Sortenrein: selbstverstärkendes PE-Komposit für den Leichtbau

Wirklich mechanisch belastbar sind bisher nur PE-Bauteile, die als PE-Komposit mit integrierten Kohlenstoff- oder Glasfasern verstärkt werden. Dadurch verschlechtert sich die eigentlich gute Recyclingfähigkeit des sortenreinen Thermoplasts. Besser belastbar ist ultrahochmolekulares PE (UHMWPE), das aber nicht im Spritzguss verarbeitet werden kann. Fasern aus diesem Material (Dyneema von DSM) können zwar die Festigkeit von Stahl erreichen, sind jedoch teuer und nicht recyclingfähig.

Ein Forscher-Team des Fraunhofer IWM, MikroTribologie Centrum µTC, gemeinsam mit dem Freiburger Materialforschungszentrum und dem Polyolefinhersteller LyondellBasell hat jetzt ein tragfähiges, „sortenreines PE-Komposit“ hergestellt und qualifiziert. Der Clou: Die verstärkenden Faserstrukturen bestehen ebenfalls aus PE und bilden sich sogar im Spritzguss selbst.

Bild oben: Dynamischer Mikrozugversuch zur Untersuchung des dehnratenabhängigen Werkstoffverhaltens: Durch die Entnahme von Mikrozugproben aus einem spritzgegossenen Werkstück kann der Einfluss der lokalen Morphologie auf die Werkstoffeigenschaften analysiert werden. (Quelle: Fraunhofer IWM)

Sortenreines, recyclingfähiges PE-Komposit

„Im Projekt SusComp forschten wir an sortenreinen Kompositen aus PE, die sich im Spritzguss verarbeiten lassen und sich dabei direkt selbst verstärken. Besonders interessierte uns natürlich, welche mechanischen Eigenschaften diese Komposite erreiche.“
(Raimund Jaeger, Gruppenleiter »Polymertribologie und biomedizinische Materialien« am Freiburger Fraunhofer-Institut für Werkstoffmechanik IWM.)

Die Lösung fand Prof. Dr. Rolf Mülhaupt mit seinem Team am Freiburger Materialforschungszentrum FMF der Albert-Ludwigs-Universität: Er platziert unterschiedliche Katalysatoren, mit deren Hilfe PE in verschiedenen Kettenlängen gezielt hergestellt werden kann, fein verteilt auf dem gleichen Katalysatorträger. An diesem Katalysator werden bei der folgenden Synthese des PE durch Ethylenpolymerisation gleichzeitig Mischungen aus nieder-, mittel- und ultrahochmolekularem PE hergestellt, sogenannte Reaktorblends. Mit diesem Trick entstehen direkt bei der Polymerisation PE-Blends, die sich problemlos spritzgießen lassen.

Die hohen Scherströmungen, die beim Spritzguss in schmale Spritzgussformen auftreten, sind dann dafür verantwortlich dass sich aus den ultrahochmolekularen Bestandteilen durch Selbstorganisation des Werkstoffs faserartige UHMWPE-Strukturen ausbilden. Diese Fasern verstärken das Bauteil, orientieren sich beim Spritzguss sogar in der gewünschten Richtung und sorgen so für mechanische Stabilität. Und die Bauteile lassen sich gut wiederverwerten.

„Wir haben Proben davon insgesamt zehn Mal werkstofflich rezykliert und immer die gleich gute Qualität erhalten, da sich die gewünschten Werkstoffstrukturen durch Selbstorganisation immer erneut ausbilden.“
(Prof. Dr. Rolf Mülhaupt, Freiburger Materialforschungszentrum FMF, Albert-Ludwigs-Universität)

Proben dieses neuen Hochleistungsmaterials prüften die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am Fraunhofer IWM auf ihre Werkstoffeigenschaften hin. Die mechanischen Eigenschaften zeigen: Es sind viele Anwendungen vorstellbar, beispielsweise lange Möbelteile, Schienen- und Rolladenführungen oder Teile fürs Autointerieur. Neben dem geringen Gewicht haben die Bauteile auch den Vorteil, Schmierstoffe auf Wasserbasis sehr gut zu vertragen.

Additiv sind multidirektionale Faserorientierungen möglich

Bauteile aus sortenreinen PE-Kompositen: Mittels Katalysator werden unterschiedliche, unverzweigte PE-Ketten hergestellt (oben) und die in der 3D-Druckdüse entstehenden Faserstrukturen in der gewünschten Orientierung im gedruckten Bauteil abgelegt. (Quelle: Fraunhofer IWM)

Im Nachfolgeprojekt 3D-SusCOMP geht es nun darum, das Material per 3D-Drucker zu verarbeiten, denn dort bilden sich die Faserstrukturen ebenfalls aus. Um von den geometrischen Restriktionen der Spritzgießform unabhängig zu werden eignet sich der 3D-Druck, da durch das Bewegen des Druckkopfs die Fasern in verschiedene Richtungen orientiert werden können. Hierdurch sind viele neue Anwendungen für diesen recyclinggerechten Werkstoff denkbar: neben Zahnrädern im Automobil oder für die Lebensmittelindustrie können auch sich anschmiegende Robotergreifer, medizinische Orthesen oder Steckverbinder »aus einem Guss« hergestellt werden.

Die beiden Projekte werden vom Land Baden-Württemberg und der Fraunhofer-Gesellschaft gefördert. Grundlage bei der Katalysatorentwicklung ist eine langjährige, durch das BMBF geförderte Forschungskooperation des Freiburger Materialforschungszentrums und LyondellBasell.


Quelle und weitere Infos: Fraunhofer IWM

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