Wenn sich Anwender gegen Leichtbau, gegen den Einsatz von CFK – Carbonfaserverbundwerkstoffen entscheiden, sind häufig die Kosten ein entscheidender Faktor. Denn diese Werkstoffe sind vergleichsweise teuer. Was wäre, wenn man dies ändern könnte? Wenn die Produktionsgeschwindigkeit einer Anlage verdoppelt werden könnte – bei gleichbleibender oder besserer Qualität? In unserer Serie „Pioniere der Leichtbauwelt“ stellt sich heute Tim Röding, Mitgründer der Carboscreen GmbH, unseren Fragen. Sein Unternehmen hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Herstellung von Carbonfasern und Faserverbundwerkstoffen durch eine intelligente Kombination aus Sensortechnik und Künstlicher Intelligenz zu optimieren. Wie das funktioniert und welche Effekte sich damit erzielen lassen, verrät er im Interview. Wir versprechen spannende Einblicke – und der Pionier neue Perspektiven für die Zukunft der Branche.
Bild oben: Tim Röding als Referent auf der JEC World in Paris 2024 (Quelle: Carboscreen | Loran Dherines Photographe)
Im Leichtbau sind branchen- und werkstoffübergreifende Impulse und neue Inspirationen für kreative, technologische Lösungen äußerst wertvoll. In der Serie „Pioniere der Leichtbauwelt“ kommen deshalb Gründer und Start-ups zu Wort. Hier haben sie die Möglichkeit, ihre Technologie, ihre Ideen und Visionen vorzustellen. Wenn sich so neue Partnerschaften über Unternehmens- und Branchengrenzen hinweg ergeben, dann haben wir bei Leichtbau(welt) unser Ziel erreicht: Inspiration für ihren Fortschritt.
Dem Traum einer sich selbst optimierenden Produktionsanlage rücken die Gründer der Carboscreen GmbH ein ganzes Stück näher. Sie kombinieren eine ausgefeilte Sensortechnik mit digitalen Auswertemethoden rund um eine KI und heben so ein Optimierungspotenzial, das für den Leichtbau von großer Bedeutung ist: Die Herstellung von Fasern und Faserverbundwerkstoffen nachhaltiger und kostengünstiger zu gestalten.
Leichtbauwelt: Woher kommt der Name für das Unternehmen?
Tim Röding: Die Idee stammt aus unserer Arbeit in der Forschungsgruppe Carbonfasern des Instituts für Textiltechnik (ITA) der RWTH Aachen University. Da das erste Einsatzgebiet die Sensortechnik für die Carbonfaserherstellung war, lag der Name auf der Hand.
Leichtbauwelt: Wurden Sie bei der Unternehmensgründung unterstützt und wenn ja, wie?
Tim Röding: Die Carboscreen GmbH wurde im November 2023 gegründet. Wir haben das Glück, dass wir eine Förderung über das EXIST-Forschungstransferprogramm erhalten haben. Diese Förderung ermöglicht es uns, gezielt zwei Jahre unsere Technologie und das Geschäftsmodell zu entwickeln. Darüber hinaus werden regelmäßig Netzwerktreffen mit nützlichen Informationen für Firmengründer angeboten. Eine weitere große Stütze ist das ITA. Die Promotion und das Arbeiten am Institut waren eine gute Ausbildung und Vorbereitung für das Gründen eines Unternehmens. Zudem profitieren wird weiterhin von der personellen und technischen Infrastruktur. Wir kooperieren weiterhin mit dem ITA auf dem Gebiet der Digitalisierung und können unsere Technologien an den Technikumsanlagen testen.
Leichtbauwelt: Wie ist ihr Start-up aufgestellt?

