… für und durch den Leichtbau und in allen Wirtschaftsbereichen deutlich an Bedeutung. Binsenweisheit – werden Sie jetzt denken – klar, wollen wir alle unsere Erde und unser Klima für nachfolgende Generationen erhalten. Nicht so klar scheint mir aber zu sein, was darunter verstanden wird.
Einige sprechen von nachhaltig, wenn sie nachwachsend meinen. Das ist nicht zwangsläufig dasselbe. Andere sprechen von nachhaltig, wenn die CO2-Bilanz eines (Teil-)Prozesses oder Bauteils recht niedrig ausfällt – und vergessen dabei die Nutzungsphase – oder die Herstellung der Rohstoffe.
Das Prädikat „nachhaltig“ gewinnt an Attraktivität. Nicht nur, weil uns allen die Notwendigkeit des Klimaschutzes bewusst ist, sondern auch, weil sich deshalb mit „grünen“ Produkten mehr und mehr Gewinn machen lässt.
„Knapp 43 Prozent der befragten Unternehmen gaben bei einer Umfrage des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) aus dem Jahr 2018 an, dass Nachhaltigkeit ein wesentlicher Bestandteil ihrer Unternehmensphilosophie ist. Rund 27 Prozent gaben an, dass Hinsichtlich ökologischer Nachhaltigkeit in ihrem Betrieb weit über die gesetzlichen Vorgaben hinaus gegangen wird.“ (Quelle: Statista)
Diese Attraktivität ist nicht unbedingt ein Vorteil, denn sie öffnet auch dem beabsichtigten und unabsichtlichen Missbrauch Tür und Tor. Das hat Folgen: In einer Studie zum Thema Nachhaltiger Konsum halten 19 Prozent der Befragten Nachhaltigkeit sogar für eine Masche oder kaufen lieber bekannte Produkte.
Um die richtigen Entscheidungen zu treffen, unternehmerisch UND ehrlich mit dem Thema umgehen zu können und die nächste Produktentwicklung in sinnvolle Bahnen zu lenken, bedarf es eines profunden Wissens darüber, was nachhaltig bedeutet – und dass nicht nur die zu verkaufenden Produkte, sondern auch das eigene Unternehmen das Klima beeinflussen.
Aufklärung, Definition, Wissensvermittlung, offene Diskussionen und Lernen von Beispielen ist bei diesem Thema deshalb wichtig. Darauf reagieren auch die Veranstalter: Das Thema Nachhaltigkeit nimmt einen zunehmend breiten Raum ein.
Wir haben uns einige Veranstaltungen im November daraufhin angesehen und geben im Folgenden einen Überblick, wer wo was dazu zu sagen hat.
Formnext
Die additive Fertigung ist ein wunderbares Verfahren, um Bauteile materialeffizient herzustellen – bezogen auf das Bauteil. Einige der additiven Verfahren sind jedoch weder material- noch energieeffizient. Hier wird in den nächsten Jahren mit dem weiteren Reifen dieser Prozesstechnologie ein Umdenken stattfinden – eine Wandlung für die andere Technologien deutlich mehr Zeit hatten. Für die AM bedeutet der Druck zu mehr Klimaschutz eine Herausforderung, die schnell gelöst werden muss.
- Umdenken in der industriellen additiven Fertigung in Richtung Produktivitätssteigerung und Nachhaltigkeit
Mark Vaes, Additive Industries b.v.
16.11. um 13:15 Uhr - Podiumsdiskussion zu Nachhaltigkeit und additive Fertigung – moderiert von AMGTA
Eric Bono, 6K; Rosa Coblens, Stratsys; Björn Hannapel, EOS; Edvin Resebo, AMEXCI; John Hartner, ExOne
17.11. um 11:40 Uhr - Der Weg zur Nachhaltigkeit in der additiven Fertigung
Alexander Mahr, Universität Bayreuth
18.11. um 13:45 Uhr - Nachhaltigkeit durch AM – Der dänische Weg
Steffen Haslund-Schmidt, Dansk AM Hub
18.11. um 14:00 Uhr - Additive Fertigung als Teil des Europäischen Green Deals – Wo wird sie eingesetzt?
Felix Piontek, Sphera Solutions
18.11. um 14:15 Uhr - Werkstoffe einer Kreislaufwirtschaft: Rohstoffe aus Abfällen
Mike Hunt, 3DPrintcomwall
18.11. um 14:30 Uhr
Leichtbau-Gipfel der Automobil Industrie
Im Automobilbau kommt das Thema Nachhaltigkeit gerade mit Macht an – befeuert durch immer strengere Grenzwerte für die CO2-Emissionen und den European Green Deal. Deutlich wird dies an der Vielfalt der Themen, die in auf dem Leichtbau-Gipfel Würzburg am 16. und 17. November besprochen werden.
- OEM-Strategie: Nachhaltigkeit. Die Strategie von Ford abgeleitet aus den UN-Nachhaltigkeitsentwicklungszielen mit Schwerpunkt Klimaschutz bedeutet auch Elektrifizierung bis 2030. Dabei steigt die relative Bedeutung der CO2-Emissionen für Zulieferer und aus der Materialherstellung.
