PIAE 2019: Warum Leichtbau auch in der E-Mobilität wesentlich bleibt

2018 war auf der PIAE Plastics in Automotive Engineering in Mannheim bereits herauszuhören, dass sich die Einschätzung des Themas Leichtbau verändert: Vom Ziel zur Voraussetzung war mein Eindruck. Die diesjährige Veranstaltung bestätigte das – und ging einen Schritt weiter.

Denn im Fokus der PIAE 2019 stand – wie sollte es derzeit anders ein – die Elektromobilität. Veränderte Anforderungen an die Werkstoffe durch die Elektrifizierung des Antriebsstrang treffen auch und ganz besonders die Kunststoffindustrie. Flammschutz, günstige elektrische Eigenschaften und Wärmeleitung sind die neuen Herausforderungen an die Kunststoffhersteller, will man vom E-Mobility-Trend profitieren.

Der Leichtbau fand in den Gesprächen, Vorträgen und Produktpräsentationen der Unternehmen dennoch statt. Eigentlich seltsam, wird er doch in so mancher Veröffentlichung im Kontext E-Mobility als überschätzt, gar überflüssig dargestellt?

Dr. Axel Tuchlenski (Quelle: VDI Wissensforum)

„Im Zuge der Elektrifizierung des Automobils wird der Leichtbau immer öfter in Frage gestellt mit dem Argument, dass durch die Rekuperation die Gesamtmasse des Fahrzeuges scheinbar weniger Einfluss auf die Verbrauchswerte hat. Diese Annahme wäre aber nur dann richtig, wenn die Energierückgewinnung verlustfrei wäre, was technisch prinzipiell nicht umsetzbar ist. Das bedeutet, dass die Masse des Fahrzeugs nach wie vor möglichst klein gehalten werden muss. “
(Dr. Axel Tuchlenski, Leiter Produkt- und Anwendungsentwicklung, Lanxess Deutschland)

Ganz so einfach ist es dann offenbar doch nicht. Denn außer der Energieeffizienz, auf die das Gesamtgewicht des Fahrzeugs auch bei einem E-Antrieb durchaus einen Einfluss hat (wenn auch etwas geringer als beim Verbrennungsmotor), gibt es andere „Nebeneffekte“ des Leichtbaus, die ihn für eine nachhaltige Mobilität unverzichtbar machen.

„Darüber hinaus bietet ein leichtes Fahrzeug immer mehr Agilität, insbesondere, wenn man an die erreichbaren Querbeschleunigungen bei Kurvenfahrten denkt. Somit bleibt der Leichtbau auch in Zukunft ein zentrales Entwicklungsthema.“
(Dr. Axel Tuchlenski, Leiter Produkt- und Anwendungsentwicklung, Lanxess Deutschland)

Weiterhin ist der verminderte Reifenabrieb (Feinstaubbelastung) ein gewichtiger Grund für leichtere Fahrzeuge. Um aber dem Nachhaltigkeitsgedanken Rechnung zu tragen, dürfen Leichtbaulösungen nicht nur auf wenig Gewicht getrimmt sein, sondern müssen viele Aspekte, von der Gebrauchsoptimierung bis hin zum Recycling am Lebensende der Produkte berücksichtigen.

Daher ist es umso wichtiger, dass der Leichtbau an sich nicht auf bestimmte Werkstoffe beschränkt ist. Vielmehr lassen sich gewichtsoptimierte Lösungen meist besser durch eine ideenreiche Kombination unterschiedlicher Materialien erreichen, die aber dennoch recycelbar sein sollten. Die Rede ist vom Hybriden Leichtbau.

Univ.-Prof. Dr.-Ing. Prof. h. c. Klaus Dilger (rechts) (Quelle: VDI Wissensforum)

„Während noch vor einigen Jahren der Leichtbau verstärkt im Vordergrund stand, ist heute leicht eine zwar wesentliche aber eben nur eine Eigenschaft, die der Gebrauchsoptimierung von Produkten zugrunde liegt.“
(Univ.-Prof. Dr.-Ing. Prof. h. c. Klaus Dilger, Leiter Institut für Füge- und Schweißtechnik, TU Braunschweig und 1. Vorsitzender des Vorstands, Open Hybrid LabFactory e.V.)

Für Prof. Dilger steht die Funktionsintegration bei der Gebrauchsoptimierung von Produkten heute im Vordergrund. Und dabei haben Kunststoffe und Kunststoffverbundwerkstoffe materialbedingte Vorteile, die sich auf die Herstellprozesse auswirken.

Was dabei außer Acht blieb: Funktionsintegration ist ebenfalls Leichtbau, denn wenn ich die Funktion zweier Bauteile zusammenfassen kann, benötige ich eines davon nicht mehr und spare so Material und Gewicht.

Der Leichtbau – nicht als Technologie, sondern als Denkweise in der Entwicklung ressourceneffizienter und gebrauchsoptimierter Produkte mit einem leichten Footprint – wird meines Erachtens deshalb nach wie vor unterschätzt. Das zeigte auch die PIAE 2019. Fokussiert auf die neuen Herausforderungen durch die Elektromobilität, präsentierte sie den gereiften Leichtbau in einem Atemzug mit Sicherheit und Wirtschaftlichkeit als eine der Grundvoraussetzungen der Fahrzeuge von morgen.

Die PIAE 2020 findet am 25. und 26. März 2020 in Mannheim statt.

Bild oben: Kunststoffe müssen als Materialien für die Elektromobilität andere Eigenschaften betonen als bisher: Flammschutz und Wärmeleitung sowie elektrische Eigenschaften werden wichtiger (Quelle: VDI-Wissensforum)


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Christine Koblmiller

Autor: Christine Koblmiller, Redakteurin, Gründerin, Fachjournalistin aus Leidenschaft

Mit dem Metamagazin Leichtbauwelt.de hat sie 2018 den Schritt in die Selbständigkeit gewagt und mit Leichtbauwelt ein neues Medienformat geschaffen, das sie zum Erfolg führen wird.
Christine Koblmiller ist seit 1995 Redakteurin für technische B2B-Fachzeitschriften. Für diese Fachmagazine der SVHFI (Süddeutscher Verlag Hüthig Fachinformation), der Fachinformations-Tochter des Süddeutschen Verlages, hat sie als eBusiness-Projektmanager Industrie den Online-Bereich maßgeblich mitgestaltet und schon im Jahr 2001 crossmediale Angebote eingeführt. Mehr über Christine Koblmiller unter Conkomm, auf Xing oder LinkedIn.

„Leichtbau fasziniert und begeistert Techniker. Ich bin überzeugt davon, dass der Markt für ein Angebot wie Leichtbauwelt.de reif ist.“

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