In einem inspirierenden Interview teilt Pionier der Leichtbauwelt Dr. Mathias Czasny die Entstehungsgeschichte seiner Idee einer automatisierten und additiven Fertigungstechnologie für die Materialkombination Faserverbundkunststoff und Kunststoff. Die Idee zur Technologie hatte ihren Ursprung im Formula Student Team. Als Kombination aus 3D-Druck und Faserverbundwerkstoffen entwickelt, verspricht das Produktionsverfahren des Start-ups Endless Industries einen Paradigmenwechsel im Leichtbau. Mit einem klaren Fokus auf Ressourcenschonung zielt das Unternehmen darauf ab, entscheidende Kosten- und Zeitvorteile im Leichtbau zu realisieren.
Bild oben: Das Gründerteam (v.l.) Stephan Körber (CEO) Dr. Mathias Czasny (CTO), Dr. Moritz Ebeling-Rump (CSO) (Quelle: Endless Industries)
Im Leichtbau sind branchen- und werkstoffübergreifende Impulse und neue Inspirationen für kreative, technologische Lösungen äußerst wertvoll. In der Serie „Pioniere der Leichtbauwelt“ kommen deshalb Gründer und Start-ups zu Wort. Hier haben sie die Möglichkeit, ihre Technologie, ihre Ideen und Visionen vorzustellen. Wenn sich so neue Partnerschaften über Unternehmens- und Branchengrenzen hinweg ergeben, dann haben wir bei Leichtbau(welt) unser Ziel erreicht: Inspiration für Ihren Fortschritt.
Leichtbauwelt: Viele Start-ups haben eine besondere Geschichte. Wie begann Ihre Reise zum Gründer und Unternehmer?
Dr. Mathias Czasny: Stephan Körber und ich waren beide beim Formula Student Team FaSTUBe der TU Berlin. Bei der Fertigung von Faserverbundwerkstoffen haben wir uns eine automatisierte Fertigungstechnologie gewünscht. Es hat Monate gedauert, die Formen für die CFK-Bauteile herzustellen. Drei bis vier Tage allein für die Fertigung im Nasslaminatverfahren und anschließend Wochen für das Anpassen der Komponenten. Das Laminieren war das, was uns begeistert hat. Die anderen Arbeiten wurden gemacht, weil Sie notwendig waren und uns keine andere Technologie zur Verfügung stand.
„Wir fertigen Sandwichstrukturen direkt im additiven Verfahren.“
Leichtbauwelt: Und eine solche automatisierte Fertigungstechnologie, die Ihnen in diesem Projekt geholfen hätte, haben Sie realisiert?
Dr. Mathias Czasny: Ja, wir kombinieren den 3D-Druck mit Faserverbundwerkstoffen. Daher können wir leichte und hochfeste Bauteile einfach auf dem 3D-Drucker herstellen. Da die Faserlänge endlos/ kontinuierlich ist, besitzt das Material eine sehr hohe Festigkeit. Bisher waren in der Material Extrusionstechnik, besser bekannt als FDM-Verfahren, nur unverstärkte oder kurzfaserverstärkte Filamente verdruckbar. Unser Druckverfahren hat mindestens 2 Düsen, um den Faserverbund und ein unverstärktes oder kurzfaserverstärktes Bauteil fertigen zu können.
Unser Firmenname Endless Industries bezieht sich auf die endlose Faserlänge, die wir in die Bauteile integrieren und unser Ziel die Technologie für verschiedene Industrien zugänglich zu machen.
Formula Student Germany
Die Formula Student Germany (FSG) ist ein internationaler Konstruktionswettbewerb für Studierende, der seit 2006 jährlich vom Formula Student Germany e. V. unter der Schirmherrschaft des Verein Deutscher Ingenieure e. V. […] ausgerichtet wird. Aufgabe ist, in Teamarbeit einen einsitzigen Formelrennwagen zu konstruieren und zu fertigen. Jedes Jahr im Spätsommer treffen sich die Studentengruppen am Hockenheimring, um die selbstkonstruierten Rennwagen miteinander zu vergleichen. Der Anspruch der Formula Student ist die Ergänzung des Studiums um Erfahrungen mit Konstruktion und Fertigung sowie mit den wirtschaftlichen Aspekten des Automobilbaus. Hierzu sollen die Studenten annehmen, eine Produktionsfirma habe sie engagiert, um einen Prototyp zur Evaluation herzustellen. Die Zielgruppe des Fahrzeuges ist der nicht-professionelle Wochenendrennfahrer. Zur Ermittlung des Gewinnerteams bewertet eine Jury aus Experten der Motorsport-, Automobil- und Zulieferindustrie in den statischen Disziplinen die Konstruktion, Kosten- und Businessplan jedes Teams. Zusätzlich werden auf der Rennstrecke in verschiedenen dynamischen Disziplinen die Fahreigenschaften der Autos getestet. (Quelle: Wikipedia)
Leichtbauwelt: Was hat Ihre Innovation mit Leichtbau zu tun?