Tim Röding: Wir sind drei Gründer, die sich während ihrer gemeinsamen Promotionszeit kennen gelernt haben. Dazu haben wir einen großen Pool von studentischen Hilfskräften, Praktikantinnen und Praktikanten sowie Studierende, die ihre Abschlussarbeit bei uns schreiben. Zu unserem Team gehören deshalb aktuell 16 Personen. Dazu kommen noch vier erfahrene Mentoren aus der Industrie. Im nächsten und übernächsten Jahr planen wir – je nach Auftragslage – die ersten Festeinstellungen.
Leichtbauwelt: Das ist für ein Start-up schon eine recht große Mannschaft. Wie ergänzen Sie sich im Gründerteam?
Tim Röding: Jeder von uns drei Gründern hat einen anderen akademischen Schwerpunkt und während der Promotion einen anderen Aspekt der Carbonfaserherstellung erforscht. Felix hat Maschinenbau an der RWTH Aachen studiert und ist führender Experte auf dem Gebiet der sensorbasierten Überwachung der Carbonfaserherstellung. Einige Sensorentwicklungen basieren auf seiner Doktorarbeit, welche er in diesem Jahr abschließen wird. Musa kümmert sich insbesondere um die Programmierung und die kundenspezifische Anpassung der KI-Software. Er hat Computational Engineering Science an der RWTH studiert und im Jahr 2023 zum Thema „Simulationsbasierter Ansatz zur Modellierung der Filamentreaktionen in der Carbonfaserherstellung“ promoviert. Ich habe Wirtschaftsingenieurwesen mit der Fachrichtung Maschinenbau an der RWTH studiert und im Dezember 2023 meine Promotion über das Thema „Entwicklung eines mehrstufigen Carbonisierungsprofils für die Herstellung von polyethylenbasierten Carbonfasern“ abgeschlossen. Aufgrund meines Hintergrundes bin ich im Unternehmen für die Finanzen und den Vertrieb verantwortlich. Zudem übernehme ich im Team die Aufgabe, die Messdaten mit den Fasercharakteristika in Verbindung zu bringen.
Leichtbauwelt: Faserverbundwerkstoffe sind ein wichtiges Material im Leichtbau. Warum sind Sie ein Pionier der Leichtbauwelt?

Tim Röding: Unser Slogan lautet: “Revolutionizing the carbon fiber industry through digitalization”. Wir kombinieren maßgeschneiderte Sensorsysteme mit einer KI-gestützten Datenauswertung, um das Herstellen und das Verarbeiten von Verstärkungsfasern wie beispielsweise Carbonfasern zu digitalisieren. Mit unserer Technologie werden Hersteller von Hochleistungsfasern und Faserverbundwerkstoffen in die Lage versetzt, die Eigenschaften ihres Produktes im laufenden Prozess zu beobachten. Hierdurch können die Hersteller ihre Prozesse gezielt verbessern, um die Produktqualität zu erhöhen sowie Kosten und Energie einzusparen.
Leichtbauwelt: Erzählen Sie uns, wie die Idee dazu entstanden ist? Was war der Auslöser und welchen Weg nahm die Entwicklung?
Tim Röding: Wir haben gemeinsam im Bereich der Carbonfaser-Forschung gearbeitet und über Ideen zur Reduktion der Produktionskosten und des Energieeinsatzes nachgedacht. Bisherige Forschungsarbeiten am ITA befassten sich mit der Prozessoptimierung und Kostenreduktion der Carbonfaserherstellung. Nach Gesprächen mit der Industrie stellte sich jedoch heraus, dass eine Umsetzung von Optimierungen aufgrund fehlender Digitalisierung nicht möglich ist.
Für uns war und ist wichtig, dass die Lösungsansätze zur Digitalisierung zeitnah und kostengünstig von den Produzenten umgesetzt werden können. Die grundlegende Idee zu Carboscreen entstand dann aus der Doktorarbeit unseres Mitgründers Felix Pohlkemper, der zurzeit über das Thema sensorbasierte Überwachung in der Carbonfaserherstellung promoviert. In seiner Arbeit untersucht er drei unterschiedliche Sensorsysteme, wobei die Sensoren verschiedene Fasereigenschaften detektieren können. Die Daten werden anschließend mit einer künstlichen Intelligenz verarbeitet.
