteils zu berücksichtigen.
6. Worauf müssen Entwickler achten?
Prinzipiell lassen sich durch Gießverfahren auch komplexe Werkstücke herstellen. Herausfordernd sind Hinterschnitte und Hohlräume, welche mit Hilfe von Kernen gemeistert werden können.
Sind Passungen, Bohrungen, planebene Flächen, Gewinde und ähnliches gefordert, muss das Bauteil eventuell nachbearbeitet werden. Ebenso könnte – je nach Verfahren und späterer Anwendung – eine Nachbearbeitung der Oberfläche des Bauteils notwendig sein.
Bei Metallen ist häufig zum Optimieren der Materialstruktur und damit der mechanischen Eigenschaften das Weichglühen des Gussbauteils erforderlich.
Für die Qualität und Maßhaltigkeit des Bauteils müssen bei der Entwicklung und Auslegung des Bauteils Schwindung und Schrumpfung beachtet werden, wobei die erreichbare Genauigkeit vom Gießverfahren und vom Werkstoff abhängt.
All diese Randbedingungen lassen sich heute mit den richtigen Tools simulieren. Die Gießprozess-Simulation nutzt dazu numerische Methoden. Mit ihr lassen sich Formfüllung, Erstarrung und Abkühlung vorhersagen und quantitative Aussagen zu mechanischen Eigenschaften, thermischen Spannungen und Verzug der Gussteile treffen.
Generell sollte eine Simulation für Gießverfahren – ob Metall oder Kunststoff – jedoch nicht nur der Qualitätssicherung und der Optimierung des Fertigungsprozesses dienen. Simulationen sind heute als Teil eines digitalisierten Fertigungsprozesses zu betrachten und sollten den Bogen schlagen von der Produktentwicklung und Bauteilauslegung über die Produktion bis hin zur Bauteilnutzung und der Lebenszyklusbetrachtung.
Wie eine richtige Gießprozess-Simulation Leichtbau möglich macht, erklärten 2008 die Autoren Erwin Flender, Achim Egner-Walter und Guido Busch von Magma in diesem Beitrag.
7. In welchen Branchen finden Gussteile Anwendung?

In allen. Tatsächlich ist die Bandbreite möglicher Bauteile – vor allem, wenn man hybride Verfahren und Kombinationen mit anderen Fertigungstechnologien mit einbezieht – so groß, dass es auch im Leichtbau kaum eine Branche gibt, wo Gussteile aus Metall oder Kunststoff nicht eingesetzt werden können: Von Raumfahrt bis Medizintechnik, von Bauwesen bis Energieerzeugt und von Automobil bis Sport – Gussteile finden sich überall.
8. Die wichtigsten Stärken und Schwächen der Gießverfahren
Die wichtigsten Stärken der Gießverfahren liegen in der kostengünstigen Großserie und den vergleichsweise kurzen Zykluszeiten.
Die Schwächen des Verfahrens sind die hohen Anlagekosten und der hohe Energieverbrauch – sowie bei manchen Verfahren auch ein hoher Materialbedarf.
9. Welche Entwicklungen sind bei den Gießverfahren für die Zukunft zu erwarten?
Diverse Kombination mit Additiver Fertigung eröffnen neue Möglichkeiten – in der Fertigung der Werkzeuge und Formen sowie des Bauteils selbst, aber auch in der Neuordnung der Prozesskette.
10. Gießverfahren – Tipps zum Netzwerken
- BDG Umwelttag, 16. September 2021, Düsseldorf
- Fachmesse Fakuma 12. Bis 16. Oktober 2021, Friedrichshafen
- Aalener Gießerei Kolloquium 2021, Ende September oder Dezember, Aalen
- Fachmesse Euroguss 18.-20.Januar 2022, Nürnberg
- Fachmesse Castforge 21. – 23. Juni 2022, Stuttgart
- Fachmesse K 2022 19. – 26. Oktober 2022, Düsseldorf
Quellen und weitere Infos: Wikipedia, BDG, TILT Industries, Chemie.de, dewiki

Autor: Christine Koblmiller, Redakteurin, Gründerin, Fachjournalistin aus Leidenschaft, überzeugter Leichtbau-Fan.
Mit dem Metamagazin Leichtbauwelt.de habe ich 2018 den Schritt in die Selbständigkeit gewagt und mit Leichtbauwelt ein neues Medienformat im B2B-Umfeld geschaffen. Seit etwa 25 Jahren bin ich Redakteurin für technische B2B-Fachzeitschriften. Für verschiedene führende Fachmagazine habe ich als eBusiness-Projektmanager Industrie schon 2001 crossmediale Angebote eingeführt, denn die Digitalisierung aller Lebensbereiche hat Einfluss auf unser Informationsverhalten. Deshalb bin ich mir sicher, dass sich die Medienbranche wandeln muss. Mehr über mich finden Sie unter Conkomm, auf Xing oder LinkedIn.
„Leichtbau fasziniert und begeistert Techniker. Er ist für die Herausforderungen der Zukunft unabdingbar. Deshalb bin ich sicher, dass der Markt für ein Angebot wie Leichtbauwelt.de reif ist.“
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