Dr. Mathias Czasny: Für den Leichtbau ist entscheidend, dass wir Material im Bauteil nur dort einbringen, wo es wirklich gebraucht wird. Die endlose Faserverstärkung wird dort eingebracht, wo hohe Festigkeiten und Steifigkeiten notwendig sind, während das zweite Material als Außenstruktur und Infill eingesetzt wird. Wir fertigen auf diese Weise direkt selbst Sandwichstrukturen, in dem das Infill nur aus 20 bis 50 Prozent Material und Luft besteht.
Der zweite wichtige Vorteil unseres Verfahrens für den Leichtbau liegt in der Kosteneinsparung bei kleinen und mittleren Serien. Es werden – wie bei jeder Art von additiver Fertigung – keine spezifischen Werkzeuge und auch keine speziellen Halbzeuge wie Gewebe und Sandwichmaterialien benötigt. Die Fertigungsvorbereitung ist einfach und digital, was dazu führt, dass wir Kosten und Zeit sparen, die bei anderen Fertigungsverfahren für Prototypen aufgewendet werden müssen.
Leichtbauwelt: Eine solches Verfahren entwickelt man nicht von heute auf morgen. Welchen Weg hat die Idee bis zur Marktreife genommen?
Dr. Mathias Czasny: Die Technologie wurde in einem Forschungsprojekte mit Berlinern Partnern untersucht. Das Projekt ADDcarbori wurde von Herrn Dr. Michael Meyer bei OttoBock für die direkte Fertigung von Prothesen und Orthesenbauteile konzipiert. Ich habe dabei am Fachgebiet Keramische Werkstoffe die Material- und Druckkopfentwicklung gestartet und dort auch promoviert.
Leichtbauwelt: Was an Ihrem Herstellungsverfahren ist besonders interessant?
Dr. Mathias Czasny: Wer mit Faserverbundwerkstoffen arbeitet, ist häufig erstaunt, wie viel Gewebe und Rollenmaterial man auf Grund von Verschnitt entsorgen muss. Verschiedene Quellen geben an, dass der Verschnitt zwischen 20 und 50 Prozent betragen kann.
Nach dem ersten Jahr Materialproduktion in kleinerem Maßstab liegt unserer Materialverschnitt nur bei etwa ein bis zwei Prozent, da wir Rovings direkt verarbeiten. Zukünftig ist unser Ziel unter ein Prozent Verschnitt zu kommen und jeglichen Abfall und Fehldrucke direkt wieder in den Rohstoffkreislauf zu geben. Bei der Fertigung mit Vakuumsäcken fällt außerdem viel Müll in Form von Folien, Sauggewebe und Fließhilfen an. Dieses Entfallen bei unserem Verfahren vollständig und so ist die Technologie auch ein wichtiger Beitrag zur Müllvermeidung.
Leichtbauwelt: Können Sie für uns ihre Innovation in wenigen Sätzen erklären?
Dr. Mathias Czasny: Durch die Kombination aus 3D-Druck mit Faserverbundwerkstoffen kombiniert und löst man spezifische Probleme. Mit der Additiven Fertigung sind entweder günstige Kunststoffe mit niedrigen Festigkeiten oder teure Metall oder Keramik Materialien mit hohen Festigkeiten und sehr hohem Gewicht verarbeitbar. Durch die endlose Faserverstärkung können die Kunststoffbauteile deutlich aufgewertet werden. Gleichzeitig benötigt man keine spezifischen Werkzeuge und es gibt auch keinen Faserverschnitt wie beispielsweise bei gewebten Halbzeugen. Auch sind unsere Bauteile direkt nach dem Druckprozess fertig und es ist nicht notwendig, diese zu Sintern oder thermisch nachzubehandeln.
