„Die neue Leichtbaustrategie bietet der Industrie vielfältige Ansatzpunkte für Förderungen – Leichtbau, Materialeffizienz, Kreislaufwirtschaft und Klimaschutz.“
Wolfgang Heidrich ist Sprecher des Strategiebeirats der Initiative Leichtbau. Seine Kompetenzschwerpunkte sind Aluminium, Fügeverfahren, Anwendungsberatung, Initiierung/Begleitung von Forschungsprojekten sowie Normung/Regelsetzung.
Er ist außerdem Leiter Technologie, Forschung und Standards bei Aluminium Deutschland e. V.
Ende Juli wurde die Leichtbaustrategie der Bundesregierung beschlossen. Die Maßnahmen sollen den Ausbau von Leichtbau-Technologien unterstützen und damit die Transformation der Industrie hin zur Klimaneutralität unterstützen. Wir haben bei den Sprecherinnen und Sprechern des Strategiebeirats der Initiative Leichtbau nachgefragt, was sich für Sie und ihre Branche seit der Veröffentlichung der Leichtbaustrategie des BMWK Anfang 2021 so alles bewegt hat.
Leichtbauwelt: Die Ziele der Leichtbaustrategie der Bundesregierung adressieren die drei Dimensionen der Nachhaltigkeit Ökonomie, Ökologie und Gesellschaft. Wie werden diese in Ihrer Branche heute berücksichtigt und wie trägt Leichtbau zu nachhaltigem Wirtschaften bei?
Wolfgang Heidrich: Die Aluminiumindustrie ist sich als energieintensive Branche ihrer Verantwortung zu nachhaltigem Handeln bewusst. Der sorgsame Einsatz von Energie und die stetige Verringerung des CO2-Fußabdruckes unseres Metalls, unserer Halbzeuge und Endprodukte sind wesentliche Aspekte unseres Handelns.
Leichtbau ist immer verbunden mit reduziertem oder intelligentem Materialeinsatz und steht somit für geringen Ressourcenverbrauch. Dennoch ist er kein Selbstzweck, sondern wird für jede Anwendung neu gedacht und hinsichtlich Werkstoffkombination, Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit bewertet, um ein Optimum für die jeweilige Anwendung zu erzielen. Dies führt heute in der Regel zu Multimaterialkonstruktionen, bei denen jeder Werkstoff dort eingesetzt wird, wo sein Eigenschaftsspektrum das größtmögliche Leichtbaupotenzial entfalten kann. Hierzu gibt es vielfältige Beispiele in Automobil-, Flugzeug und Schienenfahrzeugbau.
Daraus ergeben sich jedoch für das Recycling – bei den Metallen seit Jahrzehnten geübte Praxis – neue Herausforderungen, denn diese Multimaterialkonstruktionen, zumeist innige Verbindungen, müssen am Ende ihres Lebenszyklus möglichst sortenrein in die jeweiligen Werkstofffraktionen getrennt werden, um eine effektive Rückgewinnung derselben zu ermöglichen. Der Ansatz der Leichtbaustrategie, diese Aspekte bereits in der Designphase von Produkten zu berücksichtigen, ist deshalb zu begrüßen.
Leichtbauwelt: Macht die neue Leichtbaustrategie der Bundesregierung das Thema Leichtbau jetzt attraktiver für Ihre Branche?
Wolfgang Heidrich: Die neue Leichtbaustrategie ist aus unserer Sicht eine konsequente Weiterentwicklung der Strategie von 2021. Sie bietet der Industrie und auch unserer Branche vielfältige Fördermöglichkeiten, die wir auch weiterhin intensiv nutzen werden. Als besonders erfreulich hervorheben möchte ich die deutliche Aufstockung der Technologie Transferprogramms Leichtbau (TTP LB), welches zu Beginn 2023 auf beachtliche 109 Millionen Euro ausgebaut wurde. Da es aus mehreren Fördertöpfern gespeist wird, bietet es der Industrie vielfältige Ansatzpunkte, ihre Forschungsprojekte mit Bezug zum Leichtbau, aber auch zu Materialeffizienz, Kreislaufwirtschaft und Klimaschutz fördern zu lassen.
Leichtbauwelt: Welche Vorhaben in der Leichtbaustrategie der Bundesregierung halten Sie konkret für besonders relevant und innovativ – vielleicht auch mit Blick auf die bisherige Leichtbaustrategie?

