Die additive Fertigung, Additive Manufacturing oder 3D-Druck, ermöglichen im Leichtbau Produktdesigns, die durch konventionelle Fertigung bis heute nicht machbar waren. Ist Additive Manufacturing deshalb eine disruptive Technologie? Diese neuen Produktdesigns entstehen durch Strukturoptimierung, das bedeutet Material wird nur dort aufgetragen, wo es nötig ist: Stichwort Ressourceneffizienz. Doch wie ressourceneffizient ist die Additive Fertigung wirklich?
In der Artikelserie „Leichtbau trifft …“ möchte ich den Leichtbau in unterschiedlichen Zusammenhängen betrachten. Die Leichtbautechnologie mit verschiedenen interessanten Themen und den Megatrends, den Herausforderungen für unsere Zukunft aber auch mit weiteren innovativen Technologien unserer Zeit in Bezug setzen. Bei der additiven Fertigung ist das recht einfach: 3D-Druck ist eine der Technologien, die Leichtbau möglich macht. Doch das ist längst nicht alles!
Ist 3D-Druck eine disruptive Technologie?
Ja, höre ich Sie fast schon sagen, natürlich gilt der 3D-Druck als disruptive Technologie. Sind sie sicher?
Disruptiv bedeutet, dass es sich um eine Innovation handelt, die Wachstum ermöglicht. Kennzeichnend ist außerdem, dass nicht nur bestehende Assets verwendet und neu miteinander verbunden und vermarktet werden (Beispiel Uber, AirBnB), und auch nicht, dass bestehende Produkte mit neuen Eigenschaften versehen und damit teurer verkauft werden können.
„Eine disruptive Innovation transformiert ein Produkt, das bisher sehr kompliziert und teuer war und macht es einfacher und billiger, so dass es sich mehr und neue Kunden leisten können.“
(Clayton Christensen, US Managementexperte in einem Interview für Haufe)
Folgt man dem Wissenschaftler, so hat die additive Fertigung durchaus disruptives Potential – aber nur, wenn es gelingt die Kosten – und den Ressourcenverbrauch weiter zu senken, so dass die Produkte und/oder das Herstellverfahren tatsächlich „einfacher und billiger“ werden.
4 Punkte für mehr Ressourceneffizienz der Additiven Fertigung
Denn in einer gerade erst erschienenen Studie des VDI Zentrum für Ressourceneffizienz wurde an einem Beispiel das konventionelle (vier Prozessschritte: Gießen, Schmieden, Entgraten und Wärmebehandeln und letzlich Fräsen) mit dem additiven Fertigungsverfahren (LBM-Verfahren) an einem Referenzbauteil verglichen. Das Fazit fiel nur eingeschränkt positiv für das betrachte Laser-Druck-Verfahren aus. Woran lag es und wie kann das Verfahren Additive Fertigung sein volles Potential ausschöpfen?
- Die Anlagentechnik: Negativ auf die Ressourceneffizienz hatte sich vor allem die hohe messbare Grundlast der Anlage ausgewirkt. Hier bestehe, so die Verfasser, bei der Anlagentechnik ein signifikantes Potenzial zur Optimierung der Energieeffizienz. Ebenso hohes Einsparpotential birgt eine Vergrößerung des Bauraumvolumens und damit die Steigerung der Anzahl zeitgleich gefertigter Bauteile.
- Die Rohstoffe: Die verwendete Pulverlegierung hat einen hohen Einfluss auf den Ressourcenaufwand und das Treibhausgaspotenzial. Anstelle von Hightech-Werkstoffen lassen für manche Bauteile auch beispielsweise AlSi10Mg-Pulver oder gar Maraging-Stahlpulver verwenden. Das betrachtete Bauteil könnte mit dem Stahlpulver sogar mit weniger Material realisiert werden.
- Die Strukturoptimierung: Ohne die Strukturoptimierung würden die in der Studie ermittelten ökonomischen und ökologischen Kennwerte der additiven Fertigung deutlich ungünstiger ausfallen. Nicht beim Referenzbauteil, aber bei anderen Anwendungen hat die Leichtbauweise wesentlich stärkeren Einfluss auf die Verringerung der für Hubarbeit und Beschleunigung benötigten Energiemengen. Und hat dann auch eine Auswirkung auf die Ressourceneffizienz des additiven Verfahrens.
- Die Investitions-, Material- und Betriebskosten: Diese Kostenblöcke sind bei der Additiven Fertigung wesentlich höher als bei der konventionellen Fertigung. Hier muss aber, so die Autoren der Studie, jeder Fall einzeln für sich betrachtet werden.
Zumal, so legt eine weitere Studie nahe, die die Leichtbau BW veröffentlicht hat, Veränderungen in der Wertschöpfungskette, Skaleneffekte der AM-Dienstleister und Synergieeffekte mit der konventionellen Fertigung diese Mehrkosten im Einzelfall mehr als relativieren können, vor allem, wenn die Höhe der Wertschöpfung zunimmt.
3D-Druck: Materialeffizienz für den Leichtbau
Ein wesentlicher Vorteil der additiven Fertigung liegt in der Möglichkeit zur topologischen Strukturoptimierung von Leichtbauteilen. Denn mit additiver Fertigung ergeben sich für den Leichtbau enorme Potentiale durch bisher nicht realisierbares Produktdesign. Denn Material wird nur dort eingesetzt, wo es aufgrund der Berechnungen für die Gebrauchsfestigkeit des Bauteils benötigt wird.
Durch ein auf additive Fertigung optimiertes Gesamtdesign komplexer Produktsysteme ließe sich das Leichtbaupotenzial von Einzelkomponenten noch umfassender erschließen, besagt auch die Studie des VDI.
Dadurch würde sich nicht nur die Wirtschaftlichkeit der additiven Verfahren verbessern. Es könnten so auch deutlichere Energiespareffekte in der Nutzungsphase bewegter Massen erzielt werden, ganz besonders dann, wenn es zusätzlich gelingt, kostengünstige Werkstoffe für die Herstellung der Bauteile per additiven Verfahren einzusetzen, die gleichzeitig weniger CO2-Emissionen bei ihrer Herstellung verursachen.
Bild oben: 3D gedruckte Prototypen verschiedener Bauteile von SLM Solutions Group auf der Formnext 2018 (Quelle: Mesago / Mathias Kutt)
Autor: Christine Koblmiller, Redakteurin, Gründerin, Fachjournalistin aus Leidenschaft
Mit dem Metamagazin Leichtbauwelt.de hat sie 2018 den Schritt in die Selbständigkeit gewagt und mit Leichtbauwelt ein neues Medienformat geschaffen.
Christine Koblmiller ist seit 1995 Redakteurin für technische B2B-Fachzeitschriften. Für diese Fachmagazine der SVHFI (Süddeutscher Verlag Hüthig Fachinformation) hat sie als eBusiness-Projektmanager Industrie den Online-Bereich maßgeblic mitgestaltet und schon 2001 crossmediale Angebote eingeführt. Mehr über Christine Koblmiller unter Conkomm, auf Xing oder LinkedIn.
„Leichtbau fasziniert und begeistert Techniker. Ich bin überzeugt davon, dass der Markt für ein Angebot wie Leichtbauwelt.de reif ist.“
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