„Mit unserer Technologie werden Hersteller von Hochleistungsfasern und Faserverbundwerkstoffen in die Lage versetzt, die Eigenschaften ihres Produktes im laufenden Prozess zu beobachten. „
Leichtbauwelt: Das hört sich spannend an. Ist dann durch KI und Digitalisierung eine Optimierung im laufenden Prozess möglich?

Tim Röding: Ja genau, mit unserer Technologie werden Faserhersteller und -verarbeiter in die Lage versetzt, die Eigenschaften ihres Produktes im laufenden Prozess zu beobachten. Unser Alleinstellungsmerkmal ist die Kombination aus Knowhow in der Sensortechnik mit jahrelanger Erfahrung in den Herstellungsprozessen von Faser- und Faserverbundwerkstoffen. Die eingesetzten Sensoren basieren dabei auf unterschiedlichen Messprinzipien. So können sie zum einen makroskopische Faserdefekte – beispielsweise Filamentbrüche oder Fuzzy-Balls – und zum anderen mikroskopische Defekte, wie zum Beispiel ein inhomogener Umwandlungsgrad, detektieren. Das System wird kundenindividuell zusammengestellt, um die gewünschten Produkteigenschaften zu messen und mit den bekannten Prozessdaten in Korrelation zu bringen. Dadurch kann die Faserproduktion durch unsere Technologie produktiver, sicherer und nachhaltiger werden.
Leichtbauwelt: Was ist dabei aus technologischer Sicht besonders interessant?
Tim Röding: Unsere Vision ist eine vollständig automatisierte Produktion, in der beispielsweise die Produktionsgeschwindigkeit in der Carbonfaserherstellung somit auch die produzierte Fasermenge verdoppelt werden kann. Hierzu müssen die verschiedenen Sensortechniken, die Auswertesoftware und die Anlagensteuerung zusammenarbeiten.
Aufgrund der fortlaufenden Messung der Faserqualität bei der Herstellung oder Verarbeitung lassen sich die Fasern und Faserverbundwerkstoffe der Produzenten zudem lückenlos überwachen, zertifizieren und in Schadensfällen könnte die Ursache bis zur Produktion zurückverfolgt werden.
Darüber hinaus arbeiten wir aktuell an Sensoren, welche die aufgetragene Polymermenge auf Fasern (Sizinganteil) und Towpregs (Harzanteil) ermitteln kann.
Leichtbauwelt: Worin sehen Sie den größten Nutzen für Ihre Kunden?

Tim Röding: Die Sensorsysteme können in einem aufsteigendem Digitalisierungsgrad genutzt werden. Anfänglich können die Kunden sie nutzen, um Informationen über die Beschaffenheit und Qualität ihrer Produkte zu gewinnen. Dies ermöglicht beispielsweise eine Kategorisierung in unterschiedliche Produktklassen. Mithilfe der gewonnenen Daten können die Anwender unserer Technologie zudem Rückschlüsse auf ihre Prozesse schließen und entsprechende Verbesserungsmaßnahmen vornehmen.
In einem zweiten Schritt könnten die Daten genutzt werden, um Warnsignale bei bestimmten Ereignissen für die Anlagenbetreiber zu generieren, damit man frühzeitig in die Steuerung der Anlage eingreifen kann. Je mehr Daten vorhanden sind, desto intelligenter kann das System agieren. In einem weiteren Schritt könnte es automatisch Verbesserungsmaßnahmen für den Prozess vorschlagen, die die Betreiber umsetzen können. Der finale Schritt ist dann eine vollständig automatisierte Produktion.
