Ein zentrales Thema tauchte schnell auf dem Clean Aviation Annual Forum 2023 fast unmittelbar auf: Angestoßen durch den jüngsten Bericht des internationalen Ausschusses der Vereinten Nationen für Klimaänderungen (IPCC) war allen Teilnehmenden klar, dass das Tempo der Transformation zu klimaneutralem Fliegen dringend erhöht werden muss.
Axel Krein, Exekutivdirektor Clean Aviation, eröffnete die Veranstaltung mit einer klaren Botschaft zur Zusammenarbeit. Man müsse gemeinsam buchstäblich „in Formation fliegen“, um die Ziele des European Green Deal zu erreichen. Zur „Formation“ gehören konkrete Maßnahmen von Regulierungsbehörden, Flugzeugentwicklern, Flughäfen, Kraftstoff- und Energieproduzenten, Finanziers und Fluggesellschaften.
Henrik Hololei, ehemaliger Generaldirektor für Verkehr und Mobilität bei der Europäischen Kommission, rief ebenfalls zu dringlichem Handeln auf. Da die politischen und gesellschaftlichen Erwartungen hoch sind, muss der Sektor die Umstellung auf eine Netto-Nullbilanz erreichen. streifte ebenso Themen wie nachhaltige Flugkraftstoffe (SAF), die Bedeutung der Alliance of Zero Emission Aviation (AZEA), deren Gründungsmitglied Clean Aviation ist, und den Gesetzesvorschlag ReFuelEU Aviation.
Olivier Andriès, CEO von Safran, betonte, dass das Unternehmen für disruptive Technologien bereit und offen sei. Ebenso sei es dringend geboten, die Dynamik in Europa aufrechtzuerhalten, indem weiterhin massiv investiert und gleichzeitig die Herausforderungen der Lieferkette bewältigt werden. Er betonte auch die Notwendigkeit, die Produktion von SAF zu erhöhen, um bis 2050 Kohlenstoffneutralität zu erreichen.
Die erste Diskussionsrunde des Tages beschäftigte sich mit der Frage, welche Technologien die Zukunft des Fliegens bestimmen werden. Eine Umfrage unter den Zuhörern ergab einen eindeutigen Sieger: Wasserstoff. Arnaud Namer, COO bei Universal Hydrogen, wies darauf hin, dass der jüngste Flug mit einer MW-Brennstoffzellenkonfiguration ein Schritt in die richtige Richtung sei, aber gleichzeitig noch viel Arbeit vor der Inbetriebnahme warte. Thomas Haagensen, Group Markets Director von EasyJet, sprach verschiedene Aspekte an, unter anderem die Bedeutung der Flottenmodernisierung, die Treibstoffeffizienz und die Notwendigkeit, Wasserstoff ebenso wie SAF anzuerkennen. Riccardo Procacci, CEO von Avio Aero, zeigte auf, wie Innovationen aus dem Programm Clean Sky 2 zu Clean Aviation beitragen. Er betonte aber auch, wie wichtig die Unterstützung der politischen Entscheidungsträger auf dem Weg zu einer nachhaltigen Luftfahrt sei.
Das zweite Panel befasste sich mit genau diesen politischen Beiträgen zum klimaneutralen Luftverkehr. Die stellvertretende Generaldirektorin für Forschung und Innovation der Europäischen Kommission, Signe Ratso, der Abgeordnete des Europäischen Parlaments, Christian Ehler, der Direktor für Verkehr und Umwelt, Jo Dardenne, und der Exekutivdirektor der Air Transport Action Group, Haldane Dodd, waren sich einig, dass die Zieldefinition wichtige Fortschritte gemacht habe, dass aber die wichtigste Frage das „Wie“ sei. Wie sollen beispielsweise SAF transportiert werden? Wie können wir F&I mit politischen Maßnahmen vermarkten? Eine Mehrheit der Teilnehmenden sprach sich für aggressive Investitionen in F&E aus.
Vincent Etchebehere, stellvertretender Präsident für Nachhaltigkeit und neue Mobilitäten bei Air France, zeigte anschließend die Möglichkeiten der großen Fluggesellschaften auf, drastische Emissionsreduzierungen zu erreichen. Air France habe sich verpflichtet, die CO2-Emissionen pro Passagier und Kilometer bis 2030 um 30 Prozent zu senken.
Sabine Klauke, CTO von Airbus, betonte, dass die Dekarbonisierung der Luftfahrt ein Ökosystem erfordere, das über Flugzeughersteller und -betreiber hinausgeht. Dies steht im Einklang mit dem Ziel von Clean Aviation, die Akteure zur Unterstützung des europäischen Green Deal zu vereinen. Airbus leitet vier der gewagten Projekte von Clean Aviation.
