Unter dem Motto „Energizing a sustainable industry“ füllen sich die Hallen am Messestandort Hannover vom 31. März bis 04. April: Digitalisierung, KI, Robotik und Automatisierung, Logistik sowie die Energieversorgung werden in den meisten Hallen zu finden sein: vom Veranstalter subsummiert unter den Begriffen „Smart Manufacturing“ und „Digital Ecosystems“. Ihren Ursprung als Industriemesse zeigt Hannover in Halle 3, den „Engineered Parts and Solutions“. Doch wo bleibt der Leichtbau? Die Antwort ist ganz einfach – er ist überall: Automatisierung und Robotik, Energie, Mobilität – keine dieser Branchen kommt ohne Leichtbau aus.
Denn Leichtbau ist dem reinen Selbstzweck entwachsen. Er wird in zunehmendem Maße aktiv eingesetzt, um Wertschöpfung und Nachhaltigkeit zu maximieren. Neben Gewichtsreduzierung findet er sich häufig auch in den Schlagworten Materialeffizienz oder Energieeffizienz, geringer Bauraum, höhere Dynamik, verringerte CO2-Emissionen, höhere Produktionsdynamik oder kürzere Montagezeiten – all das sind Nutzeneffekte von Leichtbau, der erst auf den zweiten Blick als Teil der Innovation für mehr Wettbewerbsfähigkeit sichtbar wird. Wer seinen Blick schärft, kann fast überall auf der Messe sehen, wie und warum Leichtbau branchenübergreifend eine gewinnbringende Denkweise für unsere Zukunft geworden ist. Könnte ein geringeres Gewicht oder weniger Materialeinsatz nicht auch bei Ihrem Projekt von Vorteil sein?
Ich möchte deshalb Ihren Blick auf einige der vorgestellten Leichtbau-Lösungen und -Innovationen lenken und wünsche beim Messebesuch ein fröhliches „Über den Tellerrand schauen“: Unternehmen aus verschiedenen Branchen präsentieren neue Materialien, Fertigungsprozesse und zukunftsweisende Anwendungen. Ob faserverstärkte Kunststoffe, smarte Komponenten oder hochautomatisierte Produktionsverfahren – die Vielfalt der Leichtbaulösungen ist immer wieder aufs Neue beeindruckend.
Hochleistungsmaterialien, Verbundwerkstoffe und Fügetechnologien
Schmalgewebe für Composites von Güth & Wolf: Glasfaser, Carbon, Basalt oder Aramid – diese Hochleistungsgewebe bieten optimale Eigenschaften für Luftfahrt, Fahrzeugbau oder Maschinenbau. Sie sind in verschiedenen Breiten und Materialkombinationen erhältlich und ermöglichen so eine maßgeschneiderte Anpassung an spezifische Leichtbauanforderungen. (Halle 2 A 36)
Composite Textiles von vombaur: Nahtlos gewebte Hochleistungsfasern verbinden Festigkeit mit minimalem Gewicht und ermöglichen robuste Leichtbauteile, die metallische Werkstoffe ersetzen können. Durch spezielle Harzsysteme wird eine hohe Widerstandsfähigkeit gegen mechanische und thermische Belastungen erreicht. (Halle 3 F75)
Hybride Klebverbindungen (KIT): Neuartige Schicht-Klebungen kombinieren organische und anorganische Komponenten, wodurch hochbelastbare, kosteneffiziente Verbindungen im Stahl- und Leichtbau entstehen. Diese Technologie ermöglicht durch spezielle Granulate und mineralische Füllstoffe eine hohe Beanspruchbarkeit und verbessert den Korrosionsschutz. (Halle 2 B35)
Automatisierte Leichtbau-Fertigung
Prototypenfertigung von CompositeEdge: Robotik und KI-gestützte Verfahren ermöglichen hochpräzise und ressourcenschonende Prototypen mit additiver Fertigung und Tape-Legen. Nachhaltige Materialien und innovative Fertigungstechniken tragen zur Reduktion der Entwicklungszeiten und des Materialverbrauchs bei. (Halle 16 F11)
Additive Fertigung räumlich gedacht und geplant mit dem Layer Performance Slicer: 3D-Druck mit nicht-planaren Druckbahnen verändert die mechanischen Eigenschaften von Bauteilen. Bis zu 341 % mehr Bauteilfestigkeit und 90 % Materialeinsparung sind nach Angaben des Unternehmens möglich. Zudem entfallen Stützstrukturen vollständig, was die Effizienz und Nachhaltigkeit verbessert. (Halle 2 C30)
