Peter Egger: „Gewichtsreduktion und Funktionsintegration gehen künftig Hand in Hand.“

Die VDMA-Arbeitsgemeinschaft Hybride Leichtbautechnologien entwächst im Januar der dreijährigen Gründungsphase und wählt auf ihrer Jahrestagung am 22.01.19 einen neuen Vorstand. Deshalb suchte ich für Leichtbauwelt das Gespräch mit dem noch amtierenden Vorsitzenden des Gründungsvorstands, Peter Egger, Engel Austria.

Bild oben: Dem Multimaterial-Verbund wird die Zukunft gehören, so Egger. Eine Herausforderung werden die Fügetechnologien. (Quelle: Engel / iStock)

Leichtbauwelt: Herr Egger, was hat sich im Laufe Ihrer Amtszeit im Leichtbau verändert?

Peter Egger, Engel Austria (Quelle: Engel)

Peter Egger: Die vergangenen drei Jahre waren gerade deshalb so spannend, weil sich in dieser Zeit das Verständnis des Themas Leichtbaus verändert hat.

Früher galt Leichtbau = Carbonfasern. Dabei ist Leichtbau deutlich mehr als Kohlefasern und auch mehr als Composites. Die Branche nutzt heute immer stärker das gesamte Werkstoffspektrum aus.

Wurde früher in Lösungen einzelner Werkstoffe gedacht, geht es heute um das Zusammenwirken verschiedener Materialien in Multimaterial-Verbunden. Der Werkstoffwettbewerb wurde beflügelt durch das Ziel noch weniger Gewicht bei gleichzeitiger Funktionsintegration zu erreichen.

Vor allem die Elektromobilität und Emissionsvorgaben treiben innovative Leichtbauanwendungen weltweit voran. Dabei wird immer öfter die gesamte Prozesskette bis hin zum späteren Recycling von Leichtbauteilen diskutiert, was zu einer zunehmenden Nachfrage nach thermoplastischen Technologien führt.

Leichtbauwelt: „Das richtige Material in der richtigen Menge an der richtigen Stelle“ – eine Aussage, die fast überall in der Branche zu hören ist. Ist der Trend folglich Hybrider Leichtbau? Oder müsste man vielmehr schon vom bionisch-hybriden Leichtbau sprechen?

Peter Egger: Nein, vom bionisch-hybriden Leichtbau sind wir noch ein Stück entfernt. Denn zunächst gilt es, das Potenzial der vorhandenen Materialien voll, das heißt zielgerichtet einzusetzen. Wir müssen lernen, mit diesen Materialien besser zu konstruieren und noch mehr Erfahrungen sammeln.

Neben der reinen Gewichtsreduktion ist dabei die Funktionsintegration stark in den Vordergrund gerückt. BMW zum Beispiel hat mit der Fahrgastzelle aus Carbonfasern gezeigt, was technisch und in Serie möglich ist. Dieses Know-how kann nun genutzt werden, um die Vorteile verschiedener Materialien im Automobilbau unter hohem Kostendruck umzusetzen. Hybrider Leichtbau ist hier eindeutig der Trend.

Darüber hinaus ermöglicht die additive Fertigung neue Wege in Richtung bionischer Leichtbau. Hier können sich metallischer und faserbasierter Leichtbau künftig gut ergänzen.

Leichtbauwelt: In Deutschland sind umsatzstarke und treibende Branchen im Leichtbau die Luft- und Raumfahrt sowie der Automobilbau. Wird es hier künftig Verschiebungen geben?

Peter Egger: Diese zwei Industriesektoren werden auf absehbare Zeit weiterhin die Treiber bleiben. Die Elektromobilität erfordert noch mehr Leichtbauanwendungen mit Auswirkung auf alle Werkstoffbereiche.

Interessant ist aber, dass ursprünglich für den Fahrzeugbau entwickelte Technologien immer häufiger auch im Flugzeugbau Einsatz finden. Für den Flugzeugbau zeichnet sich weltweit in den kommenden Jahren eine starke Produktionserhöhung mit einem hohen Bedarf an Automatisierung ab.

Weiteren Bedarf an Leichtbautechnologien gibt es in der Energieindustrie für den Bau von Windkraftanlagen. Zudem zeichnet sich ein hohes Potenzial für Leichtbautechnologien im Baugewerbe ab.

Leichtbauwelt: Sehen Sie eine Konkurrenz der Werkstoffe um das „Beste Leichtbaumaterial“? Oder eher ein gewinnbringendes Miteinander?

