Fast 250 Teilnehmer erlebten vor Ort und als Zuschauer beim Live-Streaming einen 6. Lightweighting Summit des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) auf der Hannover Messe, der die Bandbreite, Relevanz, aber auch die Herausforderungen des Leichtbaus sehr gut abbildete. Das Event stand unter dem Motto „Leichtbau als Treiber für Innovationen und Wettbewerbsfähigkeit“.

In übergreifenden Keynotes, einem Pitch-Format für Forschungsprojekte und einer vielseitig besetzten Paneldiskussion näherten sich die Akteurinnen und Akteure der Veranstaltung dem Thema aus unterschiedlichen Richtungen und boten so vielfältige politische und technologische Impulse.
Das protektionistische Agieren der USA, der Krieg in der Ukraine und eine chinesische Wirtschaft in schwierigerem Fahrwasser bilden den geo-politischen Rahmen der diesjährigen Hannover Messe. In seiner Keynote zum 6. Lightweighting Summit betonte Dr. Jochen Köckler, CEO, Deutsche Messe, die daraus erwachsenden Herausforderungen, äußerte sich aber gleichzeitig zufrieden über 60 Prozent Ausstelleranteil aus dem Ausland. Als essenziell für nachhaltigen Fortschritt im doppelten Wortsinn stufte er innovative Technologien und damit den Leichtbau ein. Digitale und analoge Welt müssten dazu sinnvoll kombiniert werden, um die Frage nach der Technologie von morgen richtig zu beantworten.
Den Teamgedanken in den Vordergrund stellen

In der Keynote des geschäftsführenden Vizekanzlers und noch amtierenden Bundesministers für Wirtschaft und Klimaschutz Dr. Robert Habeck spürte man eine gewisse Leichtigkeit der nun zeitlich begrenzten Verantwortung. Die Zukunft jedoch sei alles andere als leicht im übertragenen Wortsinn eröffnete er seine Begrüßung. „Abschottung ist nur vorübergehend erfolgreich“, so seine Botschaft, mit der er Hoffnung zu vermitteln suchte. Und damit gleichzeitig die Leichtbau-Community zum Handeln aufforderte: „Offenheit bei Kooperationen und Technologie sind die Gebote der Stunde“. Dann könne die Zukunft sehr wohl leicht und sogar ein internationales Spielfeld werden. Denn der Leichtbau bringe wesentliche Voraussetzungen dafür mit: einen geringeren Materialbedarf und damit weniger Energieverbrauch – auch im Bausektor – als derzeit wichtigen ökologischen Aspekt. In der aktuellen Wahrnehmung mindestens gleichwertig aber sei das Thema Sicherheit: Leichtbau vermindere durch den geringeren Materialeinsatz und die verbesserte Energieeffizienz die Abhängigkeit von Ressourcen. Sein Vorschlag an die Adresse der neuen Bundesregierung sei daher eine Neuauflage des Technologietransferprogramms Leichtbau (TTP-LB).

Diesen Ball nahm Tim-Oliver Müller, Hauptgeschäftsführer des Hauptverbands der Deutschen Bauindustrie, auf. Er betonte jedoch auch, dass es gerade im Bauwesen gelte, weitere Herausforderungen für mehr Leichtbau zu lösen. Dazu zählte er notwendige schnellere Zulassungen und Normen für Verfahren und Baustoffe ebenso wie verbessere Rahmenbedingungen für die Forschung. Wesentlich dabei seien eine schnellere Skalierung von Forschungsprojekten, eine Forschungseinrichtung für den Bau sowie Technologietransfer und schnellere Marktdurchdringung für neue Werkstoffe, wie beispielsweise Carbonbeton.
Leichtbau von Tunnelbau über Schienenfahrzeug bis Batteriegehäuse
Die anschließend vorgestellten Forschungsprojekte aus noch bis 2027 finanzierten TTP-LB konnten unterschiedlicher nicht sein: Holger Alder, Geschäftsführer, Photon Laser Manufacturing, präsentierte mit dem Projekt MobiXL ein bionisch inspiriertes Versteifungskonzept großer Strukturbauteile (Seitenwände) für Schienenfahrzeuge. Im Ergebnis des Projekts führe zu reduzierten Bauteilkosten, geringerem Verzug und einer Gewichtseinsparung von zusätzlichen 10 Prozent gemessen am vorher bereits gewichtsoptimierten Bauteil.
