Welche Gemeinsamkeiten bestehen zwischen den Konzepten Leichtbau und Kreislaufwirtschaft? Warum können sich Circular Economy und Lightweight Design in ihrer positiven Wirkung gegenseitig verstärken? Und welche Chancen hat der Leichtbau zum „Gelben Sack“ der industriellen Transformation zu werden?
Erinnern Sie sich, wie ungewohnt es anfangs war, Verpackungsmüll von Restmüll zu trennen? Altpapier, Glas und Weißblech getrennt zu sammeln? Heute ist das – je nach Aufenthaltsort – selbstverständlich. Ob zu Hause, am Arbeitsplatz oder im Urlaub, Mülltrennung gehört zum Alltag und vermittelt „ein gutes Gefühl“. Dabei waren zu Beginn viele Widerstände zu überwinden, alte Gewohnheiten abzulegen.
Mülltrennung ist die Grundlage für eine Kreislaufwirtschaft, die mit begrenzten Ressourcen sorgsam umgehen und Abfälle weitgehend vermeiden will. Der „Gelbe Sack“ steht heute vielfach als Symbol für die Kreislaufführung von Wertstoffen.
In der Rubrik „Leichtbau trifft…“ widmen wir uns den Zusammenhängen zwischen Leichtbau und den (Megatrends. Wir klären Fakten und zeigen Potentiale auf. Wir geben Überblick, erläutern und hinterfragen. Mit einem Satz: Wir liefern Inspiration für Ihren Fortschritt.
Ein sehr ähnliches Ziel wie das Konzept der Kreislaufwirtschaft verfolgt der Leichtbau: Mit begrenzten Ressourcen möglichst effizient umgehen, CO2-Emissionen vermeiden. Anders als der „Gelbe Sack“ ist jedoch Leichtbau noch nicht inhärenter Bestandteil jeder Produktentwicklung und -optimierung.

Dabei sind Leichtbau und Kreislaufwirtschaft zwei Konzepte, die sich gegenseitig ergänzen und in ihrer Wechselwirkung äußerst positiv verstärken können.
Klima- und Wirtschaftspolitik mit Leichtbau und Kreislaufwirtschaft
Nach der Leichtbaustrategie des BMWK, die im Juli 2023 veröffentlicht wurde, folgte Mitte Juni 2024 der Entwurf der Nationalen Kreislaufwirtschaftsstrategie (NKWS) des BMUV. Beiden Strategien ist gemeinsam, dass dem jeweiligen Thema „große Chancen für Wachstum, Beschäftigung und Wettbewerbsfähigkeit“ sowie ein „signifikanter Beitrag zur Reduzierung des primären Rohstoffbedarfs“ zugetraut wird.
„Leichtbautechnologien leisten hochwirksame Beiträge zum Klimaschutz, für eine signifikante Reduzierung von Rohstoffverbräuchen, für resilientere Wertschöpfungsketten sowie für den Erhalt und die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft, insbesondere des Mittelstandes.“
Stellungnahme des Strategiebeirats Leichtbau zum Entwurf der NKWS
An einigen Stellen bezieht sich der Entwurf der NKWS sogar direkt auf die Nationale Leichtbaustrategie, die die Kreislauffähigkeit von Leichtbaumaterialien und -produkten explizit adressiert und das Potenzial nachhaltiger Leichtbau-Lösungen aktivieren soll.
Wenn wir uns die Parallelen zwischen Leichtbau und Kreislaufwirtschaft vor Augen führen, wird klar, weshalb sich die beiden Konzepte derartig gut ergänzen und gegenseitig in ihrer positiven Wirkung für die Prävention der weiteren Erderwärmung verstärken.
