Kann ein Material, das zu über 90 Prozent aus Luft besteht, die Bau- und Textilbranche nachhaltig verändern? Jens Hofer, Mitgründer von SA-Dynamics, gibt in diesem Interview als Pionier der Leichtbawelt spannende Einblicke in eine Technologie, die Leichtigkeit und Funktionalität neu definiert. Mit biobasierten Cellulose-Aerogelen schafft das Start-up eine Alternative zu Styropor – umweltfreundlich, vielseitig und industriell skalierbar. Doch wie lässt sich ein fragiler Werkstoff mit vernünftigem Aufwand technologisch und hochskaliert verarbeiten? Der Gründer verrät, warum die Haptik für das Team zum „Point of no return“ wurde.
Bild oben: Das Gründerteam – v.l. Dr.-Ing. Christian Schwotzer (CFO), Dr.-Ing. Jens Hofer (COO), Dr.-Ing. Sascha Schriever (CEO) und Maximilian Mohr (CTO) (Quelle: SA Dynamics)
Im Leichtbau sind branchen- und werkstoffübergreifende Impulse und neue Inspirationen für kreative, technologische Lösungen äußerst wertvoll. In der Serie „Pioniere der Leichtbauwelt“ kommen deshalb Gründer und Start-ups zu Wort. Hier haben sie die Möglichkeit, ihre Technologie, ihre Ideen und Visionen vorzustellen. Wenn sich so neue Partnerschaften über Unternehmens- und Branchengrenzen hinweg ergeben, dann haben wir bei Leichtbau(welt) unser Ziel erreicht: Inspiration für ihren Fortschritt.
Leichtbau betrifft nicht nur bewegte Massen. Auch im Bauwesen sind leichte, nachhaltige Materialien die Hoffnungsträger der Zukunft. Die biobasierten Aerogelfasern des noch sehr jungen Start-ups SA-Dynamics verfügen über sehr gute Dämmeigenschaften, sind leicht, langlebig, robust, vielseitig einsetzbar und durch ihre Flexibilität gut verarbeitbar. Damit sind sie vergleichbar mit Styropor, aber dennoch nachhaltig, denn das Start-up verwendet biobasierte und biologisch-abbaubare Rohstoffe.
Leichtbauwelt: Woher kommt der Name für das Unternehmen?
Jens Hofer: „SA-Dynamics“ steht für „Solid Air Dynamics“ und verkörpert unsere Mission, durch dynamische und nachhaltige Lösungen den Isolationsmarkt zu revolutionieren. Mit Solid Air spielen wir damit auf den sehr hohen Anteil an Luft in unseren Produkten an. Das können über 90 Prozent sein.
Leichtbauwelt: 90 Prozent – und woraus besteht der Rest? Anders gefragt, was hat Ihre Technologie mit Leichtbau zu tun?
Jens Hofer: Unsere Technologie verbindet die thermischen Vorteile von Aerogelen mit der Flexibilität von Textilien. Wir entwickeln leichte und biologisch abbaubare Isolationstextilien aus Cellulose-Aerogel, die hoch isolierend und dabei extrem leicht sind – ein idealer Leichtbauansatz.
Aerogele sind federleicht, hochporös und hochdämmend – ein haptisch wie wärmeschutztechnisch spannendes Material. Meist in Form kleiner, oft weißer Kugeln erinnern sie an Zuckerperlen, die werden sie zusammengedrückt, zu kaum sichtbarem weichem Staub zerfallen. Aufgrund ihrer nanoporösen Struktur und Modellierbarkeit werden Aerogel-Dämmstoffe bereits seit einigen Jahren in der Baubranche genutzt. […] Was die Kügelchen so leicht macht, ist ihr enorm hoher Luftanteil. Er liegt bei weit über 90, teilweise sogar bei bis zu 99,8 Prozent. Die Luft wird von einer feinen und zugleich festen Struktur umgeben, ähnlich einem Schwamm. Die Poren in der Struktur der Kügelchen sind so klein, dass sich die Luftmoleküle kaum bewegen können. Es findet also nahezu kein Wärmetransport statt. Prinzipiell kann die offenporige Struktur aus allem hergestellt werden, was sich gelieren lässt. Bisher verwendet werden zum Beispiel Silicate, Kunststoffe oder Metalloxide. Mittlerweile wurden auch Aerogele auf Basis von Lignin entwickelt, einem Stoff, der bei der Verarbeitung von Holz zu Papier anfällt. (Quelle: Baunetzwissen)
Leichtbauwelt: Wie ist die Idee dazu entstanden und welchen Weg nahm die Entwicklung?