Ein ressourceneffizientes Tunnel-Trag-System – das Projekt RTTS – stellte Dr. Franziska Reich, Expert Consultant bei Ed.Züblin, vor. Für Tübbinge und Ringspaltmasse (Tunneltragsystem) werden dabei CO2-reduzierte Ökobetone verwendet und die Bauteile designoptimiert, um möglichst viel Ressourcen zu sparen. Im Sinne geschlossener Stoffkreisläufe sollen auch die Ausbruchsmassen später wiederverwendet werden. Ein Digitaler Zwilling und KI-basierte Simulationen sowie ein automatisierter Fertigungsprozess unterstützen das Erreichen dieser Projektziele.
Im Projekt protECOlight wurde unter Beteiligung von Audi eine leichte Unterbodenschutzplatte für BEVs entwickelt. Dabei ging es, so berichtete Dr.-Ing. Julius Rausch, technische Entwicklung Leichtbau Kunststoffe / Faserverbundkunststoffe bei Audi, darum, Nachhaltigkeitsstrategien inklusive einer LCA (Life Cycle Analysis) für die beiden Varianten aus Duroplast-Composites und TP-FVK zu entwickeln und funktional sowie experimentell zu bewerten. Im Ergebnis wurde – bezogen auf das GWP (Global Warming Potential) – eine Kunststoff-Sandwich-Bauweise als deutlich günstiger bewertet als dasselbe Bauteil aus Aluminium. Durch den Einsatz nachhaltiger Materialien und grüner Energie könne diese Bewertung sogar noch günstiger ausfallen. Gleichzeitig konnten Funktion und Schadenstoleranz des Bauteils verbessert werden.
„Leichtbau gewinnt wieder an Fahrt“, so klang eine der Kernaussagen des Vortrags von Herbert Negele, Leiter Werkstoffentwicklung und Leichtbau bei BMW, einem der Pioniere im Carbon-Leichtbau von Fahrzeugen. Allerdings stehe der Leichtbau im Wettbewerb zu anderen Anforderungen im Automobil: den Kosten und technischen Regeln. Die Zukunft sieht Dr. Negele in einem notwendigen systemischen Ansatz für das Leichtbau-Design im Automobil – verstärkt durch den Einsatz nachhaltiger Werkstoffe, die für die Automobilindustrie zunehmend wichtig werden.
Paneldiskussion: Wie kann der Leichtbau Wettbewerbsfähigkeit sichern?

Die abschließende Paneldiskussion schlug wieder den Bogen zurück zum Thema des Tages: Ist das Denken in Leichtbau hilfreich im Bestreben um mehr Innovation? Kann der Leichtbau, wenn man ihn als Querschnittsbranche begreift, Arbeitsplätze und Wettbewerbsfähigkeit positiv beeinflussen?
Eindeutig Ja, sagte Frau Dr. Anna Kleissner, Geschäftsführerin der Econmove. Die Leichtbau-Branche erfülle alle Kriterien, um aus einer Krise eine Chance zu machen. Das begründete sie zur Einleitung in einem kurzen Impulsvortrag: Der Leichtbau hat sich nach der Corona-Krise schneller erholt als andere Branchen und ihm kommt eine Schlüsselfunktion beim Erreichen internationaler Nachhaltigkeitsziele zu. Allerdings gebe es starke Unterschiede zwischen den einzelnen Wirtschaftsbereichen. Eine mögliche Lösung sah sie darin, dass sich die Unternehmen stärker mit dem Leichtbau identifizieren, ihre diesbezügliche Expertise nicht versteckten und tragfähige nationale und internationale Netzwerke ausbilden.
An dieser Stelle fühlte sich Isabell Gradert, VP Cetnral Research & Technology – R&T Representative Germany, Airbus Operations, direkt abgeholt: Airbus sei eine europäische Erfolgsgeschichte und die unternehmerische Umsetzung dieses Teamgedankens. Leichtbau sei Voraussetzung für Wettbewerbsfähigkeit, vor allem da die vierte Revolution in der Luftfahrt, die Dekarbonisierung anstünde. 50 Prozent der CO2-Passagier-Emissionen konnten bereits reduziert werden, die nächsten Prozentpunkte seien jedoch schwieriger zu erreichen. Weiterhin spiele der Leichtbau eine wichtige Rolle bei der Flottenerneuerung sowie in allen Technologiesektoren bei der Flugzeugherstellung. Allerdings müssten, so betonte sie im Verlauf der Diskussion, auch die Kompetenzen und Strukturen in den Unternehmen geschaffen werden, um innovativen Leichtbau-Ideen Raum geben zu können. Deshalb benötigt das „Zusammen sind wir viel stärker“ gezielte Kooperationen und Austausch unter den Unternehmen
Dass Deutschland dafür alle Voraussetzungen mitbringt, da war sich Jürgen Kerner, zweiter Vorsitzender der IG Metall, sicher. „Deutschland besitzt ein breites Wissen an Erfahrungen und hohe Fachkenntnis im Leichtbau.“ Wenn man sich auf die Stärken Europas besinne, habe man alle Karten in der Hand, um Leitmärkte und Strukturen für den Technologietransfer zu schaffen. Als wichtigen Aspekt sahen er und mit ihm Dr. Michael Heußen, Geschäftsführer Extrusion HAI Group, an, dass das Denken in Leichtbau und in geschlossenen Werkstoffkreisläufen von Anfang an bei jeder Entwicklung mitgedacht werden müsse.