Gemeinsamkeit Nr. 1: Innovation und Design
Für eine funktionierende Kreislaufwirtschaft muss schon bei der Gestaltung eines Produktes der gesamten Lebenszyklus in den Blick genommen werden. Daher erfordern sowohl der Leichtbau als die Kreislaufwirtschaft innovative Ansätze im Design von Produkten und Materialien, um Effizienz und Nachhaltigkeit zu steigern. Wenn also Produkte schon „neu denken“ – dann mit Blick auf die Zukunft und unter Berücksichtigung von Notwendigkeiten im Hinblick auf Funktionen aber auch auf die Produkte und Bauteile selbst.
Gemeinsamkeit Nr. 2: Sparsamer Einsatz von Ressourcen
Das materialeffiziente Design und die Funktionsintegration im Leichtbau zielen darauf ab, so wenig Material wie möglich zu nutzen. Das führt zu weniger Werkstoffen, die im Kreislauf zu halten sind und in letzter Konsequenz zu weniger Abfall. Insofern ist der Leichtbau die perfekte Ergänzung zum Bestreben einer Circular Economy, die versucht, Ressourcen im Umlauf zu halten und Abfall zu minimieren.
Der geringe Ressourceneinsatz beim Leichtbau hingegen, macht es außerdem einfacher, eine funktionierende Kreislaufwirtschaft zu etablieren, da mengenmäßig weniger Rohstoffe – möglichst sortenrein – im Kreislauf gehalten werden müssen. Das reduziert nicht nur den Energieverbraucher und CO2-Emittenden Logistik, sondern auch den Energieaufwand pro kg Rohstoff für die Wiederaufbereitung, von Reparatur bis Recycling (s. Gemeinsamkeit Nr. 5), die sich auf diesem Wege einsparen lässt.
Gemeinsamkeit Nr. 3: Kosten- und ressourceneffiziente Produktion
Leichtbau sorgt durch neues Bauteildesign und neuartige Prozessketten immer wieder für eine vereinfachte oder verkürzte Produktion und dank Funktionsintegration auch häufig für weniger Montageaufwand. Hinzu kommt ein geringerer Energieaufwand für Transport und Logistik der fertigen, leichteren Bauteile und Produkte.
Unter anderem durch gewichtsoptimierte Maschinenbauteile in der Produktion selbst kann außerdem selbst stationär der Energieaufwand reduziert und die vielfach sogar die Produktionsleistung erhöht werden.
Dies wiederum unterstützt die Prinzipien der Kreislaufwirtschaft, indem es hilft, den Gesamtressourcenverbrauch zu reduzieren und somit sowohl ökonomische als auch ökologische Nachhaltigkeit zu fördern.
Gemeinsamkeit Nr. 4: Nachhaltige Nutzung
Leichtbau ist insbesondere in der Mobilität gefragt, da entweder emissionsarme Fortbewegung durch ihn ermöglicht wird oder aber der Energieverbrauch, die Reichweite oder die Zuladung durch Leichtbau gesteigert werden können. In letzter Konsequenz werden durch Leichtbau in der Mobilität die CO2-Emissionen gesenkt. Auch im Bauwesen sorgt Leichtbau für eine ökoeffiziente Nutzung vorhandener Ressourcen, beispielsweise durch eine Verlängerung der Lebensdauer bei gleichzeitig geringerem Energie- und Ressourcenverbrauch. Leichtbau unterstützt die energie- und ressourceneffiziente Nutzung der Produkte.
Damit arbeitet der Leichtbau direkt den Leitlinien einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft zu (NKWS S.13).
Gemeinsamkeit Nr. 5: Die R-Strategien
In der Kreislaufwirtschaftsstrategie ist das Prinzip verankert, Produkte so lange wie möglich zu nutzen. „Die NKWS orientiert sich deshalb an der 10-stufigen R-Leiter, die prinzipielle Strategien einer Kreislaufwirtschaft nach ihrem potenziellen Beitrag zur Steigerung der Zirkularität in eine Rangfolge stellt und so die über das KrWG etablierte Abfallhierarchie ergänzt.“ (aus der NKWS: https://www.bmuv.de/fileadmin/Daten_BMU/Download_PDF/Abfallwirtschaft/nkws_entwurf_bf.pdf)
- Die ersten Stufen R0 bis R2 (refuse, rethink, reduce) unterlegen Vermeidungsansätze. Sie meinen damit das Prinzipien der Suffizienz (Ist das Produkt notwendig?) und fordern das in Gemeinsamkeit Nr. 1 schon angesprochene neue, zukunftsfähige Produktdesign.
