„Herausforderung und Wettbewerbschance zugleich ist der digitale Produktpass für den kreislauffähigen System-Leichtbau.“
Prof. Dr. Hans-Georg Herrmann ist Sprecher des Strategiebeirats der Initiative Leichtbau. Seine Kompetenzschwerpunkte sind System-Leichtbau, die Bewertung von Leichtbausystemen und intelligente Sensoren für Leichtbausysteme.
Er ist außerdem Inhaber des Lehrstuhls für Leichtbausysteme an der Universität des Saarlandes und Stellvertreter der Institutsleitung am Fraunhofer-Institut für Zerstörungsfreie Prüfverfahren IZFP.
Ende Juli wurde die Leichtbaustrategie der Bundesregierung beschlossen. Die Maßnahmen sollen den Ausbau von Leichtbau-Technologien unterstützen und damit die Transformation der Industrie hin zur Klimaneutralität unterstützen. Wir haben bei den Sprecherinnen und Sprechern des Strategiebeirats der Initiative Leichtbau nachgefragt, was sich für Sie und ihre Branche seit der Veröffentlichung der Leichtbaustrategie des BMWK Anfang 2021 so alles bewegt hat.
Leichtbauwelt: Die Ziele der Leichtbaustrategie der Bundesregierung adressieren die drei Dimensionen der Nachhaltigkeit Ökonomie, Ökologie und Gesellschaft. Wie werden diese in Ihrer Branche heute berücksichtigt und wie trägt Leichtbau zu nachhaltigem Wirtschaften bei?
Prof. Dr. Hans-Georg Herrmann: Forschungsseitig sind diese drei Felder bereits Bestandteil bei aktuellen Forschungsaktivitäten und Forschungsprogrammen von Leichtbau-Innovationen. Eine große, zukünftige Herausforderung liegt darin, diese Dimensionen in ein Gesamt-Optimum zu bringen und dies bei der Auswahl von zukünftigen Technologieoptionen klar zu definieren und zu bewerten.
Leichtbauwelt: Macht die neue Leichtbaustrategie der Bundesregierung das Thema Leichtbau jetzt attraktiver für Ihre Branche?
Prof. Dr. Hans-Georg Herrmann: Mit der übergreifenden Leichtbaustrategie über mehrere Ressorts werden einerseits die vielfältigen Anwendungen und Potentiale besser fokussiert und andererseits auch die gemeinsamen übergreifenden Handlungsfelder besser gebündelt. Insbesondere an den Schnittstellen können ressortübergreifende Herausforderungen besser adressiert werden – entweder im Sinne einer durchgehenden Wertschöpfungskette, zum Beispiel von der Forschung bis zur anwendungsorientierten Umsetzung oder auch für ressortübergreifende Leichtbau-Handlungsfelder wie zum Beispiel Digitalisierungsmethoden für Leichtbau.
Leichtbauwelt: Welche Vorhaben in der Leichtbaustrategie der Bundesregierung halten Sie konkret für besonders relevant und innovativ – vielleicht auch mit Blick auf die bisherige Leichtbaustrategie?
Prof. Dr. Hans-Georg Herrmann: Ein wesentlicher Baustein besteht darin, den Leichtbau ressortübergreifend entlang der gesamten Innovationskette zu fördern und Fördermaßnahmen enger abzustimmen, um die Schlagkraft für nachhaltigen Leichtbau zu stärken.
Ein weiterer wesentlicher Aspekt für eine erfolgreiche Umsetzung und letztlich Sicherung der technologischen Souveränität ist, die Expertise und Kompetenzen zum Thema Leichtbau aufzubauen sowie den Prozess des Wissens- und Technologietransfers sowohl branchen- als auch materialübergreifend zu verstetigen und zu beschleunigen. Dies geht auch einher mit der Stärkung der ökonomischen Resilienz und Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit in einem multiplen, krisenbehafteten Umfeld.
Nicht zuletzt ist die Bewertung und Quantifizierung der ökonomischen Bedeutung der Querschnittstechnologie Leichtbau, auch im Kontext der Kreislauffähigkeit und ökologischer Effekte, entlang des kompletten Produktlebenszyklus – aber auch darüber hinaus – von enormer Bedeutung für einen kreislauffähigen System-Leichtbau.
Leichtbauwelt: Welche Aspekte der Leichtbaustrategie der Bundesregierung stellen für Ihre Branche in der Praxis eine Herausforderung dar? Und aus welchen Aspekten ergeben sich neue Wettbewerbschancen?
Prof. Dr. Hans-Georg Herrmann: Eine der Herausforderungen besteht für die anwendungsorientierte Forschung in der Entwicklung von Konzepten eines digitalen Produktpasses für den kreislauffähigen System-Leichtbau. Damit bietet sich ein großes Potential für die Quantifizierung der ökonomischen Bedeutung der Querschnittstechnologie Leichtbau und ökologische Effekte entlang des Lebenszyklus als Wettbewerbschance für das Branding „kreislauffähiger Leichtbau – made in Germany“!
Leichtbauwelt: Reisen wir ins Jahr 2030, in das Jahr, in dem Deutschland nicht mehr als 440 Mio Tonnen Klimagas emittieren will. Die Leichtbaustrategie der Bundesregierung soll die Potenziale des Leichtbaus aktivieren. Welchen Beitrag wird der Leichtbau für den Klimaschutz in Ihrer Branche leisten und wie unterstützt Sie dabei die neue Leichtbaustrategie der Bundesregierung?
Prof. Dr. Hans-Georg Herrmann: Im Bereich der Forschung wird die neue Leichtbaustrategie der Bundesregierung die notwendigen Impulse setzen, um das Bewusstsein bei den Forschenden für den kreislauffähige System-Leichtbau bei der Lösungsfindung und Umsetzung von Innovationen in den Vordergrund zu rücken. Durch die gezielten, material- und branchenübergreifende Massnahmenpakete der Leichtbaustrategie der Bundesregierung kann synergistisch ein großes Klimaschutz-Potenzial im Sinne eines kreislauffähigen System-Leichtbaus erschlossen werden. Damit kann Deutschland weltweit einen neuen Benchmark bei der Exzellenz von Wissenschaft und Forschung und bei dem schnellen Transfer in erfolgreiche, wettbewerbsfähige Technologien in engem Schulterschluss mit Wirtschaft und Gesellschaft setzen!
Prof. Dr. Hans-Georg Herrmann, Inhaber des Lehrstuhls für Leichtbausysteme an der Universität des Saarlandes und Stellvertreter der Institutsleitung am Fraunhofer-Institut für Zerstörungsfreie Prüfverfahren IZFP (Quelle: Fraunhofer IZFP )
Autor: Christine Koblmiller
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