Leichtbauwelt: Neben diesem ressourcenschonenden und damit auch kosteneffizienten Ansatz, worin sehen Sie den größten Nutzen für Ihre Kunden?
Dr. Mathias Czasny: Durch das Entfallen des Formenbaus wird das Herstellen faserverstärkter Bauteile deutlich schneller effizienter. Hier sind Zeiteinsparungen bis 80 Prozent möglich. Zudem wird die Abhängigkeit von externen Auftragsfertigern reduziert und auch die Bauteilkosten bei Einzelteilen oder Kleinserien können deutlich gesenkt werden, da Kosten für die Herstellung der Werkzeuge wegfallen. Die Ersparnis ist abhängig vom Bauteil, das heißt von dessen Komplexität oder dem Fasergehalt. Aber wir konnten bisher nach ersten Kalkulationen die Stückpreise pro Bauteil um bis zu 70 Prozent reduzieren.
„Unser Fokus liegt auf der Ressourcenschonung und Recycling: Wir peilen unter einem Prozent Materialverschnitt an. Fehldrucke werden sofort wieder in den Rohstoffkreislauf gegeben.“
Leichtbauwelt: Wann wussten Sie, dass Ihre Technologie-Idee die Basis für ein Unternehmen werden könnte? Gab es so etwas wie einen „Point of no return“?
Dr. Mathias Czasny: Während meiner Promotion hatte ich die ersten Treffen mit dem Gründungszentrum der TU Berlin. Durch die Beratung wurde die Option Unternehmensgründung für mich immer klarer. Wichtig waren auch die verschiedenen finanziellen Fördermöglichkeiten wie EXIST Forschungstransfer vom BMWK, das uns sehr unterstützt hat. Persönlicher Grund für die Entscheidung war vor allem, dass ich das Wissen und die Patente nach meiner Promotion nicht einfach in einer Schublade verschwinden lassen wollte. Mir war es wichtig, diese der Industrie und anderen Personen zugänglich zu machen. Eine Gründung hat zum Erreichen dieses persönlichen Ziels einfach den meisten Sinn ergeben.
Leichtbauwelt: Wie sind Sie als junges Unternehmen aufgestellt?
Dr. Mathias Czasny: Wir sind drei Gründer, Stephan Körber (Chief Executive Officer), Dr. Mathias Czasny (Chief Technology Officer) und Dr. Moritz Ebeling-Rump (Chief Software Officer) und haben bereits die ersten zwei Mitarbeiter eingestellt. Unser Büro befindet sich am Centre for Entrepreneurship der TU Berlin und unsere Fertigung ist im Fachgebiet Keramische Werkstoffe bei Prof. Gurlo untergebracht. Nach der Ausgründungsphase aus der Universität heraus, die wir mit Hilfe des EXIST Forschungstransfers geschafft haben, basiert unsere Finanzierung auf weiteren Fördermitteln und es planen derzeit eine erste Finanzierungsrunde.
Leichtbauwelt: Wie ergänzen Sie sich im Team? Welche Stärken bringen Sie jeweils mit?

Dr. Mathias Czasny: Stephan Körber hat erste Startup-Erfahrung. Er hat BWL und Wirtschaftsingenieurwesen studiert und im Anschluss mit mir zusammen an der Technologie gearbeitet. Daher versteht er es die technischen Entwicklungen mit einem Verkaufskonzept zu verbinden.
Dr. Moritz Ebeling-Rump hat während seiner Promotion effiziente Alogrithmen für die Topologieoptimierung entwickelt. Aktuell erstellt er eine Software, die die Auslegung eines Bauteils mit Faserverstärkungen einfach und intuitiv macht. Ziel ist es die Fasern dort einzusetzen, wo das Bauteil am stärksten mechanisch beansprucht wird. Im Rest des Bauteils werden Lattice Strukturen verwendet um das Gewicht so gering wie möglich zu halten. Die Software berücksichtigt die Merkmale unsere Drucktechnologie, indem beispielsweise minimale Krümmungsradien beachtet werden. Zukünftig werden auch physikbasierte Algorithmen aus der Topologieoptimierung und Festigkeitsberechnungen in unsere Software einfließen.
