Serienfertigung für Leichtbauteile im Bauwesen? Geht das überhaupt? Der Workshop zu diesem Thema war Teil der Veranstaltung zum Förderprogramm Leichtbau des BMWi am 03.07. in Berlin. Mit den Ergebnissen aus diesem und den anderen Workshops des Tages sollen, so die Veranstalter, die Leichtbauaktivitäten in Deutschland gestaltet werden.
Für Leichtbauwelt habe ich mir als Teilnehmer der Workshops für die zweite Diskussionsrunde wieder das Bauwesen ausgesucht. Erstaunt hat mich dabei, wie wenig die Branchen voneinander wissen und wie wichtig Synergieeffekte in Zukunft sein könnten. Doch dazu weiter unten im Text mehr. Den Bericht zum ersten Workshop des Tages finden sie am Ende des Textes verlinkt.
Individualität durch Digitalisierung?
Serienfähige Prozesse und Fertigungsverfahren im Bauwesen. Das ist schwer vorstellbar, lebt doch gerade diese Branche mehr als andere Industriebranchen von Individualität und Kreativität. Doch die Teilnehmer an diesem Tag diskutierten für die Serienfertigung im Bauwesen viele gute Ideen, Visionen, Chancen, Hindernisse und natürlich den Handlungsbedarf der Politik.
Als Zukunftsvisionen für die Serienfertigung im Bauwesen wurden genannt:
- Die serielle Modulfertigung von 2D oder 3D-Modulen wäre möglich, dabei könnte man im Sinne des Leichtbau Funktionen in die Bauelemente integrieren. Um hier jedoch eine Serienproduktion aufzubauen, bedarf es einer prozessorientierten Produktentwicklung.
- Nicht nur der Leichtbau sollte berücksichtigt werden. Vielmehr sind auch der CO2-Lifecycle-Load in der Produktentwicklung sowie Ansätze für eine Kreislaufwirtschaft schon in der Projektierung zu berücksichtigen. Dabei sollte bereits zu Baubeginn eines Bauwerks die regionale / lokale Wiederverwertung von Bauelementen und -materialien am Lebensende bedacht werden.
- Damit das möglich ist, spielen auch hier die Fügetechniken in der Serienfertigung eine wichtige Rolle. Verbindungen müssen sicher, aber wieder lösbar sein.
- Individualisierung funktioniert in der Serienfertigung durch Digitalisierung der Wertschöpfungsketten oder durch eine Standardisierung mit industrieller Vorfertigung und individuellem Finish.
- Bionische Prinzipien könnten bei Design, Fertigung und Material angewendet werden.
- Additive Fertigung und adaptive Strukturen stecken in dieser Branche noch in den Kinderschuhen.
Rechtliche Hürden mildern
Dabei wurde in der Diskussion zur Serienfertigung im Bauwesen allerdings mehr als deutlich, dass diese Branche mit vielen Hindernissen zu kämpfen hat. Dazu trägt bei, dass an Bauprojekten sehr vielen Beteiligten in der Wertschöpfungskette mitwirken und sie alle in einer stark regulierten Branche hinsichtlich Leichtbau mit vielen Hindernissenkonfrontiertn werden.
- Die sogenannte „Zustimmung im Einzelfall“1) – ist ein Hemmnis für Innovationen, diese Genehmigung zu viel Zeit braucht. Wünschenswert wäre daher eine fachliche Leichtbau-Kompetenz in den Prüfstellen, um den Änderungsrahmen zulassen zu können.
- Vergaberecht und Ausschreibungspraxis verhindern Varianten in der Ausführung, deshalb wird oftmals neu gebaut statt mit neuen Materialien renoviert.
- Leichtbau-Module werden von den Geldinstituten nicht als Immobilie bewertet und daher für die Bauherren nicht finanziert.
Was könnte also helfen, diese Herausforderungen zu bewältigen? Hier können Politik – und Medien wie Leichtbauwelt – unterstützen. Die Vorschläge der Teilnehmer dazu waren sehr konkret:
- Die Industrie sollte im Bauwesen deutlich mehr in die Forschung eingebunden sein. Es gilt das Vertrauen in neue Technologie zu stärken, und den Unternehmen den Mut zu geben, bei der Realisierung des Bauvorhabens in die Haftung zu gehen.
- Die Vorbildfunktion von Pilotprojekten auf Bundesebene wird unterschätzt. Denn nur, wenn über Leichtbau mehr gesprochen wird – von der Forschung über die Unternehmen und die Architekten bis hin zum Bauherrn, kann ein Bewusstseinswandel stattfinden.
- Dazu ist es auch notwendig, den Leichtbau in die Ausbildungswege der verschiedenen beteiligten Berufsbilder zu integrieren. Für Architekten und Handwerker muss Leichtbau in der Ausbildung vorkommen. Architekten könnten dazu beispielsweise Einstiegssemester bei „High-Tech-Handwerkern“ aus der Leichtbau-Praxis absolvieren. Denn auch bei den Handelnden auf dem Bau fehlt das Wissen zum Leichtbau bisher.
- Gerade im Leichtbau ist der branchenübergreifenden Wissenstransfer nötig, um Synergien nutzen zu können.
Ich empfehle daher einen Blick über den Tellerrand – surfen Sie auf auf der branchenübergreifenden Leichtbauwelt hier nach Herzenslust – Sie werden mit Sicherheit auf Interessantes stoßen, das auch für Ihre Branche zukünftig Lösungswege für neue Herausforderungen öffnet. Oder Sie abonnieren den Newsletter und lassen sich ein oder zweimal im Monat kostenfrei Inspiration direkt ins Mailpostfach liefern.
1) Wenn ein regelungsbedürftiges Bauprodukt nur für ein einzelnes Bauvorhaben verwendet werden soll, kann statt einer allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung eine Zustimmung im Einzelfall beantragt werden. Analog steht für regelungsbedürftige Bauarten im Einzelfall eine sogenannte vorhabenbezogene Bauartgenehmigung zur Verfügung. (Quelle: DIBt)
Workshop BMWi: Wie leichte Baustoffe zukunftsfähig werden können
Autor: Christine Koblmiller, Redakteurin, Gründerin, Fachjournalistin aus Leidenschaft
Mit dem Metamagazin Leichtbauwelt.de hat sie 2018 den Schritt in die Selbständigkeit gewagt und mit Leichtbauwelt ein neues Medienformat geschaffen.
Christine Koblmiller ist seit 1995 Redakteurin für technische B2B-Fachzeitschriften. Für diese Fachmagazine der SVHFI (Süddeutscher Verlag Hüthig Fachinformation) hat sie als eBusiness-Projektmanager Industrie den Online-Bereich maßgeblich mitgestaltet und schon 2001 crossmediale Angebote eingeführt. Mehr über Christine Koblmiller unter Conkomm, auf Xing oder LinkedIn.
„Leichtbau fasziniert und begeistert Techniker. Ich bin überzeugt davon, dass der Markt für ein Angebot wie Leichtbauwelt.de reif ist.“
Comments are closed, but trackbacks and pingbacks are open.