Jens Hofer: Ihr Ursprung liegt in langjähriger Forschung am Institut für Textiltechnik (ITA) und im Drang, der Textilindustrie eine umweltfreundliche Alternative zu erdölbasierten Materialien zu bieten. Durch interdisziplinäre Kooperationen innerhalb und außerhalb der RWTH Aachen entstand ein zum Patent angemeldeter Prozess, der es ermöglicht, nachhaltige Isolationstextilien mit Aerogel-Eigenschaften zu produzieren.
Leichtbauwelt: Können Sie uns das Besondere Ihrer Technologie in wenigen Sätzen erklären?
Jens Hofer: Wir bieten eine vollständig biobasierte und bioabbaubare Isolationslösung, die dank eines innovativen Herstellungsprozesses maximale Wärmedämmung bei minimalem Gewicht und bester Verarbeitbarkeit auf herkömmlichen Maschinen vereint.
Leichtbauwelt: Was ist daran technologisch besonders interessant?
Jens Hofer: Unsere Textilien bestehen zu 100 Prozent aus Cellulose-Aerogel, was sie leicht, flexibel und einfach zu verarbeiten macht. Diese Kombination in industrieller Skalierung anzubieten, war vorher nicht möglich.
„Wir bieten eine biobasierte Isolationslösung, die maximale Wärmedämmung und minimales Gewicht vereint.“
Leichtbauwelt: Worin sehen sie den größten Nutzen für Ihre Kunden?
Jens Hofer: Für Bau- und Textilunternehmen bedeutet unsere Technologie eine signifikante Reduktion an CO₂-Emissionen und eine umweltfreundliche Alternative, die gegenüber herkömmlichen Isolationsmaterialien keine Mikroplastik freisetzt. Zudem bietet die Flexibilität des Materials aufgrund der Faser ganz neue Anwendungsmöglichkeiten im Vergleich zu Granulaten oder Platten.
Leichtbauwelt: Welchen Beitrag leistet Ihre Technologie zum Klimaschutz ?
Jens Hofer: Unsere Produkte basieren auf nachwachsenden Rohstoffen und vermeiden Mikroplastik, was zur Reduzierung von CO₂-Emissionen beiträgt und gleichzeitig fossile Rohstoffe ersetzt..
Leichtbauwelt: Wird dieser Beitrag von den Anwendern gesehen und geschätzt?
Jens Hofer: Ja, das Bewusstsein für nachhaltige Materialien steigt und wir haben bereits Pilotkunden, die sich von den Umwelt- und Performancevorteilen unserer Produkte überzeugen konnten.
Leichtbauwelt: Kennen Sie den CO2-Footprint Ihres eigenen Unternehmens?
Jens Hofer: Wir legen Wert auf eine umfassende Nachhaltigkeitsstrategie inklusive CO₂-Bilanzierung entlang der gesamten Wertschöpfungskette und setzen auf minimalen Chemikalieneinsatz, Recycling und Kreislaufwirtschaft. Da wir auf die Bewilligung eines EXIST-Forschungstransferprojekts hoffen, haben wir bisher noch nicht firmiert. Dies steht aber in der nahen Zukunft an.
Leichtbauwelt: Wie ist Ihr Start-up aufgestellt?
Jens Hofer: Unsere Struktur ist schlank und effizient, mit einer klaren Aufgabenverteilung der Gründer, unterstützt durch ein Netzwerk aus Industriepartnern und Mentoren.
Leichtbauwelt: Wann wussten Sie, dass aus dieser Idee ein Unternehmen werden könnte? Gab es so etwas wie einen „Point of no return“?
Jens Hofer: Der Erfolg unseres neuartigen Herstellungsprozesses und die ersten Pilotkunden signalisierten uns, dass der Markt für eine solche Innovation bereit ist. Als wir erstmals flexible Aerogel-Textilien in der Hand halten konnten, war uns die Auswirkung und das Potential sofort bewusst – dies war unser „Point of no return“.
Leichtbauwelt: Wer hat Sie bei der Firmengründung unterstützt? Und wie lief diese ab?