Und ich selbst habe in meiner Promotion am Thema Additive Fertigung von Faserverbundwerkstoffen geforscht, ein breites Material- und Technologiewissen aufgebaut und zwei Patente beantragt. Als studierter Werkstoffwissenschaftler verstehe ich die Verbindung aus Fertigungstechnik und Werkstoffeigenschaften und kann so Probleme auf verschiedenen Skalenebenen untersuchen und lösen.
Leichtbauwelt: Welche weiteren Entwicklungen planen Sie?
Dr. Mathias Czasny: Wir planen die Druckkopftechnologie für verschiedene Temperaturbereiche weiterzuentwickeln und passende faserverstärkte Filamente mit verschiedenen Matrixwerkstoffen anzubieten. Aktuell kann der Druckkopf bis 250 °C geheizt werden und so können wir Matrixpolymere wie PETG (einfach zu verarbeiten), PA12 (schlagzäh) und PA11 (basierend auf nachwachsenden Rohstoffen) verwenden.
Als nächsten Schritt möchten wir aber vor allem PA6 (schlagzäh und stabil gegenüber Chemikalien) und PC (Designoberflächen) als Filamente mit Kohlenstofffasern umsetzen. Schlussendlich sollen auch PEEK, PEAK, PEI und PPS als Hochtemperaturmaterialien zur Verfügung stehen.
Bei der Faserverstärkung ist unser Fokus auf Kohlenstofffasern sowie Fasern gerichtet, die Bestandteile von Kundenanforderungen sind. Aktuell werden 3k Fasern für eine höhere Aufbaurate wie die kommerziell verfügbaren 1k Filamente verwendet. Zielführend wird eine Erhöhung der Faserfeinheit auf 6k und 12k sein, um auch größere Bauteile bis etwa einen Meter Kantenlänge herstellen zu können.
Leichtbauwelt: Wo sehen Sie Ihre Technologie mittelfristig?
Dr. Mathias Czasny: Wir sehen die Technologie in jeder Prototypenwerkstatt, in jeder Werkzeugfertigung und bei Professionals, die spezielle Produkte schnell und automatisiert fertigen müssen, um konkurrenzfähige 3D-gedruckte Produkte anbieten zu können.
Leichtbauwelt: Welchen Beitrag können Sie mit Ihrer Technologie zum Klimaschutz leisten?
Dr. Mathias Czasny: Unser Hauptfokus ist das Einsparen von Ressourcen, weshalb wir uns bei diesem Thema auf das Vermeiden des Faserverschnitts während der Materialprodukt und das Vermeiden von Werkzeugen und Prozesshilfen wie Vakuumsäcke konzentrieren. Durch den digitalen Workflow können wir aber auch Daten für das Recycling nach Nutzungsende zur Verfügung stellen. Direkte Gewichts- und CO2-Einsparungen sind aktuell schwierig zu berechnen, wir machen es uns aber zur Aufgabe diese Merkmale mit ersten Partnern zu evaluieren.
Die größte Herausforderung im Leichtbau ist …
~… der Sprung zwischen den Disziplinen Konstruktion, Material und Fertigung bei gleichzeitiger günstiger Fertigungsbauweise.
Die größte Herausforderung für den Leichtbau ist …
~… ist über den Tellerrand zu schauen und zu verstehen, dass es für ein Bauteil mehrere passende Fertigungstechnologien und Werkstoffe gibt. Es muss notwendiges Knowhow in allen Schritten der Produktentwicklung aufgebaut werden, um den Leichtbau kosteneffizient umsetzen zu können.
Der wichtigste Trend im Leichtbau ist aktuell …
~… Faserverbundwerkstoffe mit thermoplastischer Matrix.
Der größte Erfolg für Leichtbau wäre …
~… wenn er als Prinzip bei allen Ingenieurinnen und Ingenieuren fest verwurzelt wäre und nicht mehr als Querschnittsthema herausgearbeitet werden muss.
Leichtbauwelt: Werden diese Leistungen von den Anwendern gesehen und geschätzt?
Dr. Mathias Czasny: Wir bekommen sehr viel Zuspruch aus den Branchen Faserverbundwerkstoffe und von den Endnutzern der Additiven Fertigung. Die Kombination und Vorteile werden schnell verstanden. Es müssen aber für die jeweilige Branche noch speziellere Materialien – beispielsweise mit Flammschutzeigenschaften – zur Verfügung gestellt werden.
Leichtbauwelt: Für welche Branchen könnte Ihre Technologie noch nützlich sein?