Die Fräsmaschine fürs Büro von LBR Engineering: Die LBR.one – eine 5-Achs-CNC-Fräse mit einem Anlagenfußabdruck von nur einem Quadratmeter erlaubt Entwicklern, hochpräzise Bauteile oder Prototypen direkt am Arbeitsplatz zu fertigen oder 3D-gedruckte Bauteile nachzubearbeiten. Die webbasierte Steuerung erleichtert den Einsatz, selbst für Anwender ohne tiefgehende CNC-Kenntnisse. (Halle 16 F11)
Leichtbau für Mobilität und Maschinenbau von morgen
Active Aero Wheel und Wirbelgeneratoren von CompActive: Aerodynamische Radabdeckungen reduzieren den Luftwiderstand und verbessern gleichzeitig die Bremsenkühlung, ganz ohne Elektronik. Die hitzeaktivierte Steuerung gewährleistet dabei eine zuverlässige Funktion unter allen Witterungsbedingungen. Wirbelgeneratoren als strömungsaktive Flächenelemente in Flugzeugflügeln verbessern den Langsamflug und steigern die Treibstoffeffizienz. Dank der flexiblen Integration in die Flügelhaut kann die Aerodynamik aktiv angepasst werden. (Halle 2 C34)
XFK-Federn entwickelt am Karlsruher Institut für Technologie (KIT): Faser-Kunststoff-Federn mit variabler Faserorientierung bieten 65 % weniger Gewicht und 35 % mehr Energieaufnahme als herkömmliche Stahlfedern. Die gezielte Anordnung der Fasern sorgt für eine homogene Spannungsverteilung und verbesserte Lebensdauer. (Halle 2 B35)
Light Line Hydraulikzylinder des österreichischen Unternehmens NZ Hydraulikzylinder: Topologieoptimierung, Aluminium und Carbon reduzieren das Gewicht um bis zu 70 %, ohne auf Robustheit zu verzichten. Diese Hochleistungszylinder widerstehen auch extremen Umweltbedingungen wie hohen Druckstößen oder Salzbelastung. (Halle 5 G11)
Ein besonders leichtes Rotorblattsegment für eine Transportdrohne kann als Teil des Leitprojekts Albacopter des Verbundes Materials der Fraunhofer-Institute in Augenschein genommen werden. Das integrale Leichtbau-Rotorblattsegment aus Faserverbundwerkstoff mit Schaumkern wird in einem automatisierten Injektionsprozess hergestellt. Mit dem Prozess könnte ein Hersteller direkt in die Großserienproduktion einsteigen. (Halle 2 B24)
Nachhaltige Leichtbaukonzepte
Wind of Change Tower (Fraunhofer WKI): Der weltweit höchste Holzturm für Windkraft spart bis zu 90 % CO₂ im Vergleich zu Stahl- oder Betontürmen. Die modulare Bauweise ermöglicht eine effiziente Montage direkt vor Ort. Am Stand ist ein Modell zu sehen, bei dem die Klebetechnik genau studiert werden kann. (Halle 2 B24)
Biobasierter Fahrradhelm (Fraunhofer ICT): Ein vollständig recycelbarer Helm aus eigenverstärktem PLA reduziert den CO₂-Fußabdruck um 36 %. Alle Bestandteile bestehen aus dem gleichen Kunststoff, wodurch eine sortenreine Wiederverwertung ohne Zerlegung möglich ist. (Halle 2 B24)
Peeling-basiertes Recycling von Composites (Fraunhofer EMI): Seit fünf Jahren untersuchen Forschende des Fraunhofer EMI die Möglichkeit Composites durch innovative Trennverfahren in ihre Bestandteile zu zerlegen, um das Shreddern des wertvollen Werkstoffs zu vermeiden. Durch Peeling-basiertes Recycling lassen sich Faserschichten zerstörungsfrei separieren, wodurch hochwertiges Material wiederverwendet werden kann. Am Stand werden verschiedene Anwendungen dieser Peeling-basierten Recyclingstrategie vorgestellt. (Halle 2 B24)
Effiziente und intelligente Komponenten und Leichtbau-Robotik
MagGear Magnetgetriebe (HS Kaiserslautern): Permanentmagnetische Getriebe kombinieren Planetengetriebetechnologie mit elektronischer Anpassbarkeit und sind nahezu verschleißfrei. Die kontaktlose Drehmomentübertragung reduziert Wartungskosten erheblich und verbessert die Energieeffizienz. Das Hauptziel des Kooperationsprojekts MagGear ist die Entwicklung eines solchen fortschrittlichen Magnetgetriebes als permanentmagnetisches Umlaufgetriebe (Planetengetriebe) mit der Eigenschaft, dass die Getriebeübersetzung mittels einer elektronischen Regelung jederzeit variabel einstellbar ist.
