Wie lässt sich die Qualität additiv gefertigter Leichtbauteile kostengünstig sicherstellen? Genau diese Herausforderung adressiert amsight mit einer datengetriebenen Software zur automatisierten Qualitätssicherung im industriellen 3D‑Druck. Die Lösung verspricht nicht nur hohe Effizienzgewinne im Qualitätsmanagement und niedrigere Kosten, sondern auch messbare Nachhaltigkeitsvorteile – zum Beispiel durch eine geringere Ausschussrate. Warum datenbasierte QM‑Software im 3D‑Druck jetzt ein Gamechanger sein kann und wie man Hindernisse für Existenzgründer elegant nehmen kann, erzählt Tim Wischeropp im Interview als Pionier der Leichtbauwelt.
Bild oben: v.l.: Das Gründerquartett Peter Lindecke (CCO), Raoul Dittmann (CTO), Simon Schauss (CTO) und Tim Wischeropp (CEO) (Quelle: amsight)
Im Leichtbau sind branchen- und werkstoffübergreifende Impulse und neue Inspirationen für kreative, technologische Lösungen äußerst wertvoll. In der Serie „Pioniere der Leichtbauwelt“ kommen deshalb Gründer und Start-ups zu Wort. Hier haben sie die Möglichkeit, ihre Technologie, ihre Ideen und Visionen vorzustellen. Wenn sich so neue Partnerschaften über Unternehmens- und Branchengrenzen hinweg ergeben, dann haben wir bei Leichtbau(welt) unser Ziel erreicht: Inspiration für ihren Fortschritt.
Das junge Unternehmen amsight steht für einen datenbasierten Ansatz zur Qualitätssicherung im industriellen 3D‑Druck — einem Fertigungsprozess, der im Leichtbau zunehmend an Bedeutung gewinnt, aber zugleich komplexe Herausforderungen an Prozesssicherheit und Effizienz stellt. Die Software dieses Pioniers der Leichtbauwelt nutzt für die Qualitätssicherung eine automatisierte Datenerfassung und KI‑gestützte Analysen. Im Interview mit Leichtbauwelt erläutert Tim Wischeropp, wie aus jahrelanger 3D‑Druck‑Forschung bei Fraunhofer eine Unternehmensidee wurde. Das Ziel: Qualitätsmanagement‑Kosten um mehr als fünfzig Prozent senken und den Ausschuss um bis zu achtzig Prozent reduzieren.
Leichtbauwelt: Was macht amsight zu einem Pionier der Leichtbauwelt?
Tim Wischeropp: Der 3D-Druck ermöglicht durch seine unerreichte Gestaltungsfreiheit Leichtbaustrukturen, die üblicherweise 20 bis 30 Prozent weniger Gewicht haben als konventionell gefertigte Bauteile. Wir entwickeln eine Software zur Qualitätssicherung dieser leichten Bauteilen aus dem industriellen 3D-Druck.
Leichtbauwelt: Qualitätssicherung ist ein weites Feld. Was genau steckt dahinter? Und erzählen Sie uns, wie die Idee dazu entstanden ist?
Tim Wischeropp: Gemeinsam mit meinen Mitgründer Peter und Raoul habe ich jahrelang in der angewandten Forschung zum industriellen 3D-Druck bei Fraunhofer gearbeitet. In unseren Projekten haben wir immer wieder gemerkt, dass die Qualitätssicherung in der Fertigung extrem aufwändig und teuer ist. Gründe sind dafür hohe manuelle Aufwände und hoher Ausschuss. Durch unsere Software können wir das Qualitätsmanagement automatisieren und Prozesse datenbasiert optimieren, sodass wir die Kosten im Qualitätsmanagement teilweise um mehr als 50 Prozent reduzieren können.
„Wir können die Kosten im Qualitätsmanagement um mehr als 50 Prozent reduzieren.“
Tim Wischeropp, amsight
Leichtbauwelt: Was ist das Besondere an Ihrer Software? Für QM-Software gibt es doch einige – auch etablierte – Anbieter.