So argumentierte auch Dr. Anna Buling, Geschäftsführerin der ELB – Eloxalwerk Ludwigsburg Helmut Zerrer: Ohne Stärkung und Sensibilisierung für das Thema Leichtbau werden Arbeitsplätze verloren gehen und die zwingend erforderliche Innovation bleibt auf der Strecke. Ihre Forderung an die Politik: Mit gezielten Fördertools für den Leichtbau in Industriezweigen wie dem Maschinenbau, der Luftfahrt und der Mobilität Räume zu schaffen. Die Industrie selbst aber müsse deutlich offener für neue Konzepte und Lösungen werden und darf sich nicht darauf ausruhen, dass traditionelle Werkstoffe ausreichend sind, um den Anschluss nicht zu verlieren. Der Blick über den Tellerrand sei für alle am Entwicklungsprozess Beteiligten unabdingbar, um alle Möglichkeiten der Substitution schwerer Werkstoffe in Betracht zu ziehen.
Dem konnte wiederum Johannes Wölper, leitender Entwicklungsingenieur DACH Region für den Bereich Verbundwerkstoffe bei Otto Bock zustimmen: In der Medizintechnik sei man nicht nur im Leichtbau auf die Weiterentwicklung der Werkstoffe angewiesen, beispielweise in puncto Biokompatibilität. Aber auch die Weiterentwicklung des Wissens und der Ausbildung müssen vorangetrieben werden: Fachkräfte sollten künftig alle Designmöglichkeiten auch neuer Fertigungstechnologien, beispielsweise der additiven Fertigung, beherrschen. Denn aufgrund des hohen Lohnniveaus sei Deutschland eher das Land, in dem Produkte entwickelt werden. Die Fertigung findet, so berichtete Johannes Wölper, aktuell im Ausland statt, da es sich um Prozesse handelt, für die noch viel Handarbeit benötigt wird.
„Vielleicht gibt es aber auch die Möglichkeit in Deutschland wieder mehr zu produzieren“, warf daraufhin Dr. Michael Heußen ein. Dafür benötige es allerdings Innovationen und anspruchsvolle Produkte. Leichtbau und Leichtbauanwendungen sind seiner Meinung nach eine wirtschaftliche Notwendigkeit in Deutschland – auch um die Wettbewerbsfähigkeit weiterhin zu sichern. Dazu könne man die Kreativität und die deutschen Stärken in der Produktionstechnologie nutzen. Dass dafür auch die politischen Rahmenbedingungen – beispielsweise durch geringere Energiekosten – stimmen müssen, verstehe sich.
„Ein Tag voller spannender Einblicke und intensiver Gespräche: Der 6. Lightweighting Summit auf der Hannover Messe 2025 hat einmal mehr verdeutlicht, wie essenziell der Leichtbau für Innovation, Nachhaltigkeit und Wettbewerbsfähigkeit ist. Besonders war die Eröffnungsrede von Bundeswirtschaftsminister Dr. Robert Habeck, der die Bedeutung des Leichtbaus für die deutsche Wirtschaft und den Klimaschutz hervorhob. In den Vorträgen, den vorgestellten Projekten und den Diskussionen wurde deutlich: Leichtbau ist nicht nur eine Schlüsseltechnologie für die Automobilindustrie, sondern spielt auch in vielen weiteren Branchen eine zentrale Rolle.“ (igEL e.V.)
„Thema Nr. 1 auf dem Lightweighting Summit: Carbonbeton. Der Geschäftsführer des Hauptverband der Deutschen Bauindustrie, Tim-Oliver Müller, stellt Carbonbeton auf der Hannover Messe vor. Zuvor hob bereits der Bundeswirtschaftsminister Dr. Robert Habeck in seiner Keynote die Carbonbetonbauweise als große deutsche Innovation hervor. Die Carbonbetonbauweise benötigt bis zu 80 Prozent weniger Material und erzeugt bis zu 50 Prozent weniger CO2. Leichtbau ist und bleibt der Grundstein für eine funktionierende und dauerhafte Infrastruktur. Mehr bauen mit weniger Material und dabei noch die gesetzten Klimaziele erreichen.“ (C3 Carbon Concrete Composite e.V.)