In einer industriellen Carbonfaserproduktion (1.500 Jahrestonnen) lassen sich beispielsweise durch eine Erhöhung der Produktionsgeschwindigkeit infolge der Digitalisierung um 50 Prozent eine Kostenreduktion von mehr als 23 Prozent und eine Reduzierung des CO2-Ausstoßes von etwa 22 Prozent erreichen. Durch den Einsatz der Sensorik können zudem die Ausfallzeiten, die in der Carbonfaserherstellung fünf Wochen jährlich betragen können, deutlich abnehmen. Je nach Fasertyp und Hersteller führen die Produktionsausfälle bisher zu siebenstelligen Umsatzverlusten.
Leichtbauwelt: Welchen Beitrag können Sie mit Ihrer Technologie zum Klimaschutz leisten?
Tim Röding: In erster Linie können die Fasern und Faserverbundwerkstoffe effizienter produziert werden. Eine schnellere und sicherer Produktion bei gleichbleibendem Energieeinsatz führt zu einem reduzierten CO2-Fußabdruck der Produkte. Durch die digitalisierte Produkt- und Prozessüberwachung kann zudem der Ausschuss reduziert werden. Über lange Sicht, erhöhen das Reduzieren der Produktionskosten und des CO2-Fußabdruckes von Faserverbundwerkstoffen ihre Attraktivität. Infolge eines vermehrten Einsatzes von Faserverbundwerkstoffen in der Industrie lassen sich der Energiebedarf in der Mobilität reduzieren, effizientere und effektivere Windräder realisieren und kostengünstigere Drucktanksysteme bauen.
Leichtbauwelt: Wird all das von den Anwendern bereits gesehen oder gar wertgeschätzt?
Tim Röding: Carbonfasern und Verbundwerkstoffe sind Hochleistungsmaterialien. Daher spielt die Qualitätskontrolle eine entscheidende Rolle für die Hersteller. Das Thema Nachhaltigkeit ist in den letzten Jahren auch immer weiter in den Fokus der Branche geraten und wird in Zukunft eine immer größere Rolle spielen.
„Da wir viel Erfahrung mit der nachhaltigen Produktion von Carbonfasern haben, bieten wir unseren Kunden neben der Sensortechnik auch Beratungsdienstleistungen zum Thema Nachhaltigkeit an.“
Leichtbauwelt: Wo wir gerade von CO2-Footprint sprechen. Wie nachhaltig agiert ihr eigenes, junges Unternehmen?
Tim Röding: Wir legen in unserem Unternehmen großen Wert auf Nachhaltigkeit und arbeiten kontinuierlich daran, unsere Prozesse umweltfreundlicher zu gestalten. Nachhaltigkeit bedeutet für uns, in allen Bereichen des Unternehmens Verantwortung zu übernehmen. Dazu gehören zum Beispiel eine energieeffiziente und ressourcenschonende Herstellung unserer Sensoren, das Nutzen umweltfreundlicher Materialien, das Reduzieren von Abfall und das Optimieren der Logistik, um Transportemissionen zu verringern.
In erster Linie möchten wir einen Beitrag dazu leisten, dass auch andere Unternehmen nachhaltiger agieren können. Da wir Erfahrungen auf dem Gebiet der nachhaltigen Produktion von Carbonfasern haben, bieten wir unseren Kunden neben der Sensortechnik auch Beratungsdienstleistungen zum Thema Nachhaltigkeit an. Als Beispiele sind einerseits die Bestimmung der Energieverbräuche/CO2-Emissionen in der Produktion und andererseits die Entwicklung von Precursorfasern aus erneuerbaren Rohstoffen zu nennen.
Leichtbauwelt: Wann wussten Sie, dass aus ihrer Idee ein Unternehmen werden könnte? Gab es so etwas wie einen „Point of no return“?
Tim Röding: Schon während unserer Promotionszeit am ITA wurde uns zum ersten Mal bewusst, dass es eine Nachfrage für Sensortechnik und KI-gestützte Datenauswertung in der Carbonfaserindustrie gibt. Als wir im Zuge der Antragsstellung für das EXIST-Projekt mit der Industrie detaillierter über unsere Idee und das Geschäftsmodell sprachen, wurde uns klar, dass es wirklich einen Markt für die Idee gibt. Nachdem das Projekt dann bewilligt wurde, war klar, dass wir die Carboscreen GmbH gründen werden. Inzwischen erhalten wir auch Anfragen aus Branchen, die nicht unmittelbar mit der Herstellung von Hochleistungsfasern oder Faserverbundwerkstoffen zu tun haben.