Wolfgang Heidrich: Der Vernetzungsgedanke der Leichtbau-Community – national wie auch international- ist sicher besonders hervorzuheben. Es ist meines Erachtens die konsequente Fortführung und Weiterentwicklung dessen, was schon in der Zusammenarbeit des Strategiebeirates sehr gut gelungen ist: Eine branchen- und materialunabhängige partnerschaftliche Zusammenarbeit aller Leichtbauakteure zu initiieren und zu fördern, um den Leichtbau in Deutschland bestmöglich zu stärken. Dieses Kernziel sollte aber bei allen Internationalisierungsaktivitäten immer im Fokus bleiben.
Weiterhin ist das Ziel der resilienten Rohstoffversorgung am Wirtschaftsstandort Deutschland für uns – und selbstverständlich auch für andere energieintensive Industrien extrem wichtig.
Auch wenn einzelne Wirtschaftsexperten die Abwanderung der energieintensiven Grundstoffindustrien aus Deutschland für verkraftbar halten, so ist aus unserer Sicht der Verlust von zahlreichen Arbeitsplätzen und – fast noch gravierender – die entstehenden Abhängigkeiten durch eine import-lastige Rohstoffversorgung nicht hinnehmbar und für den Wirtschaftsstandort Deutschland katastrophal. Dies gilt insbesondere, wenn die importierten Rohstoffe einen höheren CO2-Fußabdruck aufweisen, als die selbst produzierten. Dann ist auch mit Blick auf den globalen Klimaschutz der falsche Weg eingeschlagen.
Zur Erhaltung einer leistungsfähigen Rohstoffversorgung innerhalb Deutschlands sind international wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen für die Industrie unerlässlich, insbesondere bezogen auf die Energiepreise und auf die Dauer von Genehmigungsverfahren.
Leichtbauwelt: Welche Aspekte der Leichtbaustrategie der Bundesregierung stellen für Ihre Branche in der Praxis eine Herausforderung dar? Und aus welchen Aspekten ergeben sich neue Wettbewerbschancen?
Wolfgang Heidrich: Das bereits erwähnte Schließen von Stoffkreisläufen und der verstärkte Einsatz von Recyclingmaterialien bei gleichbleibenden Anforderungen an die Produkte ist sicher für alle Materialien und Werkstoffe eine Herausforderung. Speziell für das Aluminium, welches zu mehr als 50 % im Transportsektor eingesetzt wird, besteht meines Erachtens eine wichtige Aufgabe von Industrie und Politik darin, Stoffströme in Form von älteren oder End-of-Life-Produkten in Deutschland zu halten, damit sie hier für die Schließung der Stoffkreisläufe, sprich: das Recycling zur Verfügung stehen. Ein Beispiel dafür ist der Export älterer Fahrzeuge, deren Materialien und Werkstoffe nach ihrer Nutzungsphase nicht mehr hier im Land für das Recycling zur Verfügung stehen.
An solchen Themen müssen wir alle gemeinsam arbeiten, denn für alle Materialien und Werkstoffe gilt: das Schließen von Stoffkreisläufen und die weitgehende Substitution von „Primärmaterialien“ durch „Sekundärmaterial“ gelingt nur, wenn diese auch in ausreichender Menge und erforderlicher Qualität verfügbar sind.
Leichtbauwelt: Reisen wir ins Jahr 2030, in das Jahr, in dem Deutschland nicht mehr als 440 Mio Tonnen Klimagas emittieren will. Die Leichtbaustrategie der Bundesregierung soll die Potenziale des Leichtbaus aktivieren. Welchen Beitrag wird der Leichtbau für den Klimaschutz in Ihrer Branche leisten und wie unterstützt Sie dabei die neue Leichtbaustrategie der Bundesregierung?
Wolfgang Heidrich: Unsere Branche und unser Werkstoff Aluminium ist wichtiger Bestandteil der Transformation des Industriestandorts Deutschland hin zur Klimaneutralität. Das zeigt sich in etablierten und neuen Leichtbaulösungen im Transportsektor, im Bauwesen oder der Energieversorgung aber ebenso in der Herausforderung für unsere Industrie, den CO2-Fußabdruck unseres Werkstoffes und der Erzeugnisse daraus zu optimieren. Daran arbeiten wir, teilweise gemeinsam mit den Kundenindustrien, und auch hier bietet das TTP LB wichtige Möglichkeiten, größere Forschungsprojekte in diesem Themenbereich einer Förderung zuzuführen.
Insgesamt sehe ich in der Leichtbaustrategie der Bundesregierung ein wichtiges Fundament, die beschriebenen Ziele gemeinsam zu erreichen.
Bild oben: Wolfgang Heidrich, Leiter Technologie, Forschung und Standards, Aluminium Deutschland e. V. (Quelle: Aluminium Deutschland)
Autor: Christine Koblmiller
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