Im Forschungsprojekt SimBioZe entwickeln Wissenschaftler:innen der Universität Stuttgart einen neuartigen Baustoff auf biologischer Basis. Dabei wird handelsüblicher Sand mit Urin und ureaseaktiven Bakterien versetzt. Das dabei entstehende Ammonium erhöht den pH-Wert, wodurch Calciumionen ausgefällt werden und mit Carbonationen reagieren. Es entsteht Calciumcarbonat, das die Sandpartikel miteinander verfestigt – ähnlich wie bei Sedimentgestein.

Durch gezielte Zufuhr von Harnstoff und Calciumchlorid sowie das Steuern der Bakterienaktivität ließ sich eine Druckfestigkeit des resultierenden Baustoffs von über fünfzig Megapascal erreichen. Das entspricht dem Niveau von Kalksandstein. Die dabei entstehenden Festkörper sind wasserresistent und formbar, sodass sie sich als Wandelemente oder Bodenplatten für temporäre oder dauerhafte Bauwerke eignen.

„Biobeton wird durch Biomineralisierung hergestellt. … Damit verfestigt sich das Sandgemisch zu Biobeton.“
Maiia Smirnova, wissenschaftliche Mitarbeiterin, ILEK, Universität Stuttgart

Besonders innovativ ist die Idee, Urin aus öffentlichen Einrichtungen, etwa von Flughäfen, als Ausgangsstoff zu nutzen. Parallel dazu sollen Düngemittel gewonnen werden – ein Paradebeispiel für zirkuläres Wirtschaften. Der Flughafen Stuttgart ist als Partner im Projekt eingebunden. Dort sind erste praktische Tests geplant, bei denen Biobeton-Proben in realer Umgebung evaluiert werden.

Ziel ist es, die Technologie auf industrielle Maßstäbe zu übertragen und gleichzeitig ökologische Vorteile zu erzielen – insbesondere durch Einsparung von Zement, der als klimaschädlich gilt. Die Herstellung erfordert lediglich Temperaturen unter 40 °C und keine energieintensiven Brennprozesse.

Im Projekt arbeiten Forschende der Institute ILEK (Leichtbau), ISWA (Abwasser) und IMB (Materialwissenschaft) der Universität Stuttgart zusammen. Gefördert wird die Forschung vom Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg.

Bild oben: Probe aus calciumangereichertem Urin und Sand zeigt gefertigten Biobeton (Quelle: Universität Stuttgart / ILEK / IMB / ISWA)


Auf den Punkt gebracht: 

Leichtbaubezug: Der Biobeton entsteht durch biomineralisierte Verfestigung von Sand mit Urin, wodurch ein leichter, zirkulärer Baustoff entsteht. Besonders relevant ist die mögliche Druckfestigkeit von bis zu über 50 MPa – vergleichbar mit Sandstein – trotz Nutzung von Abfallstoffen: ein Werkstoff mit Potenzial für materialeffizienten, nachhaltigen Leichtbau im Bauwesen.

Nutzwert / Learning: Ein völlig neuer Baustoff aus Sand und Abwasser mit einer hohen Druckfestigkeit und einem schlanken CO₂-Footprint adressiert zentrale Herausforderungen im Leichtbau und Umwelttechnik.

Interessant für: Techniker, Forschende, Bau- und Materialingenieure sowie Prozessverantwortliche. Für Entscheidungsträger aus Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft werden die Ergebnisse des Praxistest besonders interessant sein. Zum Einsatz könnte der neue Werkstoff es in Industriebau oder Infrastruktur kommen.


Quelle und weitere Infos: Pressemitteilung

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