- Die mittleren Stufen R3 bis R7 (reuse, repair, refurbish, remanufacture, repurpose) enthalten Ansätze zur längeren Lebensdauer von Produkten oder einzelner Komponenten sowie zur intensiveren Nutzung.
- Die letzten Stufen R8 bis R9 (recycle, recover) fokussieren auf optimierte Wege des Recyclings oder der sonstigen Verwertung – immer mit dem Ziel die Rohstoffkreisläufe nach Möglichkeit geschlossen zu halten.
„Es geht um eine grundsätzliche Neuausrichtung vom Linearen zum Zirkulären, angefangen beim zirkulären Produktdesign, über ressourceneffiziente Produktion und zirkuläre Geschäftsmodelle bis zu nachhaltigem Konsum.“
(NKWS, Seite 20)
In diesem Kontext bietet der Leichtbau unzählige Hebel, die Ziele der NKWS mit hohem Wirkungsgrad zu unterstützen.
Gemeinsamkeit Nr. 6: Dekarbonisierung – den CO2-Fußabdruck reduzieren

In der NKWS ist auf Seite 8 nachzulesen, dass global über die Hälfte aller Treibhausgasemissionen auf die Gewinnung und Verarbeitung von Rohstoffen zurückzuführen ist. Fast 25 Prozent der THG-Emissionen in Deutschland entfallen auf den Industriesektor, davon wiederum etwa die Hälfte auf die Produktion von Stahl, Beton und Zement sowie Kunststoffen.
In der Leichtbaustrategie steht zum Thema Treibhausgasemissionen unter anderem: „Leichtbautechnologien und -materialien sind entscheidend für […] die Transformation hin zu einem CO2-neutralen Industriestandort.“ Am Beispiel der Energiewende wird dies besonders deutlich: Leistungsfähige und langlebige Windenergieanlagen, Photovoltaik und Wasserstoffspeicher sind ohne Leichtbau nicht denkbar. Ebenso sorgt Leichtbau im Bauwesen für einen deutlich geringeren Werkstoffverbrauch von Beton. Die Einsparpotenziale bei der Mobilität zu Lande in der Luft und im Wasser wurden bereits weiter oben erwähnt.
„Für den Zeitraum 2024 bis 2030 wird im Sektor Industrie ein Treibhausgas (THG)-Minderungspotenzial von 2,9 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent durch die Ergebnisse des TTP LB geschätzt. Bis 2040 könnten durch das TTP, welches in seiner ressortabgestimmten, novellierten Fassung als „TTP Leichtbau und Materialeffizienz“ beim Bundesanzeiger vorlag, nach aktuellen Berechnungen THG-Einsparungen in Höhe von 20 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent im Industriesektor erzielt werden.“
Stellungnahme des Strategiebeirats Leichtbau zum Entwurf der NKWS
Die Wirkung beider Konzepte gemeinsam – Leichtbau und Kreislaufwirtschaft – verstärken sich daher gegenseitig massiv. Daher bieten gerade die Synergien zwischen Leichtbau und Kreislaufwirtschaft viele Chancen für eine nachhaltige Transformation der Industrie, Wirtschaft und Gesellschaft und können einen bedeutenden Beitrag zur Verlangsamung der Klimaerwärmung leisten.
Wie wird nun aus Leichtbau ein „Gelber Sack“?