Tag 2
Der zweite Tag des Forums konzentrierte sich auf die jüngsten Errungenschaften von Clean Sky 2 und die technologischen Innovationen für hybrid-elektrisch angetriebene Flugzeuge, Wasserstoffflugzeuge und ultra-effiziente Kurz- und Mittelstreckenflugzeuge. Er begann mit der Unterzeichnung einer Absichtserklärung zwischen den Unternehmen Clean Aviation und Clean Hydrogen. Ziel der Zusammenarbeit wird die strategische Zusammenarbeit bei Forschung und Innovation in der wasserstoffbetriebenen Luftfahrt sein.
Die Diskussionen drehten sich anschließend um die Zertifizierung und darum, wie Kooperationen die Time-to-Market verkürzen könnten. Der Chefingenieur der EASA, Alain Leroy, hob den Wert der Zusammenarbeit in einem frühen Stadium der Technologieentwicklung hervor, um Unsicherheiten zu verringern und die Effizienz zu steigern.
Das Gespräch verlagerte sich sodann auf die digitale Zertifizierung im Rahmen von Fortschritten in der Aerodynamik und der Flügeltechnologie. José Luis López Diez, Head of Architecture and Integration bei Airbus Defence and Space, präsentierte aktuelle Beiträge im Bereich Flügel aus den Projekten Clean Sky 2 und Clean Aviation’s HERWINGT zur Entwicklung eines innovativen Flügeldesigns, mit dem sich Gewicht und Treibstoffverbrauch eines hybridelektrischen Regionalflugzeugs reduzieren lassen.
Philippe Rostand, Vice President of R&T and Future Projects bei Dassault Aviation, erläuterte moderne Tragflächentechnologien für Kurz-, Mittel- und Langstreckenflugzeuge. Anschließend gewährte Philippe Beaumier, Leiter der Abteilung Luftfahrt bei Onera, Einblicke in die jüngsten Fortschritte bei der Aerodynamik und deren Beitrag zu einem hybriden Ansatz für die Zertifizierbarkeit.
Als eines der technologischen Kernthemen von Clean Aviation standen hybridelektrische Regionalflugzeuge im Mittelpunkt des Interesses. Marco Protti, Head of Advanced Research bei Leonardo Aircraft, wies auf eine Reihe von Herausforderungen hin, und betonte, dass diese sich nur gemeinsam bewältigen ließen. Prottis Mitdiskutanten Jan Ludvik, Director Engineering for Advanced Technology Europe bei Honeywell, und Nathalie Duquesne, Managing Director bei Lieberr Aerospace, knüpften daran direkt an und lieferten konkrete Beispiele dafür, wie das Wissen aus anderen Sektoren genutzt werden kann, um bewährte Lösungen für die Luft- und Raumfahrt anzupassen.
„Die beste Energie ist die Energie, die wir nicht verbrauchen.“
Oliver Criou, VP Commercial R&T Lead Architect bei Airbus
Bei den Diskussionen zu ultraeffizienten Kurz- und Mittelstreckenflugzeugen wurde betont, wie wichtig es sei, vorhandenes Wissen zu nutzen und gleichzeitig am Schließen eventuell noch vorhandener Wissenslücken zu arbeiten. Pierre Cottenceau, Deputy Engineering Vice-President bei Safran Aircraft Engines, erläuterte, wie das Clean-Aviation-Projekt Ofelia mit einer hocheffizienten Open-Fan-Architektur auf den bisher im Programm gewonnenen Erfahrungen aufbaut. Martin Metscher, Director of Technology Management bei der MTU Aero Engines, betonte einmal mehr, dass man nicht nur CO2-Emissionen betrachten dürfe, sondern auch die weiteren Emissionen besser verstehen lernen muss, um einen klimaneutralen Luftverkehr zu erreichen. Er zeigte auf, wie das von der MTU geleitete Clean-Aviation-Projekt SWTICH dazu beitragen wird.
Der Tag kehrte nach weiteren Paneldiskussionen in einer abschließenden Runde zum Ausgangspunkt zurück. Wie können Synergien nicht nur zwischen EU-, sondern auch zwischen nationalen und regionalen Programmen am besten genutzt werden? Ein vielfältiges Podium brachte Vertreter von niederländischen, deutschen, italienischen und EU-Programmen zusammen. Michel Peters, stellvertretender Vorstandsvorsitzender von Luchtvaart in Transitie, Kai Wagner, Referatsleiter im deutschen Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, Raffaella Farina, Generaldirektorin für wirtschaftliche Entwicklung der Region Kampanien, Italien, und Mirela Atanasiu, Leiterin der Abteilung Betreiber und Kommunikation der Clean Hydrogen Partnership, sprachen über den Wert des Informationsaustauschs und die Stärkung der Zusammenarbeit.
Axel Krein forderte zum Abschluss der Veranstaltung von den Teilnehmern Motivation, Energie und Optimismus bei der weiteren gemeinsamen Anstrengung, den Fortschritt Richtung klimaneutrale Luftfahrt zu beschleunigen.
Bild oben: 2 Tage Clean Aviation Forum machten die Dringlichkeit einer gemeinsamen Anstrengung für eine klimaneutrale Luftfahrt deutlich (Quelle: Clean Aviation)
Quelle und weitere Infos: Pressemitteilung, Pressemitteilung
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