Pilot oder Pause? Der Leichtbau-Check: Funktionsintegrierter Leichtbau mit Metallschaum

In einem Leichtbauwelt-Beitrag vom Juni 2020 berichteten wir über Batterie-Verkleidungen aus leichtem und stabilem Aluminium-Metallschaum, einer Gemeinschaftsentwicklung von Fraunhofer IWU und Havel Metal Foam. Es handelt sich dabei um ein hybrides Monomaterial, das leicht aber voll recyclingfähig ist.

Leichter und stabiler Metallschaum umhaust Lkw-Batterien

Fünf Jahre später haben wir beim Fraunhofer IWU nachgefragt: Was ist aus dieser Technologie geworden?

Pilot oder Pause? Der Leichtbau-Check

In dieser Rubrik greifen wir frühere Leichtbauprojekte erneut auf. Wir fragen die Verantwortlichen, wie sich ihre Ideen entwickelt haben – und zeigen, welche Chancen und Hürden in der Praxis bestehen.

Wie hat sich das Projekt entwickelt?

Die Forschenden am Fraunhofer IWU beschäftigen sich nach wie vor mit diesen Werkstoffen – geschlossenen und offenzelligen Schäumen. Im Fokus stehen dabei Entwicklungen prototypischer Anwendungen gemeinsam mit der Industrie und die Know-How-Übertragung auf dem Gebiet der Metallschäume. Ebenso geht es um das Verbessern der Fertigungstechnologien unter Beachtung technologischer, wirtschaftlicher und umweltspezifischer Aspekte.

„Geschlossenzellige Aluminiumschäume, die am Fraunhofer IWU entwickelt und gefertigt werden, sind hochinteressante Leichtbauwerkstoffe, die ein außergewöhnliches Eigenschaftspotenzial aufweisen: Sie besitzen eine höhe Schwingungsdämpfung – ideal zum Beispiel für den Einsatz in bewegten Baugruppen von Werkzeugmaschinen – und leiten Wärme sehr gut. Letzteres macht sie zu einem guten Trägerwerkstoff für Wärmespeicher zum Beispiel mit einem Phasenwechselmaterial.“
Carsten Lies, Abteilungsleiter Funktionsintegrierter Leichtbau, Fraunhofer IWU

Offenzellige Schäume – sogenannte Schwämme – werden am Instiut bevorzugt im Feinguss aus verschiedenen Metallen und Legierungen gefertigt. Der Schwerpunkt liegt dabei auf Al- und Cu-Basis, Stahl und Zinn. Die zellularen Strukturen können deshalb bezüglich ihrer Eigenschaften an viele statische und dynamische Lastfälle (mechanische Eigenschaften) und Anforderungen (z. B. Wärmeleitfähigkeit und -speicherung) angepasst werden. Dieser Bereich entwickle sich in den letzten Jahren dynamisch.

Welche Fortschritte konnten erzielt werden?

Einige, so die Forschenden. Zu unterscheiden seien dabei kundenspezifische und projektspezifische Fortschritte.

Bei den kundenspezifischen Fortschritten konnte eine breite Know-how-Übertragung auf dem Gebiet der Metallschäume national und international (Technologie und Materialkenntnis) festgestellt werden. Dazu wurden langjährig bestehender Kundenbeziehungen/Kooperationen fortgesetzt und in der logischen Folge neuer kundenspezifischer Anwendungen (z. B. Schutzumhausungen, Sicherheitscontainer, Werkzeugmaschinen-Baugruppen) in bestehenden (Werkzeugmaschinenbau, Bauwesen) und neuen Branchen (z. B. Energietechnik, Luft- und Raumfahrt) erschlossen.

Gestellbaugruppe aus Aluminiumschaum-Sandwiches mit partikelgefüllten Hohlkugeln. Die Schwingungsdämpfung ist dreifach höher als bei der Originalbaugruppe trotz 20 % Masseeinsparung. (Quelle: Fraunhofer IWU)

In Bezug auf die projektspezifischen Fortschritte konnte vor allem eine verbesserte Schwingungsdämpfung von Baugruppen aus geschlossenzelligen Aluminiumschaum durch Integration partikelgefüllter Hohlkugeln erreicht werden. Das komplette Projekt dazu werde in der kommenden Ausgabe des Jahrbuchs der Leichtbau-Inspirationen 2025/2026 unter dem Titel „Hoverlight“ vorgestellt. In einem weiteren Projekt konnte die Mikrostruktur pulvermetallurgischer Aluminiumschäume durch Mechanisches Legieren in einem Hochenergie-Kugelmahlprozess optimiert werden.