Peter Egger: Das „Beste Leichtbaumaterial“ wird es nicht geben. Die vielfältigen Anwendungen mit ihren ganz unterschiedlichen Stückzahlen, Produktanforderungen und Produktionsphilosophien befeuern weiterhin den Wettbewerb und treiben Innovationen voran.

„Füge- und Verbindungstechniken für die unterschiedlichen Werkstoffe sind Voraussetzung für einen zielgerichteten Materialmix.“
(Peter Egger, VDMA AG Hybride Leichtbautechnologien)

Dabei geht es nicht mehr nur um die verschiedenen Werkstoffklassen, sondern immer mehr um Füge- und Verbindungstechniken, um einen abgestimmten Materialmix zu ermöglichen. Hier eröffnen sich neue Chancen, die jeweiligen Leichtbaupotenziale noch umfangreicher auszuschöpfen.

Leichtbauwelt: Die Arbeitsgemeinschaft Hybride Leichtbau Technologien des VDMA bezieht alle Werkstoffe mit ein. Arbeiten Sie mit anderen Verbänden werkstoffübergreifend zusammen? Gibt es hier konkrete Projekte?

Peter Egger: Unsere Arbeitsgemeinschaft ist Partner in der Wirtschaftsvereinigung Composites Germany, zusammen mit CFK Valley, CCeV und AVK. Wir befassen uns mit Fragen zu Nachhaltigkeit und Recycling, Bildung sowie Standardisierung, die für alle Beteiligten von Interesse sind.

Der gemeinsam organisierte International Composites Congress zur Composites Europe soll künftig während der Messelaufzeit durchgeführt und thematisch stärker darin verankert werden. Neben eigenen Messeständen bieten wir den Mitgliedsunternehmen auch Gemeinschaftsstände an.

Das gemeinsame Lobbying ist ein weiterer wichtiger Baustein der Zusammenarbeit. Wir stehen insbesondere im Austausch mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie. Dort wurde das Forum Leichtbau mit einer eigenen Geschäftsstelle eingerichtet.

Es zeigt den politischen Anspruch, das Thema Leichtbau als Schlüsseltechnologie zu fördern und zukunftsträchtige Arbeitsplätze zu schaffen. Der VDMA ist mit den verschiedenen Werkstoffverbänden und der Gewerkschaft im Beirat des Forums vertreten.

AG Hybride Leichtbau Technologien erweitert Leitfaden zu Fertigungs- und Fügeverfahren (Quelle: VDMA)

Leichtbauwelt: Welche Hilfen können Sie als Verband anbieten?

Peter Egger: Die AG Hybride Leichtbau Technologien sorgt für den Austausch von Maschinen- und Anlagenbauern mit Zulieferern und Anwendern sowie Forschung. Über Messen und Veranstaltungen oder Hersteller-Newsrooms der Mitglieder wird dieser Prozess unterstützt.

Projekte im Rahmen der industriellen Gemeinschaftsforschung sollen künftig ebenfalls über die Arbeitsgemeinschaft initiiert werden. Projekte in Konsortien und gemeinsame Demonstrator-Bauteilentwicklungen sind weitere Bausteine. Auf der Webseite des Verbands geben wir Fachinformationen zu Technologien heraus, die oft als erster Leitfaden für die Praxis dienen können.


⇒ Teil 2 des Interviews zum Thema Leichtbau und Nachhaltigkeit folgt nächste Woche. Bleiben Sie auf dem Laufenden – zum Beispiel via Xing oder Twitter.


Autor: Christine Koblmiller, Redakteurin, Gründerin, Fachjournalistin aus Leidenschaft

Mit dem Metamagazin Leichtbauwelt.de hat sie 2018 den Schritt in die Selbständigkeit gewagt und mit Leichtbauwelt ein neues Medienformat geschaffen, das sie zum Erfolg führen wird.
Christine Koblmiller ist seit 1995 Redakteurin für technische B2B-Fachzeitschriften. Für diese Fachmagazine der SVHFI (Süddeutscher Verlag Hüthig Fachinformation), der Fachinformations-Tochter des Süddeutschen Verlages, hat sie als eBusiness-Projektmanager Industrie den Online-Bereich maßgeblich mitgestaltet und schon im Jahr 2001 crossmediale Angebote eingeführt. Mehr über Christine Koblmiller unter Conkomm, auf Xing oder LinkedIn.

„Leichtbau fasziniert und begeistert Techniker. Ich bin überzeugt davon, dass der Markt für ein Angebot wie Leichtbauwelt.de reif ist.“

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