Tim Wischeropp: Das ist richtig – auf den ersten Blick. Für die klassische Fertigung gibt es eine Reihe etablierter QM-Software – diese funktioniert allerdings für den komplexen industriellen 3D-Druck nicht, da dieser spezielle Anforderungen und Herausforderungen hat.
Leichtbauwelt: Mit welcher Idee lösen Sie diese Herausforderungen?
Tim Wischeropp: Unsere Innovation besteht darin, dass wir als einzige Softwarelösung am Markt alle Qualitätsdaten, die im 3D-Druck entstehen, in einer Software zusammenführen. Diese Daten nutzen wir mit Hilfe von statistischen Methoden und dank KI in unserem integrierten Daten-Analyse-Tool. So können wir datenbasiert die Fertigung hinsichtlich Qualität, Kosten und Zeit optimieren. Grundlage für die Entwicklung war unser Prozess-Know-how, welches wir über Jahre bei Fraunhofer gesammelt haben.
Leichtbauwelt: Worin sehen Sie den größten Nutzen – für Ihre potenziellen Kunden?
Tim Wischeropp: Die Kunden können Ihr Qualitätsmanagement automatisieren, da wir mit unserer Software Daten, die heute händisch dokumentiert werden, automatisch aufnehmen. Das funktioniert, indem wir beispielsweise relevante Bauteilinformationen direkt von den 3D-Druckern oder der Qualitätsprüfung auslesen. Zusätzlich können wir datenbasiert die Qualität und Kosten optimieren. Viele unsere Kunden reduzieren dadurch ihre Qualitätsmanagement-Kosten um über 50 Prozent.
Leichtbauwelt: Welchen Beitrag können Sie mit Ihrer Technologie zum Klimaschutz leisten?
Tim Wischeropp: 3D-Druck ist eine sehr ressourcenschonenden Fertigungstechnologie. Mit unserer Software helfen wir dabei, den 3D-Druck weiter zu industrialisieren und dadurch mehr Anwendungen zu ermöglichen. Zusätzlich reduzieren wir den Ausschuss um bis zu 80 Prozent, was zusätzliche CO2-Einsparungen mit sich bringt.
Leichtbauwelt: Wird dieser Beitrag von den Anwendern gesehen oder gar geschätzt?
Tim Wischeropp: Auf jeden Fall – insbesondere, da er auch mit einer Kostenersparnis einherkommt.
Leichtbauwelt: Woher kommt der Name für das Unternehmen?
Tim Wischeropp: amsight setzt sich aus den Namensbestandteilen ‚AM‘, was für Additive Manufacturing (3D-Druck), steht und ‚insight‘ zusammen – ein Hinweis auf unsere datenbasierten ‚Insights‘. Wir wollen damit verdeutlichen, dass wir ‚Insights‘ zur Qualitäts- und Kostenoptimierung aufdecken, die ohne unsere Software nicht aufgedeckt werden können.
Leichtbauwelt: Wie groß ist Ihr Team heute und wie organisieren Sie sich intern?
Tim Wischeropp: Wir sind derzeit zehn Mitarbeiter und arbeiten hybrid. Das heißt wir arbeiten viel aus dem Home-Office, aber treffen uns auch mindestens einmal pro Woche als gesamtes Team in unserem Büro.
Leichtbauwelt: Gab es einen Moment, einen Zeitpunkt, zu dem Sie wussten: Jetzt wird aus einer Idee ein Unternehmen?
Tim Wischeropp: Die Idee ein Unternehmen zu gründen entstand bereits 2020. Doch durch Corona hat sich die Gründung etwas verzögert. Der Point of No Return kann am Ende mit dem Bewilligungsbeschied vom EXIST-Gründerstipendium. Da war uns allen klar, dass es jetzt wirklich losgeht.
„Wir reduzieren den Ausschuss um bis zu 80 Prozent“
Tim Wischeropp, amsight
Leichtbauwelt: Wer hat Sie bei der Firmengründung unterstützt? Und wie lief diese Unterstützung ab?
