Wiederverwendbare Carbonbeton-Platten erstmals im Hochbau

Gebäude am Computer planen, entwerfen und konstruieren – und auf der Baustelle mit filigranen, belastbaren Fertigelementen nach dem Legoprinzip errichten. Was klingt wie Zukunftsmusik für das Bauwesen, wurde in Winterthur jetzt Realität: der 120 Quadratmeter grosse Pavillon beherbergt ein Innovationslabor als Informations- und Veranstaltungsort für nachhaltiges Bauen.

„Unser Bausystem aus Carbonbeton funktioniert ähnlich wie Lego, aber wie eine moderne Version davon, mit massgeschneiderten Bauteilen. Dadurch ergeben sich viel kürzere Bauzeiten, was vor allem ein Vorteil für städtische Baustellen ist.“
Josef Kurath, Forscher an der ZHAW

Die Fertigelemente für den Hochbau bestehen aus Carbonfaser-verstärkten Betonplatten und werden bereits in der Fabrik gefertigt, verarbeitet und zugeschnitten. Durch Stecksysteme lassen sie sich noch in der Fabrik zu Bauelementen zusammenfügen und auf der Baustelle in kürzester Zeit montieren. Zudem lassen sich Gebäude einfach vor Ort anpassen oder erweitern – oder demontieren. Die lösbaren Verbindungen bestehen nur aus den Platten selbst und einem herkömmlichen Mörtel, kommen also ohne Kleber oder Stahlbauteile aus.

Denn die Wiederverwendung der an der ZHAW Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften im Departements Architektur, Gestaltung und Bauingenieurwesen entwickelten Bauplatten ist durch einen Business-Case gesichert: ein Sharing-Modell des Baustoffproduzenten Holcim für Carbonbeton-Platten. Während sich bei einem Rückbau eines herkömmlichen Gebäudes etwa 90 Prozent des Beton nicht direkt wiederverwenden lassen, ist es beim neuen Bausystem mit den Platten aus Carbonbeton genau umgekehrt: Rund 90 Prozent des Materials und der im Bauteil steckenden Wertschöpfung können wiederverwendet werden. Für den Klimaschutz ist das ein gewichtiges ARgument, ist doch allein der Zement für acht Prozent der weltweiten Treibhausgas-Emissionen verantwortlich.

Die mit Carbonfasern bewehrten Platten sind aber nicht nur wiederverwendbar und äusserst langlebig. Auch ihre Herstellung belastet die Umwelt weniger als Stahlbeton – dank Leichtbau. Das Geheimnis liegt in der Lastaufnahme und den Federeigenschaften. Vorgespannte Carbonfasern und Beton ergänzen sich in der Lastaufnahme ausnehmend gut: die Carbonfasern absorbieren die Zugkräfte und Beton den Druck sowie die quer wirkenden Kräfte. Die Platten bekommen keine Riesse und federn unbeschädigt zurück. Im Vergleich zu herkömmlichen Materialien können sie daher drei- bis viermal dünner sein, ohne dabei an Tragfähigkeit zu verlieren. Die Carbonfasern werden vom ZHAW-Spin-off CPC in Döttingen produziert – künftig mit biobasiertem Kohlenstoff aus nachwachsenden Rohstoffen wie Algen oder Cellulose, der ganz ohne Erdöl auskommt.

„Dank der neuen Leichtbauweise in Beton reduzieren wir den CO2-Fussabdruck um den Faktor zwei bis vier und sparen bis zu 75 Prozent Material gegenüber einer herkömmlichen Bauweise.“
Josef Kurath, ZHAW-Professor

Bild oben: Innovationslabor in Winterthur: Von der ZHAW entwickelte Carbonbeton-Platten werden erstmals im Hochbau eingesetzt. (Quelle: ZHAW)


Quelle und weitere Infos: Pressemitteilung

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