Leichtbauwelt: Welche weiteren Entwicklungen planen Sie?
Tim Röding: Unsere Zielmärkte sind zunächst die Carbonfaserherstellung sowie die Herstellung von Faserverbundwerkstoffen. Die Entwicklungen zielen somit zunächst auf Sensortechniken zur inline-Bestimmung bestimmter Fasereigenschaften ab. Da wir planen, die Systeme zu patentieren, kann ich hier leider nicht weiter ins Detail gehen. Neben der Sensorhardware entwickeln wir natürlich stets die Auswertesoftware weiter.
Aber da wir auch Anfragen aus anderen Branchen erhalten, passen wir unsere Systeme für den jeweiligen Einsatz an. Zuletzt haben wir eine öffentliche Förderung für ein Projekt erhalten, in welchem wir unser optisches System nutzen, um die Qualität von recycelten Textilien zu kategorisieren und die Tragbarkeit zu bewerten. Unsere Aufgabe im Projekt umfasst die Entwicklung des Sensors sowie der dazugehörigen Auswertungs-KI.
Leichtbauwelt: Wo sehen Sie Ihr Unternehmen mittelfristig?
Tim Röding: Wir gehen davon aus, dass die moderne Carbonfaserherstellung und -verarbeitung auf Digitalisierung setzen wird. Unsere Kunden werden Vorteile hinsichtlich der Kosten- und Energieeffizienz sowie der Produktqualität und Prozesssicherheit haben. Die Systeme sind auch für Marktneueinsteiger oder neue Produktionstechnologien wie der Einsatz von Plasma oder Mikrowellen in der Faserherstellung interessant, da sich mit ihnen die Entwicklungszeit für stabile Prozesse und der erforderliche Aufwand für Qualitätssteigerungen deutlich reduzieren lässt. Ein Einsatz in Forschungsanlagen ist ebenfalls denkbar, da die gewonnen Messdaten neue Möglichkeiten zur Erforschung der Carbonfaserherstellung ermöglichen.
Leichtbauwelt: Für welche Branchen könnte ihre Idee über die bisherigen Anwendungen hinaus nützlich sein?
Tim Röding: Die Technologie eignet sich grundsätzlich für alle Produktionsprozesse, in denen Veränderungen oder Qualitätsschwankungen aufgrund der eingesetzten Materialien oder Prozessbedingungen auftreten können. Die Frage ist immer, was möchte der Kunde mit den gewonnenen Messdaten erreichen. Oder welche Möglichkeiten bestehen, aus den Messdaten Verbesserungen für das Produkt und den Prozess abzuleiten? Der einfachste Anwendungsfall ist das Aufnehmen von Produktdaten in der laufenden Produktion, um Rückschlüsse auf den Prozess oder das Ausgangsmaterial im Falle eines Fehlers machen zu können. Die nächste Stufe wäre die automatische Ausgabe eines Signals, falls ein bestimmter Schwellenwert überschritten wird.
Leichtbau ist für mich persönlich …
~… von entscheidender Bedeutung für die Energie- und Mobilitätswende.
Die größte Herausforderung im Leichtbau ist …
~… neue Technologien für eine nachhaltigere Herstellung und Recycelbarkeit zu entwickeln, die gleichzeitig kostengünstig sind.
Der wichtigste Trend im Leichtbau ist aktuell …
~… die Nachhaltigkeit zu steigern.
Leichtbauwelt: Für was oder für welche Anwendungen lassen sich die Sensoren mit KI-Auswertung nicht einsetzen?
