Pionier der Leichtbauwelt – Isa Taflan: „Leichtbau darf kein Luxus sein“

Wie lässt sich der Planungsaufwand für komplexe Leichtbau-Teile deutlich senken – bei gleichzeitig höherer Prozesssicherheit? Genau diese Herausforderung adressiert das Start-up Fibclick. Mit einer KI-gestützten Lösung will das junge Team die Produktionsplanung für faserverstärkte Kunststoffe grundlegend verändern. Was genau dahintersteckt und wie sich Leichtbau „demokratisieren“ lassen könnte, erzählt einer der Gründer – Isa Taflan – im Gespräch als „Pionier der Leichtbauwelt“. 

Bild oben: Das Gründerteam auf einer der ersten großen Fachmessen als Finalist im Start-up Booster der JEC – v.l. Isa Taflan, Niklas Paprotta und Jonas Wilfert (Quelle: Fibclick)

Im Leichtbau sind branchen- und werkstoffübergreifende Impulse und neue Inspirationen für kreative, technologische Lösungen äußerst wertvoll. In der Serie „Pioniere der Leichtbauwelt“ kommen deshalb Gründer und Start-ups zu Wort. Hier haben sie die Möglichkeit, ihre Technologie, ihre Ideen und Visionen vorzustellen. Wenn sich so neue Partnerschaften über Unternehmens- und Branchengrenzen hinweg ergeben, dann haben wir bei Leichtbau(welt) unser Ziel erreicht: Inspiration für ihren Fortschritt.

„Fib“ steht für Faser, „click“ für intuitive, digitale Werkzeugintegration. Mit Hilfe von KI-Technologien zur Produktionsplanung verspricht das Start-up Fibclick nicht nur Effizienzgewinne, sondern wirtschaftliche und flexible Leichtbaulösungen. Die Vision des Start-ups: „Composites at the push of a button.“

Leichtbauwelt: Was hat Ihre Technologie mit Leichtbau zu tun?

Einer der komplexen und konkreten Anwendungsversuche: 1-mm-Rohr mit zwei Textillagen, was ohne die Fibclick-Simulationen nur schwierig umsetzbar gewesen wäre. (Quelle: Fibclick)

Isa Taflan: Unsere Technologie ermöglicht es, die Planung und Fertigung von Leichtbauteilen aus faserverstärkten Kunststoffen (FVK) deutlich effizienter, schneller und zugänglicher zu machen. Insbesondere im Pultrusionsverfahren reduzieren wir Komplexität, Fehleranfälligkeit und Rüstzeiten, wodurch neue, leichtere Strukturen wirtschaftlich hergestellt werden können.

Leichtbauwelt: Wie ist die Idee dazu entstanden und welchen Weg nahm die Entwicklung?

Isa Taflan: Wir haben am Fraunhofer IGCV täglich erlebt, wie ineffizient und fehleranfällig die Produktionsplanung gerade bei komplexen Prozessen wie Pultrusion ist. Die Abhängigkeit vom Erfahrungswissen einzelner Ingenieure und fehlende Automatisierung haben uns zur Entwicklung unseres KI-basierten Co-Engineers motiviert.

Leichtbauwelt: Können Sie uns das Besondere dieses KI-Kollegen in wenigen Sätzen erklären?

Isa Taflan: Wir entwickeln KI-Co-Engineers, die Produktionsplanung und Werkzeugdesign automatisieren. Durch simulationsgestützte Algorithmen und kontinuierliches Lernen entsteht ein digitaler Zwilling, der optimale Maschinenaufbauten vorschlägt und Fehlerquellen drastisch reduziert.

Leichtbauwelt: Worin sehen Sie den größten Nutzen für Ihre potenziellen Kunden?

Isa Taflan: Mit unserem Co-Engineer werden komplexere Geometrien mit Planungssicherheit überhaupt planbar. Die Planungszeit reduziert sich um mehr als die Hälfte. Die Rüstzeiten sinken um mehr als 25 Prozent und selbst Kleinserien werden wirtschaftlich.

Leichtbauwelt: Welchen Beitrag können Sie mit Ihrer Idee zum Klimaschutz leisten?

Isa Taflan: Dank der KI-Unterstützung lassen sich Maschinenstillstände reduzieren, die Produktion wird energieeffizienter, es entsteht weniger Ausschuss. Eine schnellere Time-to-Market und schnellere Produktentwicklungen bedeuten ebenfalls einen direkten CO2-Vorteil.