Jens Hofer: Unsere Gründung wurde stark durch das Gründerökosystem an der RWTH Aachen unterstützt. Insbesondere Programme wie das Ideation- und Incubation-Programm der RWTH haben uns in den frühen Phasen unterstützt. Derzeit nehmen wir am HighTech.NRW-Programm teil, das uns in sämtlichen für die Gründung relevanten Bereichen wertvolle Unterstützung bietet, von strategischen Entscheidungen bis hin zur operativen Umsetzung. Diese Programme und Netzwerke haben uns entscheidend geholfen, unsere Idee erfolgreich in ein Startup umzusetzen und eine solide Grundlage für unser zukünftiges Wachstum zu legen.
Leichtbauwelt: Wie ergänzen Sie sich im Gründerteam?
Jens Hofer: Jedes Teammitglied bringt spezifische Kompetenzen ein – von strategischem Denken bis zur technischen Detailarbeit – und teilt die Vision einer nachhaltigen Industrieumgestaltung. Auch wenn wir auf dem Papier teilweise ähnliche Kompetenzen oder Hintergründe aufweisen, bringen wir alle komplementär aufgestellte Persönlichkeiten und Interessen mit, die sich sehr gut ergänzen und zu einer effektiven Zusammenarbeit führen.
Leichtbauwelt: Welche weiteren Entwicklungen planen Sie?
Jens Hofer: In der Pipeline sind zusätzliche Produktausführungen für extreme Temperaturbereiche sowie skalierbare Lösungen für die Luft- und Raumfahrt sowie die Automobilindustrie.
Leichtbauwelt: Wo sehen Sie Ihr Unternehmen mittelfristig?
Jens Hofer: Wir streben an, Marktführer im Bereich biobasierter Isolationstextilien zu werden und planen, eine industrielle Produktion zeitnah aufzubauen, um europaweit signifikante Marktanteile zu erobern.
„Unsere Aerogel-Technologie bietet noch großes Potenzial für Luft- und Raumfahrt sowie die Automobilindustrie.“
Leichtbauwelt: Für welche Branchen könnte ihre Idee über die bisherigen Anwendungen hinaus nützlich sein?
Jens Hofer: Unsere Aerogel-Technologie bietet großes Potenzial für die Luft- und Raumfahrt, die Automobilindustrie und den Hochtemperaturbereich. Die extremen Isolationseigenschaften, das geringe Gewicht und die flexible Verarbeitbarkeit machen sie ideal für Anwendungen, in denen maximale Effizienz und Gewichtsreduktion gefordert sind. Die Fähigkeit, bei hoher Belastung thermische Isolation zu gewährleisten, prädestiniert unsere Technologie für zahlreiche Herausforderungen in diesen Branchen.
Leichtbau ist für mich persönlich …
~… eine Schlüsseltechnologie für eine nachhaltigere Zukunft.
Die größte Herausforderung im Leichtbau ist …
~… die Balance zwischen Leistung und Nachhaltigkeit.
Der wichtigste Trend im Leichtbau ist aktuell …
~… der Übergang zu biobasierten Materialien.
Leichtbauwelt: Gibt es auch Einschränkungen? Für welche Anwendungen lässt sich Ihre Idee (noch) nicht einsetzen oder wo müsste ihr Nutzen erst evaluiert werden?
Jens Hofer: Ja, unsere Technologie befindet sich noch in der Skalierungsphase und derzeit bestehen Grenzen hinsichtlich der Produktionskapazität. Zudem sind weitere Tests erforderlich, um die Materialleistung bei extremen Temperaturen und speziellen chemischen Bedingungen zu verifizieren. Langfristig planen wir jedoch, diese Einschränkungen durch gezielte Forschung und Entwicklung zu überwinden.
Leichtbauwelt: Gab es in der kurzen Zeit, die Sie mit Ihrem Unternehmen am Markt sind, schon außergewöhnlich spannende Projekte oder eine Lösung, auf die Sie besonders stolz sind?
Jens Hofer: Eine der größten Herausforderungen war es, ein Material, das von Natur aus sehr spröde und zerbrechlich ist – Aerogel besteht zu etwa 90 % aus Luft und nur 10 % Feststoff –, so zu entwickeln, dass es in der Praxis verarbeitbar wird. Dies erforderte innovative Ansätze in der Materialstabilisierung und Prozessgestaltung, damit das Aerogel trotz seiner Zerbrechlichkeit flexibel und widerstandsfähig genug für den Einsatz in textilen Anwendungen ist. Durch gezielte Anpassungen im Herstellungsprozess konnten wir dieses Ziel erfolgreich erreichen und damit die Grundlage für eine industrielle Verarbeitbarkeit legen.