Tim Röding: In den meisten Fällen sind die Kosten und die Produktionsgeschwindigkeit die größte Einschränkung. Ein Einsatz unserer Technologie in der Herstellung von Polyestergarnen für die Bekleidungsindustrie ist aufgrund der Kosten der Sensorsysteme sehr wahrscheinlich noch nicht wirtschaftlich. In der Carbonfaserherstellung hingegen amortisiert sich ein Sensorsystem – je nach Ausführung – innerhalb von zwei bis vier Jahren.
Leichtbauwelt: Gab es in der kurzen Zeit, die Sie mit Ihrem Unternehmen am Markt sind, schon außergewöhnlich spannende Projekte oder eine Lösung, auf die Sie besonders stolz sind?
Tim Röding: Eine besondere Herausforderung war kürzlich das Skalieren des optischen Sensorsystems von unserer Technikumsanlage am Institut auf die Größe einer industriellen Carbonfaserproduktion – etwa drei Meter Breite. Das System muss in der Lage sein, nicht nur ein Garn zu überwachen, sondern gleichzeitig mehrere hundert Garne, welche dabei auch noch sehr eng nebeneinander liegen.
Zurzeit untersuchen wir zusammen mit unserem ITA-Kollegen Dr.-Ing. Christian Boltersdorf in einem Projekt des Mittelstand Digital Zentrum Smarte Kreisläufe den Einsatz des optischen Systems zur Überwachung der Gewebeherstellung aus Carbonfasern. Neben der im Vergleich zur Carbonfaserherstellung größeren Produktionsgeschwindigkeit liegt die größte Schwierigkeit hier in der Vibration der Anlagen.
Leichtbauwelt: Welchen Herausforderungen begegnen Sie in Ihrem „Leichtbau“-Alltag?
Tim Röding: Die Akteure in der Carbonfaserindustrie sind sehr verschlossen und nur schwierig von neuen Technologien zu überzeugen. Man muss ein gutes Netzwerk haben, um seine Technologie bei den Herstellern platzieren zu können. Hinzu kommt, dass Carbonfasern ein Dual-Use Good sind und Technologien, die mit ihrer Herstellung zu tun haben, eine Ausfuhrgenehmigung erfordern.
Aber ich denke, der größte Sprung steht uns als junges Startup-Team noch bevor. Mit dem Abschluss unseres EXIST-Projektes im nächsten Jahr werden wir zum ersten Mal vollständig „auf eigenen Beinen“ stehen müssen. Das Arbeiten am ITA, das durch sehr viel Eigeninitiative und Eigenverantwortung geprägt ist, hat uns jedoch gut darauf vorbereitet. Wir sind überzeugt davon, dass unser Geschäftsmodell ein Erfolg wird und wir uns als Unternehmen am Markt etablieren können.
Leichtbauwelt: Welche drei wichtigsten Tipps würden Sie all denjenigen mitgeben, die gründen wollen?
Tim Röding:
- Achte darauf, dass ihr euch im Team gut ergänzt. Jeder sollte eine bestimmte Rolle erfüllen können und dies auch mit voller Überzeugung tun wollen.
- Lass dir Tipps von erfahrenen Gründern geben und suche dir passende Mentoren.
- Bringe Geduld und Ausdauer mit.
Leichtbau und Mobilität …
~… sind heute schon untrennbar miteinander verbunden. Die Reduktion des Gewichts trägt entscheidend dazu bei, den Energieverbrauch zu reduzieren und eine nachhaltige Mobilität zu ermöglichen.
Leichtbau im Bauwesen …
~… bietet ein Riesenpotenzial. Alleine in Deutschland müssen in den nächsten Jahren mehrere Tausend Brücken saniert werden.
Leichtbau ist eine Schlüsseltechnologie für den Klimaschutz, weil …
~… Leichtbauwerkstoffe die Einsparung von Energie und Ressourcen in zahlreichen Branchen ermöglichen.