Dr. Wulf-Peter Schmidt, Ford of Europe
16. 11. um 10:35 Uhr - Nachhaltiger Einsatz von Werkstoffen für die Karosserie im Kontext der Ambition 2039: Der richtige Werkstoffmix für eine CO2-neutrale Flotte im Spannungsfeld zwischen Emission, Funktion und Wirtschaftlichkeit.
Dr. Thomas Behr, Mercedes-Benz AG
16.11. um 11:50 Uhr - Wiederverwendbare Leichtbaustrukturen für nachhaltige Karosserien (Projekt FiberEUse)
Leichter Langläufer: Wiedeverwendbare Fahrzeugplattform schafft 1 Mio. Kilometer
Dr.-Ing. Stefan Caba, Edag Engineering
16.11. um 12:15 Uhr - Einsatz von recycelten Carbonfasern in der Automobilindustrie
Frank Manis, Fraunhofer IGCV
17.11. um 9:25 Uhr - Salcos: Herstellung CO2-reduzierter Stähle
Dr. Alexander Redenius, Salzgitter Mannesmann Forschung
17.11. um 10:15 Uhr - CO2-Bilanz: Recyclingmaterialien als Chance für Faserverbundwerkstoffe im Automobilbau
Dr. Bastian Brenken, Composites United
17.11. um 14:00 Uhr - Entwicklung eines naturfaserverstärkten Biokunststoffverbundbauteils am Beispiel einer Sitzschale
Dr.-Ing. Sebastian Heßner, Evonik Operations; Michael Begert, Edag Engineering
17.11. um 14:25 Uhr - Nachhaltiger Leichtbau: Composites in 3D-Technologiestudie
Rainer Kurek, Automotive Management Consulting
17.11. um 14:50 Uhr - BFK in 3D im Spitzensport und im Automobilbau
Kai Kisseberth, Csi Entwicklungstechnik; Philipp Nothof; Claude Maack, Gradel
17.11. um 15:05 Uhr - Basalt- / Naturfasertrends im Leichtbau: Perspektiven für mehr Nachhaltigkeit
Prof. Dr.-Ing. Markus Milwich, DITF
17.11. um 15:55 Uhr
JEC Forum DACH
Composites oder Faserverbundkunststoffe haben ein besonders hohes Leichtbaupotenzial und einige andere technische Eigenschaften, die sich zum Beispiel im Kontext Funktionsintegration besonders gut nutzen lassen. Doch ihre Herstellung ist energieintensiv und teuer, die Herkunft aus fossilen Rohstoffen macht die Bilanz auf den ersten Blick nicht besser. Bereits der zweite Keynote-Vortrag auf der Premiere des JEC Forum DACH vom 23. bis 24. November befasst befasst sich mit diesem Thema: Prof. Hans-Josef Endres, IKK, versucht eine Bewertung der Nachhaltigkeit von Verbundwerkstoffen.
Im Fachvortragsblock des 23.11. geht es ab 15 Uhr um folgende weitere Themen:
- Recycling von thermoplastischen Verbundwerkstoffen zu hochwertigen langfaserverstärkten Thermoplasten
Marnix van Gurp, Brightlands Materials Center - Das mechanische Recycling von Glasfasern kann profitabel sein.
Andrea Tuni, Universität von Strathclyde - Lust auf Natur – Steigerung der Nachhaltigkeit bei der Herstellung von Composites-Harzen
Thomas Wegmann, AOC Aliancys - Aktuelle Gesetzgebung für Hersteller von Composite-Teilen
Dirk Punke, BÜFA
Werkstoffsymposium
Die Veranstaltung von ITS mobility in Salzgitter dreht sich von 29. bis 30. November unter anderem um Werkstoffe für die Mobilität. Neben den alternativen und hoffentlich dank CO2-Reduktion klimaschützenden Antriebskonzepten geht es dabei auch um die Nachhaltigkeit.
- Keynote: Nachhaltige Produktion und Life Cycle Engineering
Prof. Dr. C. Herrmann, TU Braunschweig, Fraunhofer IST
29.11. um 13:00 Uhr - CO2 – die neue Währung für den Leichtbau
Dr. S. Fuchs, T. Hagenbruch, beide McKinsey & Company
30.11. um 09:00 Uhr - Dilemmata der Nachhaltigkeit
Prof. Dr. N. C. Karafyllis (TU Braunschweig)
30.11. um 11:25 Uhr - Entwicklung nachhaltiger polymerer Oberflächenmaterialien
Dr. C. Zürbig, Continental Surface Solutions
30.11. um 11:45 Uhr - Dekarbonisierung von Fabriksystemen mit grünem Wasserstoff
C. Imdahl, Fraunhofer IST; M. Gensicke, Robert Bosch Elektronik
30.11. um 12:05 Uhr - Materialrecycling von Elastomeren: Möglichkeiten, Herausforderungen und Limitierungen
Dr. R. Ghosh, University of Twente
Technologietag Leichtbau
Bereits stattgefunden hat der Technologietag Leichtbau der Leichtbau BW. Auch hier stand in vielen Vorträgen die Nachhaltigkeit im Vordergrund – oder wurde mindestens angesprochen. Kaum eine Session, kaum ein Referat kam ohne aus.