„[…] Bundesminister Dr. Robert Habeck hob u.a. hervor, dass Leichtbau bei Stahl nicht nur für den Klimaschutz, sondern auch für Verteidigung Vorteile bringe. In der anschließenden Diskussion wurden mehrfach niedrigereEnergiepreise in Deutschland als notwendig auch über den Leichtbau hinaus angemahnt. Die innovative Stahlindustrie in Deutschland ist aggregiert unter den Top-4 Sektoren in Deutschland, die für die Hälfte der im Leichtbau generierten Wertschöpfung stehen nach Econmove GmbH. Die Stahlindustrie in Deutschland spricht sich – wie alle beim Leichtbau-Gipfel vertretenen Sektoren – für die Wiederaufnahme eines Förderprogramms Leichtbau aus. Ein Dank der Geschäftsstelle Initiative Leichtbau für die gute Organisation und Ermöglichung der Netzwerkpflege. (Henning W. Reichenbacher, Wirtschaftsvereinigung Stahl)
In ihrem Schlusswort betonte Maike Frese, Staatsrätin für Wirtschaft bei der Senatorin für Wirtschaft, Häfen und Transformation, Freie Hansestadt Bremen nochmals, dass Bremen als Industriestandort den nationalen Leichtbau weiterhin unterstützen werde. Deutschland sei ein starker Standort für den Leichtbau sei, so dass damit eine gute Basis für Innovation und Wettbewerbsfähigkeit gelegt ist.
Fazit des 6. Lightweighting Summit
„Leichtbau leben, Leichtbau denken, Leichtbau wollen“ – dieser Slogan trifft den Kern des Ergebnisses der Paneldiskussion und des gesamten 6. Lightweighting Summit. Es herrschte Konsens darüber, dass Leichtbau ein wichtiger Enabler für die nationale und internationale Wettbewerbsfähigkeit, ein Schlüssel zur Technologieführerschaft von Deutschland in wichtigen Sektoren ist. Um diese Position weiter auszubauen müssen klare Strukturen und Rahmenbedingungen geschaffen werden. Gefordert wurden insbesondere Bürokratieabbau, mehr Technologietransfer, verbesserte Netzwerkstrukturen und eine effiziente und zielgerichtete Neuauflage der Förderung. Leichtbau muss als Branche etabliert werden – von Forschung und Entwicklung über Ausbildung und Dienstleistung bis hin zu den anwendenden Industriezweigen. „Es muss Spaß machen, im Leichtbau zu arbeiten“, brachte es Dr. Anna Kleissner es auf den Punkt.
Anmerkung: Zusammen mit Claus-Peter Köth (Chefredakteur der Automobil Industrie) habe ich den 6. Lightweighting Summit moderiert. Das BMWK hat uns keine Vorgaben zu den Themen oder den Inhalten der Moderation gemacht. Der vorliegende Nachbericht wäre exakt genauso ausgefallen, wenn ich nicht einen Teil der Veranstaltung moderiert hätte.

Autor: Christine Koblmiller, Redakteurin, Gründerin, Fachjournalistin aus Leidenschaft und überzeugter Leichtbau-Fan.
Mit dem Metamagazin Leichtbauwelt.de habe ich 2018 ein neues Medienformat im B2B-Umfeld geschaffen. Leichtbauwelt ist Inspiration für Ihren Fortschritt und Wissen, wie’s leicht wird. Leichtbauwelt verlinkt, vernetzt und ordnet ein, verlagsunabhängig und transparent. Partei ergreife ich nur für den Leichtbau, von dessen Nutzen ich überzeugt bin.
Seit etwa 25 Jahren bin ich Redakteurin für technische B2B-Fachzeitschriften. Für verschiedene führende Fachmagazine habe ich als eBusiness-Projektmanager Industrie schon 2001 crossmediale Angebote eingeführt, denn die Digitalisierung aller Lebensbereiche hat Einfluss auf unser Informationsverhalten. Deshalb bin ich mir sicher, dass sich die Medienbranche wandeln muss. Mehr über mich finden Sie unter Conkomm, auf Xing oder LinkedIn.
„Leichtbau fasziniert und begeistert. Die Entwicklung von Leichtbauwelt über die letzten Jahre zeigt, dass der Markt unser Angebot braucht und gerne annimmt.“
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