Dr. Mathias Czasny: Wir sehen unsere Fertigungstechnologie überall dort, wo kleine und mittlere Stückzahlen gefertigt werden müssen. Häufig sind auch klassische Faserverbundwerkstoffe durch den Werkzeugbau zu teuer und durch das benötige Wissen zu herausfordernd. Dann werden diese Bauteile eben doch noch aus Aluminium gefräst und so wichtiges Potential für den Material-Leichtbau verschenkt.
Leichtbauwelt: Gibt es auch Einschränkungen? Das heißt, für was oder für welche Anwendungen lässt sich Ihre Idee noch nicht einsetzen oder wo müsste ihr Nutzen erst evaluiert werden?
Dr. Mathias Czasny: Aktuell orientieren wir die Fasern in XY-Schichten. Eine Verstärkung in Z-Richtung ist noch nicht möglich auf Grund der kartesischen 3D-Drucker und der verwendeten Sliceralgorithmen. Mit ersten Partnern aus dem Bereich Robotik versuchen wir aber in der nächsten Zeit dieses Problem zu lösen. Neben der Hardware stellt vor allem die Software in Bezug auf Kollisionsfreiheit und Bewegungsrichtung eine Herausforderung dar.
Leichtbauwelt: Herausforderungen ist ein gutes Stichwort. Gab es für Sie denn schon besondere Herausforderungen bei bisherigen Projekten? Erzählen Sie uns bitte davon!
Dr. Mathias Czasny: In unseren bisherigen Projekten hatten wir bisher ganz verschiedene Anforderungen zu lösen. Von sehr großen bis zu sehr kleinen Bauteilen, von Einzelteilen bis Serienfertigung war alles dabei. Den Spagat zwischen diesen Kundenanforderungen zu schaffen, ist für die Maschinen, die Software und das Team immer eine besondere Herausforderung. Am spannendsten sind natürlich immer die Extremfälle, das heißt besonders große Bauteile oder Anwendungsfälle, bei denen die Fasereigenschaften sehr kreativ eingesetzt werden sollen.
Leichtbauwelt: Welchen Herausforderungen begegnen Sie in der Kundenakquise oder in der Projektabwicklung?
Dr. Mathias Czasny: Wir sehen noch eine große Notwendigkeit das Bauteildesign, den Werkstoff und das Fertigungsverfahren in Einklang zu bringen. Wir bekommen immer wieder Anfragen mit Designvorschlägen, die nicht geändert werden dürfen, die aber eindeutig nicht für den von uns vorgeschlagenen Faserverbund und das Fertigungsverfahren möglich sind. Der Fokus muss hier mehr auf einem holistischen Gesamtbild liegen.
Leichtbau bedeutet für mich persönlich, …
~… das richtige Design, den richtigen Werkstoff und das richtige Verfahren zu kombinieren, um leichte und ausreichend feste Bauteile herstellen zu können.
Leichtbau und Klimaschutz gehören zusammen, weil …
~… die Welt schon zu voll von schweren und großen Autos, Maschinen und Bauteilen ist.
Dieses Interview für Leichtbauwelt ist mir wichtig …
~… um den Lesern die Möglichkeiten in der heutigen Zeit zu präsentieren. Nach der Promotion zu gründen und Technologie und Materialien Interessenten weltweit zur Verfügung zu stellen, ist ein sehr cooles Gefühl.
Leichtbauwelt: An welchen Hindernissen sind Sie in den letzten Jahren gewachsen? Gab es dabei ein besonderes Ereignis, eine wichtige Phase?
Dr. Mathias Czasny: Der Beruf des Gründers kommt mit sehr speziellen Anforderungen. Man muss täglich Entscheidungen bei maximaler Unsicherheit treffen, weil man schlicht keine Zeit hat, ausführlich zu recherchieren. Man lernt dabei viel über sich selbst und wächst als Team zusammen. Geregelte Arbeitszeiten gibt es nicht. Es braucht also auch ein verständnisvolles Umfeld (Familie und Freunde), das hilft und unterstützt. Die großen Herausforderungen kommen immer dann, wenn es zu viel zu tun und zu wenig Zeit gibt. Da muss man schonmal einen Forschungsantrag schreiben, während man voll in der Messevorbereitung steckt.
Leichtbauwelt: Welche drei wichtigsten Tipps würden Sie all denjenigen mitgeben, die gründen wollen?
