Kreislaufgerechtes Bauen mit lösbaren Verbindungen

Kreislaufgerechtes Bauen bedeutet, dass Bauwerkstoffen und Halbzeuge demontiert und anderweitig wieder eingesetzt werden können. Voraussetzung dafür ist, dass Verbindungen zwischen den Bauelementen einfach und schnell wieder gelöst werden können. Im DFG-Projekt FibreCast der TU Berlin, das 2022 erfolgreich abgeschlossen wurde, entwickelten die Forschenden Verbindungsknoten für Tragstrukturen, welche einfach ineinanderzustecken und wieder auseinanderzunehmen sind.

Die drei Zielsetzungen der Grundlagenforschung waren

  1. die Tragfähigkeit in den Verbindungsbereichen zu erhöhen,
  2. eine lösbare Verbindung zu entwickeln, die
  3. bei schlanken Konstruktionen wie zum Beispiel Fassaden, Zelten, Pavillons oder Gitterschalen einsetzbar ist.

„Verbindungen sind die Schwachstellen in jeder Konstruktion – ähnlich wie beim Menschen die Gelenke. Mit der speziellen Verzahnungsgeometrie und dem mit Carbon- oder Basaltfasern verstärkten Polymerfeinbeton konnten wir alle drei Forschungsziele erreichen. Die Lösbarkeit der Verbindung und damit das Auf- und Abbauen von hybriden Holzkonstruktionen ist ein wichtiger Beitrag zum kreislaufgerechten Bauen und damit zur Einsparung von Ressourcen.“
Prof. Dr.-Ing. Volker Schmid, Fachgebiet Entwerfen und Konstruieren – Verbundstrukturen, TU Berlin

Tragstrukturen aus glasfaser- und naturfaserverstärkten Kunststoffen können mit Hilfe der entwickelten Verbindungsknoten auch im umweltfreundlichen, weniger CO2-intensiven Holzbau eingesetzt werden, weil sie ein ähnliches Trag- und Verformungsverhalten wie das zu verbindende Holz aufweisen. Außerdem zeigen sie ein ästhetisch anspruchsvolles schlankes Design, in dem Funktion und Form perfekt aufeinander abgestimmt sind. Ungeahnt schlanke Holzkonstruktionen lassen sich so realisieren.

Erreicht wurde die Vielseitigkeit des Verbindungsknotens durch zwei Komponenten: eine spezielle Verzahnungsgeometrie und die Verwendung von Polymerfeinbeton, der mit einem Bewehrungskorb aus epoxidharzgetränkten Carbon- oder Basaltfasern verstärkt wurde. Polymerfeinbeton ist ein aus Epoxidharz, Sand und feinem Kies bestehendes Baumaterial, von dem aus der bisherigen Forschung bereits bekannt war, dass es mit Holz gut zu kombinieren ist. Das eingesetzte Kaltgussverfahren ermöglicht es zudem, die aus dem Polymerfeinbeton bestehenden Verbindungsknoten direkt mit dem Holz zu verkleben.

„Unsere Versuche und computerbasierten Berechnungen ergaben, dass – soll die Verbindung lösbar sein – das Material zusätzlich entweder mit einer Stahlbewehrung oder mit gewickelten Bewehrungskörben aus Carbon- oder Basaltfasern verstärkt werden muss, um die Zugtragfähigkeit des Polymerfeinbetons zu erhöhen. Wir haben uns schließlich für Carbon- und Basaltfasern entschieden; gegen den Stahl. Hätten wir nicht auf der Lösbarkeit der Verbindungsknoten bestanden, wäre eine Verstärkung des Polymerfeinbetons wahrscheinlich nicht notwendig gewesen.“
Prof. Dr.-Ing. Volker Schmid, Fachgebiet Entwerfen und Konstruieren – Verbundstrukturen, TU Berlin

Die spezielle Verzahnungsgeometrie gleicht der Silhouette eines Tannenbaums. Diese Form resultiert daraus, dass der Verbindungsknoten aus zwei Teilen besteht, die ineinandergesteckt und wieder zerstörungsfrei gelöst werden können. Dies erforderte, eine Geometrie zu finden, die eine effektive Kraftübertragung zwischen den beiden Verzahnungselementen ermöglicht.

„Das Besondere im FibreCast-Projekt ist, dass es uns gelungen ist, für den hybriden Holzbau eine lösbare Verzahnungsverbindung zu entwickeln, wodurch schlanke Konstruktionen beliebig oft auf- und abbaubar sind, und dass wir unseren Polymerfeinbeton mit Carbon- oder Basaltfasern zusätzlich verstärkt haben, um die Leistungsfähigkeit der Verbindungen zu steigern. Mit herkömmlichen Verbindungsmitteln im Holzbau wie zum Beispiel Schrauben, Nägeln oder Bolzen wäre das alles nicht umsetzbar gewesen.“
Leon Immenga, wissenschaftlicher Mitarbeiter im FibreCast-Projekt und am Fachgebiet Entwerfen und Konstruieren – Verbundstrukturen, TU Berlin

Im Rahmen des Forschungsprojektes wurden die Verbindungsknoten schließlich an einem Pavillon, der mithilfe von Studierenden der TU Berlin und der Universität der Künste gebaut wurde, auf ihre Praxistauglichkeit getestet. Der Pavillon wurde mittlerweile mehrmals auf – und wieder abgebaut.

Bild oben: Die tannenbaumförmige Verzahnungsgeometrie des Verbindungsknoten erwies sich als die effektivste Variante zur Kraftübertragung. (Quelle: TU Berlin)


Quelle und weitere Infos: Pressemitteilung, Beitrag auf Ingenieur.de, Webseite

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