Wo steht die Technologie heute – und welches Potenzial hat sie?

Im Bereich Wissens- und Technologietransfer durch Patente und Normen sei die neue Technologie zur Herstellung schäumbarer Sandwiches weiterentwickelt und vermarktet worden. Diese Technologie wurde bereits im Jahrbuch der Leichtbau-Inspirationen 2023/2024 auf Seite 64 ausführlich vorgestellt: „Aluminiumschaum-Sandwiches (AAS) aus stranggepressten, schäumbaren Platinen“

„Derzeit arbeiten wir an den Normenanstrengungen für Zellulare Metalle intensiv mit. Das betrifft aktuell die Erarbeitung einer DIN SPEC im Rahmen eines zurzeit in der Beantragung befindlichen Forschungsprojekt mit dem Thema „Vereinheitlichte Charakterisierung und Beschreibung offenzelliger zellularer metallischer Werkstoffe unter Nutzung von Simulationsmethoden“ (Förderprogramm WIPANO)
Carsten Lies, Abteilungsleiter Funktionsintegrierter Leichtbau, Fraunhofer IWU
Abgeschlossen ist die DIN 50134:2024-07 „Prüfung von metallischen Werkstoffen – Druckversuch an metallischen zellularen Werkstoffen“

Welchen Beitrag leistet die Entwicklung zum Leichtbau?

Es genügt heute nicht mehr, allein nur Stoff- oder Strukturleichtbau zu betreiben. Die Verknüpfung des Stoff- und Strukturleichtbaus mit zusätzlichen Funktionen wie Schwingungsdämpfung, Wärmeleitung und Wärmespeicherung sind der Schlüssel, deutliche Fortschritte auf dem Gebiet der Ressourceneffizienz und Nachhaltigkeit zu erzielen.

Zusammengeführt werden diese Aktivitäten am Fraunhofer IWU im Forschungsfeld „Funktionsintegrierter Leichtbau“, dessen Ziel es ist, kundenspezifische Leichtbaulösungen zu erarbeiten.

Welche Rolle spielt Leichtbau für das Unternehmen?

Der funktionsintegrierte Leichtbau hat einen sehr hohen Stellenwert am Institut.

„In der Mehrzahl der Forschungsprojekte sind wir angehalten, aktuelle Fragen des Leichtbaus, der Ressourceneffizienz und der Nachhaltigkeit zu berücksichtigen und Lösungen zu erarbeiten, um den aktuellen Forderungen von Industrie, öffentlicher Hand und einer breiten Öffentlichkeit gerecht zu werden.“
Carsten Lies, Abteilungsleiter Funktionsintegrierter Leichtbau, Fraunhofer IWU

Unsere Einschätzung:

Funktionsintegrierter Leichtbau verbindet den eigentlichen gewichtsmindernden Werkstoff- oder Strukturansatz mit systemischen Anforderungen. Was vor wenigen Jahren noch als Zusatznutzen galt – etwa das Dämpfen, Leiten oder Speichern – rückt nun ins Zentrum industrieller Anwendungsentwicklung – wobei der Leichtbauansatz aber erhalten bleibt. Das Fraunhofer IWU zeigt mit der Weiterentwicklung der Metallschäume exemplarisch, wie sich auch der Leichtbau weiterentwickeln muss: als Antwort auf komplexe Anforderungen aus Nachhaltigkeit, Kreislaufwirtschaft und Resilienz. So wird dieser Ansatz zu einem wichtigen Impulsgeber. Die eigentliche Herausforderung bleibt aber: die Übertragung in seriennahe Produktentwicklungen – idealerweise gemeinsam mit der Industrie.

Wer ist Ansprechpartner für Rückfragen?

Carsten Lies ist für Fragen und interessierte Unternehmen per Telefon unter 03 71 / 53 97 – 19 41 oder per Mail erreichbar.

Bild oben: Aufgeschäumtes extrudiertes Material AA6060 mit 0,8 Gew.-% TiH2, hergestellt durch Mischen (a) und Hochenergiemahlen für 30 min (b) bzw. 120 min (c). (Quelle: Fraunhofer IWU)


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Leichter und stabiler Metallschaum umhaust Lkw-Batterien

 

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