Leichtbauwelt: An welchen Hindernissen sind Sie in den letzten Jahren gewachsen? Gab es dabei ein besonderes Ereignis, eine wichtige Phase?
Jens Hofer: Die Arbeit am EXIST-Forschungstransfer war für uns ein entscheidender Wendepunkt. Sie stellte uns vor Herausforderungen das an sich sehr komplexe Thema bestmöglich herunter zu brechen, ein funktionierendes Businessmodell zu erarbeiten und verlangte viel Anpassungsfähigkeit. Diese intensive Entwicklungsphase hat uns als Team gestärkt und die Grundlage für eine nachhaltige Unternehmensvision geschaffen.
Leichtbauwelt: Welche drei wichtigsten Tipps würden Sie all denjenigen mitgeben, die gründen wollen?
Jens Hofer:
- Sucht euch starke Partner und Mentoren, die eure Vision teilen und unterstützen.
- Fokussiert euch auf nachhaltige Geschäftsmodelle, die langfristig bestehen können.
- Seid bereit, Fehler als Wachstumschancen zu sehen und daraus zu lernen – die Anpassungsfähigkeit entscheidet über den Erfolg.
Leichtbau und Mobilität …
~… sind untrennbar verbunden, um emissionsfreie Lösungen zu ermöglichen.
Leichtbau im Bauwesen …
~… bietet enormes Potenzial, um Ressourcen zu schonen und Energieeffizienz zu steigern.
Leichtbau ist eine Schlüsseltechnologie für den Klimaschutz, weil …
~… weniger Materialverbrauch und bessere Energieeffizienz die CO2-Emissionen nachhaltig senken.
Dieses Interview für Leichtbauwelt ist mir wichtig, …
~… es die Vision einer nachhaltigeren Industrie mit einer breiten Öffentlichkeit teilt.
Leichtbauwelt: In welcher Branche oder in welchen Produkten entfaltet Ihrer Ansicht nach Leichtbau den größten Nutzen?
Jens Hofer: Leichtbau zeigt in zahlreichen Branchen enormes Potenzial, insbesondere in der Mobilität, wie etwa im Automobil-, Luft- und Raumfahrtsektor, wo jede Gewichtsreduktion zu erheblicher Energieeinsparung führt.
Auch im Bauwesen entfaltet Leichtbau großen Nutzen: Leichtere Materialien ermöglichen es, Bauwerke ressourcenschonender und effizienter zu gestalten und den CO₂-Ausstoß sowohl bei der Herstellung als auch beim Transport zu senken. Zudem bietet Leichtbau in der Medizintechnik Vorteile, indem er leichtere, patientenfreundlichere Geräte und Prothesen ermöglicht. Generell gilt, dass Leichtbau überall dort entscheidend ist, wo Gewichtseinsparungen zur Verbesserung von Leistung und Nachhaltigkeit beitragen.
Leichtbauwelt: Welche Branchen oder Trends treiben nach Ihrer Erfahrung die Entwicklungen im Leichtbau voran?
Jens Hofer: Die Textil- und Bauindustrie treiben den Leichtbau stark voran, vor allem aufgrund zunehmender Anforderungen an nachhaltige und effiziente Materialien. Auch Trends wie Elektromobilität und Raumfahrt fördern Leichtbau-Innovationen, da hier Materialien mit hoher Effizienz und minimalem Gewicht entscheidend sind.
Leichtbauwelt: Hatten die turbulenten letzten Jahre Auswirkungen auf Ihren Start als Unternehmen? Wenn ja, welche?
Jens Hofer: Nein, da wir erst in kürze firmieren werden. Doch die Startup/Investorenszene war stark eingebrochen und erholt sich momentan langsam. Aber tatsächlich gibt es einen Trend hin zu Hardtech Unternehmen, zu denen wir zählen und entsprechend davon profitieren können.
Leichtbauwelt: Lassen Sie uns ein bisschen träumen: Wenn Sie einen Wunsch für den Leichtbau und Ihr Unternehmen frei hätten, was würden Sie sich wünschen?
Jens Hofer: Wir wünschen uns eine Welt, in der nachhaltige und klimafreundliche Materialien zur Norm in jeder Industrie werden und wo biobasierte Lösungen wie unsere Cellulose-Aerogeltextilien fossile Alternativen vollständig ersetzen.
Kontakt zu Jens Hofer:
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