Ein richtiger und wichtiger Schritt, das Potenzial des Leichtbaus zu vervielfachen war das Technologie-Transferprogramm Leichtbau, das TTP LB. „Weder die Energiewende – im NKWS auf S. 76/77 – noch der European Green Deal sind ohne Leichtbautechnologien denkbar“, schreibt der Strategieberat Leichtbau in seinem Statement zum Entwurf des NKWS. Persönlich würde ich diese These sogar noch ergänzen: Auch eine Kreislaufwirtschaftsstrategie wird ihre volle Wirkung nur in Verbindung mit Leichtbaukonzepten entfalten können.
Das TTP-LB wurde nun Ende 2023 aufgrund der Haushaltslage gestoppt, wobei genehmigte Projekte noch bis 2027 weiter finanziert werden. Doch Leichtbau ist bereits ein bedeutender Wirtschaftsfaktor in Deutschland (und im Übrigen auch in Österreich) Schon für 2021 errechnet eine aktuelle Studie mit einem „Satellitenkonto Leichtbau“ einen Bruttowertschöpfungsanteil von 7,8 Prozent durch Leichtbau. Jeder 14te Arbeitsplatz hat einen direkten oder indirekten Bezug zum Leichtbau. Leichtbau könnte daher von einer – vielleicht europäischen – Förderung durchaus nicht nur selbst profitieren, sondern aufgrund seiner Querschnittseigenschaft auch viele weitere Branchen positiv beeinflussen sowie die Wettbewerbsfähigkeit im globalen Kontext sichern.
Damit aus Leichtbau in den Köpfen ein „Gelben Sack“ wird, sind aber nicht nur finanzielle Mittel notwendig. Es liegt an jedem einzelnen, dem Leichtbau mehr Raum in Gesprächen, im Handeln, im Arbeitsalltag und im privaten Konsum einzuräumen. Es ist wichtig, unser Augenmerk darauf zu richten und Leichtbau als Notwendigkeit zu begreifen. Nur dann wird aus dem Leichtbau-Hype der 2000er und 10er Jahre eine Selbstverständlichkeit, die zusammen mit anderen Nachhaltigkeitskonzepten ihr volles klimawirksames Potential ausschöpfen kann.
Verwendete Quellen:
(1) Stellungnahme des Strategiebeirats der Initiative Leichtbau des BMWK (pdf) zum Entwurf der Nationalen Kreislaufwirtschaftsstrategie NKWS vom 03.07.2024
(2) Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie (pdf) des BMUV, Entwurf vom 17.06.2024
(3) Leichtbaustrategie des BMWK vom 26.07.2023

Autor: Christine Koblmiller, Redakteurin, Gründerin, Fachjournalistin aus Leidenschaft und überzeugter Leichtbau-Fan.
Mit dem Metamagazin Leichtbauwelt.de habe ich 2018 ein neues Medienformat im B2B-Umfeld geschaffen. Leichtbauwelt ist Inspiration für Ihren Fortschritt und Wissen, wie’s leicht wird. Leichtbauwelt verlinkt, vernetzt und ordnet ein, verlagsunabhängig und transparent. Partei ergreife ich nur für den Leichtbau, von dessen Nutzen ich überzeugt bin.
Seit etwa 25 Jahren bin ich Redakteurin für technische B2B-Fachzeitschriften. Für verschiedene führende Fachmagazine habe ich als eBusiness-Projektmanager Industrie schon 2001 crossmediale Angebote eingeführt, denn die Digitalisierung aller Lebensbereiche hat Einfluss auf unser Informationsverhalten. Deshalb bin ich mir sicher, dass sich die Medienbranche wandeln muss. Mehr über mich finden Sie unter Conkomm, auf Xing oder LinkedIn.
„Leichtbau fasziniert und begeistert. Die Entwicklung von Leichtbauwelt über die letzten Jahre zeigt, dass der Markt unser Angebot braucht und gerne annimmt.“
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