Tim Wischeropp: Wir haben im Jahr 2023 ein EXIST Gründerstipendium bekommen. Nur durch das Stipendium konnten wir den Start unserer Firma finanzieren. Wir hatten dabei sehr intensive und gute Unterstützung durch das StartUp Port @ TUHH. Aber auch Fraunhofer hat uns bei der Ausgründung unterstützt. Durch das Gründerstipendium und StartUp Port haben wir im ersten Jahr intensives Coaching und Unterstützung bekommen, was uns bei all den rechtlichen und inhaltlichen Fragenstellungen rund ums Gründen und der Geschäftsmodell-Entwicklung sehr geholfen hat.
Leichtbauwelt: Wie ergänzen Sie sich als Gründerteam in Ihren Kompetenzen?
Tim Wischeropp: In Gründerteam haben wir über 25 Jahre Erfahrung im industriellen 3D-Druck, über 15 Jahre Erfahrung in der Softwareentwicklung und über zehn Jahre Erfahrung im Vertrieb und Management. Die Erfahrung verteilt sich auf die unterschiedlichen Schultern – weshalb wir uns im Team gut ergänzen. Zusätzlich haben wir durch Einstellungen in diesem Jahr noch wertvolle Expertise im Bereich Datenanalyse, Vertrieb und Softwareentwicklung aufbauen können.
Leichtbauwelt: Wo wird die Reise Ihrer Technologie hinführen?
Tim Wischeropp: Wir möchten unsere Software im kommenden Jahr noch ‚intelligenter‘ machen, sodass der manuelle Aufwand zur Datenanalyse reduziert wird. Ziel ist, dass die Software automatisch Verbesserungspotentiale für Herstellungsprozess und Bauteil mitteilt.
Leichtbau ist für mich persönlich …
~… nie ein Selbstzweck, sondern muss immer der Anwendung gerecht werden.
Die größte Herausforderung im Leichtbau ist …
~… kostenoptimal zu fertigen.
Der wichtigste Trend im Leichtbau ist aktuell …
~… der 3D-Druck 😉.
Leichtbau und Mobilität …
~... passen perfekt zusammen.
Leichtbau im Bauwesen …
~… ist insbesonder aus Sicht der Nachhaltigkeit wichtig.
Leichtbauwelt: Wo sehen Sie Ihre Technologie oder Ihr Unternehmen mittelfristig?
Tim Wischeropp: Wir möchten der Industriestandard für Qualitätsmanagement im 3D-Druck sein – quasi das SAP für das Qualitätsmanagement im industriellen 3D-Druck.
Leichtbauwelt: Für welche Branchen ist ihre Technologie besonders interessant – und warum?
Tim Wischeropp: Den größten Mehrwert liefern wir für 3D-Druck Anwendungen in Branchen mit hohem Qualitätsanspruch – also beispielsweise in Medizintechnik, Luft- und Raumfahrt oder im Halbleiterbereich.
Leichtbauwelt: Aber die Technologie hat doch sicher auch Grenzen?
Tim Wischeropp: Wenn man einfach nur Prototypen fertigen möchte, ist unsere Software wahrscheinlich nicht notwendig. Unser Fokus liegt auf der Optimierung für die Fertigung sicherheitskritischer Bauteile.
Leichtbauwelt: Können Sie ein besonders herausforderndes Projekt schildern, das Ihnen in Erinnerung geblieben ist?
Tim Wischeropp: Die größte Herausforderung lag zu Anfang darin, die ersten Referenzkunden zu bekommen und dadurch Sichtbarkeit und Glaubwürdigkeit am Markt zu erhalten. Seit wir in allen Zielbranchen erste Kunden haben, merken wir, wie das bei der Akquise neuer Kunden extrem hilft.
Leichtbauwelt: Was sind Ihre größten Hürden im Alltag – von der Akquise bis zur Projektabwicklung?
Tim Wischeropp: Die größte Herausforderung ist die Implementierung der Software, da es im 3D-Druck an Standards- und geeigneten Schnittstellen fehlt. Das ist insbesondere bei älteren Anlagen immer wieder eine Challenge. Aber mit unserer zunehmenden Erfahrung bekommen wir die Softwareintegration mittlerweile meist innerhalb weniger Tage hin.
