Fortschritt für den Leichtbau: Der Peter Dornier-Stiftungspreis 2024 prämiert eine neue Webtechnologie zur direkten Herstellung schalenförmiger komplexer 3D-Gewebe. Ausgezeichnet wurde der Dresdner Textilmaschinenbauingenieur Dominik Nuß für ein innovatives Webverfahren. Dieses ermöglicht es erstmals, endkonturnahe Gewebe aus Hochleistungsfasern wie Aramid, Glas oder Carbon für schalenförmige Leichtbauteile ohne Schneid- und Legeprozesse in einem Stück zu weben.
Die kürzlich veröffentlichte Marktstudie Leichtbau des BMWK zeigt, welches Potenzial im Leichtbau steckt. Die Zahlen unterstreichen auch die wachsende Bedeutung von Bauteilen aus Faserkunststoffverbund (FKV) für die nachhaltige Transformation.
„Ob Flugzeugturbinenschaufel, Kofferraumdeckel, Schiffsrumpf oder Windradflügel – leichte und zugleich stabile FKV-Bauteile helfen in zahlreichen Anwendungen, Gewicht, Material und Energie einzusparen. Häufig kommen dabei Carbon- oder Glasgewebe zum Einsatz. Für zahlreiche Leichtbauanwendungen werden schalenförmige Bauteile mit nicht abwickelbaren Geometrien benötigt, die aber bisher nicht direkt gewebt werden können.“
Dr. Dominik Nuß, Forschungsgruppenleiter für Webtechnologie am Institut für Textilmaschinen und textile Hochleistungswerkstofftechnik (ITM) der TU Dresden.
Bisher wurden für die Composite-Bauteile aus Carbon mit komplexen Geometrien Verstärkungsgewebe hergestellt. Anschließend wurden diese in Handarbeit in viele kleine Teile geschnitten, in der gewünschten Form neu zusammengesetzt, drapiert und mit Kunststoff ausgehärtet. Dies ist ein zeit- und ressourcenintensiver Prozess, der viel Optimierungspotential bietet. Künftig aber könnte die Flugzeugturbinenschaufel direkt aus der Webmaschine kommen.
Für diesen neuen Webprozess, der die bisherige Prozessroute deutlich verkürzt, nutzte Nuß nicht nur das abzugsfreie Weben ohne klassische Gewebeaufwicklung. Er entwickelte auch ein flexibles Webblatt, mit dem sich die Gewebebreite an die Bauteilbreite noch im Webprozess anpassen lässt. Mit diesem können komplexe 3D-Geometrien wie Turbinenschaufeln direkt auf der Webmaschine hergestellt werden – die zeitintensiven und abfallerzeugenden Prozesse von Zuschnitt und Legen entfallen damit komplett.
Für seine Dissertation mit dem Titel „Neue Verfahren zur integralen Herstellung schalenförmiger Gewebestrukturen: Technologien-, Methoden- und Maschinenentwicklung“ hat der Textilforscher deshalb jetzt den mit 5.000 Euro dotierten Peter Dornier-Stiftungspreis 2024 erhalten.
„Das Verfahren revolutioniert die Herstellung von Verstärkungsgeweben mit völlig neuen Ansätzen und zeigt Möglichkeiten in der Gewebeherstellung auf, die so noch nie umgesetzt wurden. Herr Nuß nutzt die Flexibilität der Dornier-Webmaschinen und setzt damit neue Maßstäbe in der Herstellung von Geweben für den Leichtbau.“
Adnan Wahhoud, der 26 Jahre lang die Entwicklungsabteilung Luftdüsenwebmaschinen bei Dornier leitete
Mit dem prämierten Webverfahren lassen sich laut Preisträger Nuß nicht nur Turbinenschaufeln, Halbschalen für Schutzhelme oder ganze Sport- und Segelboote in einem Stück fertigen. Für eine spezielle FKV-Anwendung hält er sein Webverfahren für besonders geeignet: Energieabsorbierende Crash-Strukturen, kurz: EACS. Solche Crash-Bauteile finden sich in Stoßstangen oder im Frontbereich von Autos, in Radsystemen von Flugzeugen, in Schienenfahrzeugen und sogar in Aufzügen. Sie bestehen meist aus Metall oder Carbon und nehmen bei einem Aufprall Energie auf, um die Insassen zu schützen. Nuß ist überzeugt: EACS-Bauteile aus Carbon könnten mit seinem neuen Webverfahren ein deutlich besseres Absorptionsvermögen erhalten.
„Das neue Webverfahren leistet einen wichtigen Beitrag zu mehr Ressourceneffizienz in der modernen Leichtbauindustrie und trägt damit zur Nachhaltigkeit bei. Stiftungsgründer Peter Dornier hätte seine Freude daran gehabt, dass die Doktorarbeit innovative Leistungen auf dem Gebiet der Gewebeherstellung mit dem Leichtbau in der Luft- und Raumfahrt verbindet.“
Maja Dornier, Vorsitzende der Peter Dornier-Stiftung und Ehefrau des 2002 verstorbenen Stifters Peter Dornier
In der ausgezeichneten Promotionsarbeit geht es vor allem um die Dicke des Carbongewebes. Komplexe Krümmungen für einen geometrieoptimierten Querschnitt, um das Crashverhaltens zu verbessern, ließen sich derzeit mit keinem Webverfahren herstellen, so der Preisträger. Daher beginnt er nun mit einem Forschungsprojekt zu seiner nun mit dem Peter Dornier-Stiftungspreis ausgezeichneten Arbeit, um herauszufinden, wie sich mit Carbon auch komplexere EACS-Bauteile mit optimierter Faltengeometrie „am Stück“ weben lassen, die deutlich leistungsfähiger sein sollen als herkömmliche EACS-Bauteile.
Bild oben: Preisträger und Textilmaschinenbauingenieur Dominik Nuß (Quelle: Dornier)
Quelle und weitere Infos: Pressemitteilung
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