„Ohne Automatisierung bleibt Leichtbau oft ein Luxus – unser Co-Engineer macht ihn zum Standard.“

Leichtbauwelt: Wird dieser Beitrag gesehen und wertgeschätzt? 

Isa Taflan: Ja, unsere Kunden schätzen insbesondere die planbare Prozesssicherheit und die Reduktion von Test- und Fehlprodukten. Nachhaltigkeit wird in der Industrie zunehmend als wirtschaftlicher Vorteil wahrgenommen.

Leichtbauwelt: Wann wussten Sie, dass aus dieser Idee ein Unternehmen werden könnte? Gab es so etwas wie einen „Point of no return“?

Eine 3D-gedruckte Textilführung in der Produktion im Rahmen des Pultrusion 4.0 Seminars (Quelle: Fibclick)

Isa Taflan: Wirklich klar wurde es uns, als unser System erstmals bei einem Pilotkunden ein vormals nicht realisierbares Profil erfolgreich planen und produzieren konnte. In diesem Augenblick wussten wir: Wir lösen ein echtes Problem.

Leichtbauwelt: Wie und von wem wurden Sie bei der Firmengründung unterstützt?

Isa Taflan: Unterstützt wurden wir von EXIST Forschungstransfer, UnternehmerTUM, dem Fraunhofer IGCV und zahlreichen Industriepartnern wie der fisco GmbH und der BWF Group. Auch Netzwerke wie das Digitale Zentrum Schwaben und das VentureLab AI der TUM waren entscheidend.

Leichtbauwelt: Wie ist Ihr Start-up derzeit aufgestellt?

Isa Taflan: Wir arbeiten agil mit einem Kernteam aus KI-, Maschinenbau- und Business-Expertise. Unser Netzwerk aus Mentoren und Pilotkunden unterstützt unsere Weiterentwicklung. Im Gründerteam ist Niklas Paprotta zuständig für die Produktstrategie, operative Umsetzung und die Kundenkommunikation. Jonas Wilfert verantwortet die technische Entwicklung, die Dateninfrastruktur und die KI-Algorithmen. Ich selbst kümmere mich um Vertrieb, Finanzen und Investment Relations.

Leichtbauwelt: Wie ergänzen Sie sich im Gründer- und / oder Führungsteam? Welche Stärken bringen Sie jeweils mit? Welche Stärken bringen Sie persönlich als Gründer ein?

Isa Taflan: Niklas bringt das Produkt zur Kundenseite, Jonas denkt es technisch zu Ende. Wir verbinden operative Exzellenz mit technischer Tiefe. Das Ganze unterstütze ich mit Strategie- und Marktwissen.

Leichtbauwelt: Welche weiteren Entwicklungen planen Sie?

Isa Taflan: Nächstes Jahr wollen wir alle Features für den Pultrusion Co-Engineer launchen. Und im nächsten und übernächsten Jahr wird es Co-Engineers für RTM-Verfahren und Extrusion geben. Den Spritzguss wollen wir 2028 mit unseren Tools unterstützen.

Leichtbauwelt: Wo sehen Sie Ihr Unternehmen mittelfristig?

Isa Taflan: Das ist ganz einfach: Wir werden der Standard für automatisierte Produktionsplanung in der Kunststoff- und Verbundwerkstoffindustrie. Modular, skalierbar, international.

„Dass heute noch Ingenieure Stunden mit repetitiven Planungsaufgaben verbringen, ist schlicht Ressourcenverschwendung.“

Leichtbauwelt: Für welche Branchen eignen sich die KI-gestützten Tools? 

Isa Taflan: Für fast alle – Maschinenbau, Baubranche, Automobilzulieferer, Drohnen- und Windenergiebranche. Unsere Technologie ist nicht branchengebunden und deshalb besonders, weil sie sehr komplexe Geometrien automatisiert planen kann.

Leichtbauwelt: Gibt es auch Einschränkungen? 

Isa Taflan: Aktuell fokussiert unser Co-Engineer auf kontinuierliche Verfahren. Für diskontinuierliche Prozesse wie zum Beispiel das Pressformen bedarf es neuer Simulationsmodule.

Leichtbau ist für mich persönlich …
~… das Werkzeug zur klimafreundlichen Industrie.

Die größte Herausforderung im Leichtbau ist …
~… die digitale Integration in bestehende Prozesse.

Der wichtigste Trend im Leichtbau ist aktuell …
~… Automatisierung trifft Nachhaltigkeit.