Leichtbauwelt: Welche einschneidenden Phasen haben Sie in den letzten Jahren geprägt oder sogar gestärkt?
Tim Wischeropp: Am meisten haben wir aus den Projekten gelernt, die NICHT gekommen sind. Da ist es wichtig zu hinterfragen: Warum hat sich ein Kunde gegen uns entschieden? Was müssen wir besser machen? Oder war es eventuell auch der falsche Kunde?
Leichtbauwelt: Welche drei Tipps geben Sie Gründerinnen und Gründern, die im technischen Umfeld starten wollen?
Tim Wischeropp:
- Das Schwierigste ist es in die Umsetzung zu kommen. Am Ende heißt es: ‚Einfach machen!‘.
- Die Erfahrungen, die man bei einer Gründung sammelt, kann einem keiner mehr nehmen. Diese wird für jeden Job in der Zukunft wertvoll sein – selbst wenn man am Ende mit der Gründung nicht erfolgreich sein wird.
- Und wichtig: Es wird immer Rückschläge geben. Davon darf man sich nicht verunsichern lassen. Rück- und Fehlschläge sind wertvolle ‚Learnings‘ und sind auch als solche positiv zu sehen.
Leichtbauwelt: Gibt es eine aktuelle Leichtbau-Innovation, die Sie besonders begeistert?
Tim Wischeropp: Da gibt es zu viele, um sie hier zu nennen. Aber mich faszinieren am Ende am meisten die echten Serienanwendungen von 3D-Druck – und nicht die Showcases auf den Messen. Häufig sind das kleine und auch ‚langweilige‘ Komponenten. Aber gerade da kann der 3D-Druck einen echten Mehrwert liefern, da die Bauteile deutlich schneller oder günstiger hergestellt werden können.
Leichtbau ist eine Schlüsseltechnologie für den Klimaschutz, weil …
~ … es nicht nur Material spart, sondern bei vielen Anwendungen auch Energieeinsparungen in der Nutzung ermöglicht.
Das Interview für Leichtbauwelt ist mir wichtig, weil …
~ … um die Bedeutung von 3D-Druck für den Leichtbau hervorzuheben.
Die Informationsplattform Leichtbauwelt bietet Inspiration, weil …
~… es die unterschiedlichsten Aspekte und ‚Welten‘ des Leichtbaus zusammenbringt.
Leichtbauwelt: In welchen Branchen und Anwendungen sehen Sie aktuell das größte Potenzial für Leichtbau?
Tim Wischeropp: Eindeutig überall dort, wo Gewichtseinsparung Vorteile bringt. Also im High-Performance Bereich – Rad, Formel 1 – oder Luft- und Raumfahrt. Dabei ist der Treiber aktuell für mich ganz klar die Raumfahrt. Die Anzahl und Qualität der Innovationen in den letzten Jahren durch die Privatisierung der Raumfahrt für Innovationen ist unglaublich. Angefangen von bionisch optimierten ‚Haltern‘ bis hin zu neuartigen Triebwerken die erst durch 3D-Druck und Leichtbau möglich werden.
Leichtbauwelt: Gibt es aus Ihrer Sicht ein „bestes“ Leichtbaumaterial – oder setzt sich der Materialmix durch?
Tim Wischeropp: Ich glaube all die Materialien haben Ihre Berechtigung und es kommt immer auf den Einsatz an. Spannend finde ich aber, dass Stahl immer mehr auch als Leichtbauwerkstoff Verwendung findet, obwohl dieser Werkstoff ja eigentlich eine hohe Dichte mitbringt. Aber durch die Entwicklung von Hochleistungsstählen gibt es auch dafür sehr spannende Anwendungen.
Leichtbauwelt: Lassen Sie uns ein bisschen träumen: Wenn Sie einen Wunsch für die Zukunft des Leichtbaus oder Ihres Unternehmens frei hätten – welcher wäre das?
Tim Wischeropp: Dass der 3D-Druck DIE Schlüsseltechnologie für den Leichtbau der Zukunft wird.

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