Vibroakustische Metamaterialien (Fraunhofer Adaptronik): Diese Strukturen reduzieren Lärm und Vibrationen, ohne das Gesamtgewicht zu erhöhen – ideal für den Maschinenbau und die Fahrzeugtechnik. In Fahrzeugen können sie zur Geräuschminderung beitragen, ohne zusätzliche Dämmstoffe einzusetzen.
Die kollaborativen Leichtbauroboter der Kassow Robots KR Series von Bosch Rexroth mit 7 Achsen lösen als Cobots viele Aufgaben für KMUs. Sie tragen 5 bis 18 kg bei nur 25 bis 38 kg Eigengewicht und unterstützen mit einer Reichweite zwischen 0,85 und 1,8 Meter. (Halle 6 D26)
All diese Beispiele zeigen, dass Leichtbau nicht nur Gewichtsreduktion bedeutet. Vielmehr erschließt das Denken in Leichtbau Märkte und verhilft zu nachhaltigen Lösungen für die Industrie: gesteigerte Produktivität oder Leistung, Enabling neuer Technologien, geringere CO2-Emissionen oder sogar deutliche Kostenvorteile.
Wer besonders tief ins Thema Leichtbau eintauchen möchte, findet viele Unternehmen und – bis auf den Dienstag – ein hochkarätiges Vortragsprogramm in Halle 2 (Forschung, Entwicklung, junge Unternehmen) und Halle 3 auf dem Lightweight Construction Pavilion & Speakers Corner Stand Nr. 75. Dort wird außerdem ein interessantes Vortragsprogramm geboten. Unter anderem werden sich hier die drei Sieger der Wahl zum Pionier der Leichtbauwelt 2024 vorstellen. Zum Vortragsprogramm und den Ausstellern dieses Stands gibt’s nächste Woche mehr.
Als Quellen wurden die Webseite der Hannover Messe sowie die jeweiligen unternehmenseigenen Webseiten der vorgestellten Produkte genutzt.

Autor: Christine Koblmiller, Redakteurin, Gründerin, Fachjournalistin aus Leidenschaft und überzeugter Leichtbau-Fan.
Mit dem Metamagazin Leichtbauwelt.de habe ich 2018 ein neues Medienformat im B2B-Umfeld geschaffen. Leichtbauwelt ist Inspiration für Ihren Fortschritt und Wissen, wie’s leicht wird. Leichtbauwelt verlinkt, vernetzt und ordnet ein, verlagsunabhängig und transparent. Partei ergreife ich nur für den Leichtbau, von dessen Nutzen ich überzeugt bin.
Seit etwa 25 Jahren bin ich Redakteurin für technische B2B-Fachzeitschriften. Für verschiedene führende Fachmagazine habe ich als eBusiness-Projektmanager Industrie schon 2001 crossmediale Angebote eingeführt, denn die Digitalisierung aller Lebensbereiche hat Einfluss auf unser Informationsverhalten. Deshalb bin ich mir sicher, dass sich die Medienbranche wandeln muss. Mehr über mich finden Sie unter Conkomm, auf Xing oder LinkedIn.
„Leichtbau fasziniert und begeistert. Die Entwicklung von Leichtbauwelt über die letzten Jahre zeigt, dass der Markt unser Angebot braucht und gerne annimmt.“
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