Dieses Interview für Leichtbauwelt ist mir wichtig, …
~… um Sichtbarkeit für unser Unternehmen zu generieren und im besten Fall Kooperationen anzustoßen. Wir freuen uns darauf unsere Technologien vorzustellen.
Leichtbauwelt: Welche Leichtbau-Innovation, welches Projekt oder Forschungsergebnis hat Sie in der letzten Zeit besonders fasziniert?
Tim Röding: Wir verfolgen natürlich gespannt alle Entwicklungen in der Faserverbundwelt. Besonders interessant fanden wir die Entwicklungen in der Ofentechnik zur Stabilisierung von polyacrylnitrilbasierten Precursorfasern wie dem End-to-End Oxidationsofen der Onejoon GmbH oder der Mikrowellen-Forschungsanlage von Mitsui Chemicals. Die Forschungsanstrengungen zur Entwicklung einer Carbonfaser aus biobasiertem Polyacrylnitril bieten ebenfalls ein großes Potenzial, die Leichtbauwelt nachhaltig zu beeinflussen.
Leichtbauwelt: In welcher Branche oder in welchen Produkten entfaltet Ihrer Ansicht nach Leichtbau den größten Nutzen?
Tim Röding: Der Einsatz von Leichtbaumaterialien ist überall dort sinnvoll, wo Gewicht eine entscheidende Rolle auf die Leistung, Effizienz und Kosten nimmt. Typischerweise handelt es sich hierbei um Bauteile, die sich in Bewegung befinden. Die klassischen Branchen, die hier genannt werden, sind die Luft- und Raumfahrttechnik, die Windenergie, Automotive oder der Schiffbau. Leichtbauwerkstoffe wie carbonfaserverstärkter Beton können allerdings auch zum Bau oder zur Sanierung von Gebäuden oder Brücken eingesetzt werden. Ein großer Vorteil von Carbonbeton im Vergleich zum Stahlbeton ist beispielsweise die bessere Korrosionsbeständigkeit.
Leichtbauwelt: Welche Branchen oder Trends treiben nach Ihrer Erfahrung die Entwicklungen im Leichtbau voran?
Tim Röding: Die Entwicklungen im Leichtbau sind oft mit dem Ziel verbunden, die Energieeffizienz zu steigern, die Umwelt zu schonen und gleichzeitig die Leistungsfähigkeit von Produkten zu verbessern. Ein aktueller Trend ist, den Leichtbau nachhaltiger zu gestalten. Ungeachtet der Energieeinsparungen während ihrer Nutzungsdauer, weisen insbesondere carbonfaserverstärkte Werkstoffe noch eine größeren CO2-Fußabdruck in der Herstellung auf als konventionelle Werkstoffe. Hier gibt es noch einiges an Innovationspotenzial in den Herstellungsprozessen und der Rohstoffbereitstellung.
Leichtbauwelt: Hatten die turbulenten letzten Jahre Auswirkungen auf Ihren Start als Unternehmen? Wenn ja, welche?
Tim Röding: Die Auswirkungen der COVID-Pandemie sowie des russischen Angriffskrieges in der Ukraine spiegeln sich auch in der Leichtbauindustrie wider. Zwar erholt sich die Nachfrage nach Leichtbauwerkstoffen weiterhin, aber selbst etablierte Hersteller geraten in finanzielle Schwierigkeiten. Die Auswirkungen spüren sogar wir als junges Unternehmen.
Leichtbauwelt: Lassen Sie uns ein bisschen träumen: Wenn Sie einen Wunsch für den Leichtbau und Ihr Unternehmen frei hätten, was würden Sie sich wünschen?
Tim Röding: Für den Leichtbau wünsche ich mir, dass alle Branchen etwas mehr Mut zu Innovationen aufweisen würden. Für unser Unternehmen wünsche ich mir, dass wir uns in ein, zwei Jahren als feste Größe in der Leichtbauindustrie etabliert und einen entscheidenden Beitrag zur Digitalisierung der Branche beigetragen haben.
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