Dr. Mathias Czasny:
- Kern eines jeden guten Startups ist vor allem das Team. Hier muss es zwischen den Gründern passen, und diese müssen sich sehr gut ergänzen. Insbesondere sollten sich die Gründer in einer ähnlichen Lebenssituation befinden. Die Promotion sollte unbedingt abgeschlossen sein, da nach der Gründung wenig Zeit für die Forschung besteht.
- Es ist sehr hilfreich, während der Promotion erste Förderprojekte zu beantragen, da es viele gute Förderungen wie beispielsweise den EXIST Forschungstransfer gibt. Wissen in der Projektbeantragung und internen Abrechnung erleichtern das Leben als Startup ungemein.
- Gründen und Promovieren haben sehr viel gemeinsam. In der Regel muss man eine hohe Frustrationstoleranz haben, denn zu Beginn ist immer schwierig. Und es wird viel Zeit, Mühen und manchmal auch Geld benötigt, um Probleme zu lösen und einen MVP zu erarbeiten. Sobald dieser besteht, muss er schnell zu einem marktfähigen Produkt weiterentwickelt werden, da Industriekunden nur mit einer ausgereiften Entwicklung und gutem Service zufrieden sind.
Leichtbauwelt: Welche Leichtbau-Innovation, welches Projekt oder Forschungsergebnis hat Sie in der letzten Zeit besonders fasziniert?
Mario Leitner: Bei der Fachmesse JEC World in Paris war am Gemeinschaftsstand Berlin Brandenburg das Institut FES (Forschung und Entwicklung für Sportgeräte) mit uns und weiteren Akteuren aus der Hauptstadtregion vertreten. Besonders eindrucksvoll waren ein CFK-Fahrrad und ein Modell wie der Fahrradrahmen innen mit Schläuchen für die Konsolidierung aufgepumpt wird. Man erkannte an den Bauteilen sofort das hohe Fertigungsknowhow und die Liebe zum Handwerk und Detail.
Leichtbauwelt: Setzen Sie in der Herstellung Ihrer Produkte selbst auf Leichtbau-Lösungen?

Dr. Mathias Czasny: Wir fertigen für unsere Aufbauten viele Komponenten, Gehäuse und Halter mit dem 3D-Drucker selbst. Durch Sandwichstrukturen – außen Material, innen ein Füllstruktur mit etwa 25 Prozent Material und 75 Prozent Luft lassen sich auch die Bauteile für uns selbst deutlich schneller und materialschonender fertigen.
Leichtbauwelt: In welchen Produkten entfaltet nach Ihrer Ansicht der Leichtbau den größten Nutzen? Und welche Branchen treiben die Leichtbau-Entwicklungen voran?
Dr. Mathias Czasny: Wir sehen aktuell ein sehr breites Spektrum an Branchen und Anwendungen. So haben wir beispielsweise eine Anfrage aus Japan für Kranbauteile erhalten, um elektrisch angetriebene Fahrzeuge und zukünftig auch Arbeitsbühnen gewichtsoptimiert zu fertigen. Durch die Elektromobilität müssen viele Maschinen leichter werden und dies hat auch einen Pull-Effekt in andere Branchen, sich mit dem Thema Leichtbau verstärkt zu beschäftigen.
Leichtbauwelt: Ein typisches Leichtbaumaterial sind Faserverbundkunststoffe. Auch Sie verwenden dieses Material. Warum?
Dr. Mathias Czasny: Wir sehen einen klaren Vorteil in der Kombination Kunststoffe und Faserverbundwerkstoffe, da die teuren Fasern nicht überall im Bauteil eingebracht werden müssen und spitze Ecken oder Füllstrukturen häufig weniger stark belastet werden und somit aus günstigerem leicht zu verarbeitendem Kunststoff hergestellt werden sollten.
Leichtbauwelt: Lassen Sie uns ein bisschen träumen: Wenn Sie einen Wunsch für den Leichtbau und / oder ihr Unternehmen frei hätten, was würden Sie sich wünschen?
Dr. Mathias Czasny: Ich würde mir wünschen, dass jeder interessierte Ingenieur, Techniker und Hobbyist Zugriff auf einfache und schnell anwendbare Technologien bekommt, sodass Faserverbundwerkstoffbauteile einfach herstellen zu sind.
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