Im Vortrag „Hybrider Leichtbau – ein Instrument für mehr Nachhaltigkeit“ sprach sich Prof. Dr. Frank Henning, Fraunhofer ICT, für die gesamtheitliche Betrachtung jedes einzelnen Produkts und Bauteils im Sinne einer umfassenden Ökobilanz aus. Diese beginnt bei der Rohstoffherstellung und reicht über die Nutzungsphase bis hin zum Recycling. Und vor allem die Nutzungsphase verändere häufig die Bewertung einzelner Werkstoffe. Einfache Bewertungen sind in Bezug auf die Nachhaltigkeit beziehungsweise die parameterintensive LCA nicht möglich.
Patrick Springer, Fraunhofer IPA, sensibilisierte die Teilnehmer dafür, dass man für Nachhaltigkeitsbewertungen genau hinsehen muss. Am Beispiel des selektiven Lasersinterns beschrieb er anschaulich und trotz aller Begeisterung für die additive Fertigung, wie viel „Altpulver“ selbst bei optimiertem Nesting in diesem Fertigungsschritt als Abfall bleibt und derzeit verworfen wird. Bis zu 80 % Altpulver entsteht bei jedem Baujob. Dieses könne derzeit als Mikroplastik höchstens noch in der Pulverbeschichtung eingesetzt werden. Um das SLS-Verfahren nachhaltiger zu gestalten, werde hier an einer Klassierung des Pulvers geforscht, um einen deutlich höheren Anteil für neue Bauteile wiederverwenden zu können. Denn die Pulverherstellung, aber auch der Bauprozess sind zudem vergleichsweise energieintensiv.
Am meisten fasziniert hat mich persönlich der Vortrag von Dr. Matthias Harsch, LCS Life Cycle Simulation, der sich seit über 20 Jahren mit Tools zur Lebenszyklusanalyse und zum Erstellen von Ökobilanzen beschäftigt.
„Wir haben alle Technologien verfügbar, die wir brauchen, um die Erde sauber zu halten und in der Technosphäre die Kreisläufe zu schließen. Wir müssen sie nur anwenden.“
Dr. Matthias Harsch, LCS Life Cycle Simulation
Die Ökobilanz gibt es zertifiziert seit 1996 – man müsse sie nur in aller Konsequenz anwenden. Dazu helfen die auf den Einzelfall anpassbaren Softwaretools des Unternehmens, in denen eine Art Schalenmodell angewendet wird, beginnend bei Technischen Kennzahlen über Energie- und Materialströme und die Ökobilanz bis zu Personal- sowie Produkt- / Lebenszykluskosten. Dabei schaffen, so beschrieb Harsch diesen Ansatz, die Energie- und Materialströme aus dem physikalischen Ansatz der Ökobilanz für strategische, unternehmerische Entscheidungen mehr Erkenntnisgewinne als reine Kostenrechnungsansätze. Bei einer ganzheitlichen Sichtweise auf Produkte kann die Nachhaltigkeit nicht nur an CO2-Emissionen festgemacht werden. Vielmehr müssten unterschiedliche Umweltauswirkungen betrachtet und bewertet werden – Luft- und Wasseremissionen, Landnutzung, CO2-Speicherung, Energieerzeugung, Biodiversität und Landnutzung.
Aus diesem motivierenden Vortrag habe ich persönlich als Impuls mitgenommen: Wenn wir es uns zum Grundsatz jeder Produktentwicklung machen, Ökologie in allen Aspekten und die Ökonomie gemeinsam zu betrachten, so entsteht Nachhaltigkeit als entscheidender Wettbewerbsvorteil.
Bild oben: (Quelle: Pixabay | geralt)

Autor: Christine Koblmiller, Redakteurin, Gründerin, Fachjournalistin aus Leidenschaft, überzeugter Leichtbau-Fan.
Mit dem Metamagazin Leichtbauwelt.de habe ich 2018 den Schritt in die Selbständigkeit gewagt und mit Leichtbauwelt ein neues Medienformat im B2B-Umfeld geschaffen. Seit etwa 25 Jahren bin ich Redakteurin für technische B2B-Fachzeitschriften. Für verschiedene führende Fachmagazine habe ich als eBusiness-Projektmanager Industrie schon 2001 crossmediale Angebote eingeführt, denn die Digitalisierung aller Lebensbereiche hat Einfluss auf unser Informationsverhalten. Deshalb bin ich mir sicher, dass sich die Medienbranche wandeln muss. Mehr über mich finden Sie unter Conkomm, auf Xing oder LinkedIn.
„Leichtbau fasziniert und begeistert Techniker. Er ist für die Herausforderungen der Zukunft unabdingbar. Deshalb bin ich sicher, dass der Markt für ein Angebot wie Leichtbauwelt.de reif ist.“
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