Klimaverbessernd: Carbonfasern aus Algen

An der TU München wird ein Projekt gefördert, das nicht nur für den Leichtbau interessante Perspektiven bietet: Aus Algen hergestellte Carbonfasern ermöglichen neue Werkstoffe, deren Herstellung der Atmosphäre CO2 entzieht.
Herstellungsverfahren, die mehr Kohlendioxid (CO2) verbrauchen, als sie selbst freisetzen, stuft der aktuellste Weltklimareport (IPCC Special Report on Global Warming of 1.5 °C) als wichtige Option ein, den Klimawandel doch noch in den Griff zu bekommen.

Algentechnikum der TU München am Ludwig Bölkow-Campus in Ottobrunn (Quelle: Andreas Heddergott / TU München)

Im Jahr 2015 wurde ein Algentechnikum auf dem Ludwig Bölkow Campus eröffnet. Zunächst mit dem Ziel, effiziente Verfahren zur Produktion von Biokerosin und chemischen Wertstoffen zu entwickeln. Ende 2018 wurde dann bekannt, das es den Forschern gelungen war, einen Prozess zu entwickeln, der nach ersten Berechnungen eine wirtschaftliche Entfernung des Treibhausgases Kohlendioxid aus der Atmosphäre ermöglichen könnte.

Wichtige technologische Grundlagen legten Professor Thomas Brück und sein Team am Algentechnikum der TU München. Die dort untersuchten Algen erzeugten nicht nur Biosprit. Aus ihnen lassen sich auch sehr effizient Polyacrylnitrilfasern (PAN) herstellen. Die Energie von Parabol-Sonnenspiegeln verkohlt anschließend die PAN-Fasern CO2-neutral zu Carbonfasern.

„Das ist ein neues, klimafreundliches Wirtschaftsmodell, bei dem wir gängige Verfahren sinnvoll mit Innovationen kombinieren.“
(Prof. Dr.-Ing. Uwe Arnold, TU München)

Dabei unterscheiden sich die Kohlefasern aus Algen nicht von herkömmlichen Carbonfasern, so die Forscher. Mit ihnen lassen sich in den herkömmlichen Prozessen leichte und hochfeste Werkstoffe herstellen.

Ein weiteres wichtiges Einsatzfeld ist die Bauindustrie, die für einen erheblichen Teil des weltweiten Kohlendioxidausstoßes verantwortlich ist. Am Ende des Lebenszyklus der Carbonfasern könnte man diese in leere Kohleflöze einlagern und entzöge damit die entsprechenden Kohlendioxid-Äquivalente dauerhaft der Atmosphäre. In Baustoffen können Kohlefasern Baustahl ersetzen. Dank ihrer Festigkeit sparen sie Zement, und aus mit Kohlefasern verstärktem Granit lassen sich sogar Träger herstellen, die bei gleicher Tragfähigkeit wie Stahl so leicht wie Aluminium sind.

„Stellt man aus Kohlendioxid Kunststoffe her, so ist es über die Müllverbrennungsanlage nach wenigen Jahren Nutzung schnell wieder in der Atmosphäre. Mit der sicheren Einlagerung am Ende entziehen wir der Atmosphäre das Kohlendioxid auf Jahrtausende.“
(Kolja Krause, TU München)

Klimaneutrale Carbonfasern für den Leichtbau

Ziel des jetzt im Juli gestarteten Projekts mit dem Titel „Green Carbon“ ist es, auf Algenbasis Herstellungsverfahren für Polymere und carbonfaserbasierte Leichtbaumaterialien zu entwickeln, die beispielsweise in der Flug- und Automobilindustrie eingesetzt werden können.

Durch ihr schnelles Wachstum speichern Mikroalgen das Treibhausgas CO2 in Form von Biomasse. Gebunden wird es unter anderem in Form von Zuckern und Algenöl. In biotechnologischen Prozessen erzeugen ölbildende Hefen aus den Algenzuckern Hefeöl. Dieses lässt sich enzymatisch in freie Fettsäuren und Glycerin spalten. Das Glycerin ist der Ausgangsstoff für die Carbonfasern.

Prof. Thomas Brück, (Quelle: TU München)

„Die aus Algen hergestellten Carbonfasern sind absolut identisch mit den derzeit in der Industrie eingesetzten Fasern. Sie können daher für alle Standardprozesse im Flugzeug- und Automobilbau genutzt werden.“
(Projektleiter Thomas Brück, Professor für Synthetische Biotechnologie an der TU München)

Darüber hinaus lassen sich aus Carbonfasern und Hartstein mit einem Verfahren des Industriepartners TechnoCarbon Technologies neuartige Konstruktionsmaterialien herstellen. Sie haben nicht nur eine negative CO2-Bilanz, sondern sind leichter als Aluminium und stabiler als Stahl.

Begleitet wird die Entwicklung der unterschiedlichen Prozesse von technologischen, ökonomischen und Nachhaltigkeitsanalysen. Die Forschungsarbeiten der TU München fördert das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit rund 6,5 Mio. Euro.

Bild oben: Pariya Shaigani, Doktorandin am Werner Siemens-Lehrstuhl für Synthetische Biotechnologie, auf einem e-Scooter mit einem Trittbrett aus einem Verbundmaterial aus Granit und Carbonfasern aus Algen. (Quelle: Andreas Battenberg / TUM)


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Quelle und weitere Infos: Blechonline, TU München 

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