Leichtbau und Mobilität …
~... sind untrennbar verbunden.

Leichtbau im Bauwesen …
~… steckt noch in den Anfängen, hat aber Riesenpotenzial.

Leichtbauwelt: Nehmen Sie uns mit in Ihren Alltag: Gab es bereits spannende Projekte oder eine Lösung, auf die Sie besonders stolz sind?

Isa Taflan: Ein Kunde konnte durch uns erstmals ein hochkomplexes Bauteil herstellen – vorher war das Werkzeugdesign daran gescheitert. Das war ein echter Meilenstein.

Leichtbauwelt: Welchen weiteren Herausforderungen begegnen Sie in Ihrem „Leichtbau-Alltag“?

Isa Taflan: Unsere Herausforderungen haben weniger mit Leichtbau zu tun, als vielmehr mit langen Verkaufszyklen, einem noch mangelnden Vertrauen in KI und dem manchmal schier endlosen Warten auf den „first mover“.

Leichtbauwelt: An welchen Hindernissen sind Sie mit Ihrem Unternehmen in den letzten Jahren gewachsen? 

Isa Taflan: Die ersten Pilotkunden zu gewinnen, war für uns äußerst schwierig, da wir noch keine Referenzprojekte vorweisen konnten. Wir haben schon früh bemerkt, dass wir uns schnell in der Leichtbaubranche präsenter machen müssen. Die Nominierung als JEC Start-up Booster war hierfür ein großer Meilenstein. Es war uns ein großes Anliegen, auf allen JEC, AVK und EPTA Formaten präsent zu sein, um den physischen Austausch mit Unternehmen zu ermöglichen.

Leichtbauwelt: Welche drei wichtigsten Tipps würden Sie all denjenigen mitgeben, die gründen wollen?

Isa Taflan: Sprich früh mit Kunden und verliebe Dich nicht in Deine erste Idee. Fokussiere Dich auf echte Probleme.

Leichtbauwelt: Welche Leichtbau-Innovation, welches Projekt oder Forschungsergebnis hat Sie in der letzten Zeit besonders fasziniert? 

Isa Taflan: Die thermoplastische Pultrusion: Hier treffen eine hohe Energieeffizienz und Recyclingfähigkeit auf echte Strukturperformance.

Leichtbauwelt: In welcher Branche oder in welchen Produkten entfaltet Leichtbau den größten Nutzen?

Isa Taflan: Überall wo Masse bewegt wird: Mobilität, Luftfahrt, Raumfahrt, Windkraft.

Leichtbauwelt: Welche Branchen oder Trends treiben nach Ihrer Erfahrung die Entwicklungen im Leichtbau voran?

Isa Taflan: Die Ziele zur Minderung der CO2-Emissionen sind einer der Haupt-Treiber. Aber auch neue Fertigungstechnologien – beispielsweise das Additive Manufacturing und die Digitalisierung treiben Entwicklungen im Leichtbau voran.

Leichtbauwelt: Sehen Sie eine Konkurrenz der Werkstoffklassen? 

Isa Taflan: Nein, es sollte kein „entweder-oder“ geben. Faserverbundwerkstoffe, Thermoplaste, Metalle: Es geht immer um die richtige und spezifische Kombi für den Use Case.

Leichtbau ist eine Schlüsseltechnologie für den Klimaschutz, weil …
~… jedes gesparte Kilo Ressourcen spart.

Das Interview für Leichtbauwelt ist mir wichtig, weil …
~… wir zeigen möchten, wie Digitalisierung den Leichtbau demokratisiert.

Die Informationsplattform Leichtbauwelt bietet Inspiration, weil …
~… sie echte Anwendungen in den Mittelpunkt stellt. 

Leichtbauwelt: Hatten die turbulenten letzten Jahre Auswirkungen auf Ihren Start als Unternehmen? Wenn ja, welche?

Isa Taflan: Wir merken natürlich, dass viele Förderprogramme, aufgrund der politischen Unsicherheiten nicht planbar gewesen sind. Letztlich gingen die für uns relevanten Förderungen wie EXIST zum Glück weiter.

Leichtbauwelt: Lassen Sie uns ein bisschen träumen: Wenn Sie einen Wunsch für den Leichtbau und Ihr Unternehmen frei hätten, was würden Sie sich wünschen?

Isa Taflan: Dass kein Ingenieur mehr seine Zeit mit repetitiven Planungsaufgaben verbringen muss. Stattdessen: Kreativität, Innovation, Qualität.


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