Unsichtbar, aber entscheidend: Was die Hightech-Agenda über Leichtbau (nicht) sagt

Die neue Hightech-Agenda des Bundes liest sich wie ein Schaufenster der Zukunft: Künstliche Intelligenz, Quantentechnologie, Mikroelektronik, Fusion und klimaneutrale Energien, Technologien für klimaneutrale Mobilität. Allesamt greifbare Zukunftstechnologien mit klarer Industriezuordnung. Doch wer genau hinschaut, stellt fest: Es fehlen zwei entscheidende Faktoren für die industrielle Transformation. Leichtbau und Klimaschutz tauchen nur zwischen den Zeilen auf.

Beide gelten als gesetzt, werden aber nicht benannt. Sie stecken zwischen den Zeilen, wirken an vielen Stellen mit, erhalten aber keine eigene Sichtbarkeit. Das ist riskant, so meine ich, denn was nicht genannt wird, findet politisch kaum statt.

Leichtbau und Klimaschutz: Was sie verbindet

Leichtbau ist keine Branche und keine Technologie, sondern ein Prinzip: Ressourcen sparen durch intelligente Produkt- und Systementwicklung. Klimaschutz ist ebensowenig eine Technologie, sondern ein Ziel, das sich durch alle Innovationen ziehen muss. Beide lassen sich schwer in statistische Schubladen pressen – und gerade deshalb werden sie in den klassischen Strategiedokumenten wieder übergangen.

Dabei zeigte die Marktstudie des BMWE / BMWK, dass Leichtbau in Deutschland jährlich rund 124 Milliarden Euro Wertschöpfung generiert und mehr als 1,3 Millionen Menschen beschäftigt. Das Fraunhofer ISI nennt ihn sogar eine „Schlüsseltechnologie für nachhaltige Industrieentwicklung“ – quer durch Automobil, Luftfahrt, Maschinenbau und Energie.

Welche wirtschaftliche Bedeutung hat der Leichtbau in Deutschland?

Eine weitere Studie aus dem Jahr 2022 des Bundeswirtschaftsministeriums schätzt die wirtschaftlichen Folgekosten unterlassener Klimaschutzmaßnahmen in Deutschland bis 2050 auf bis zu 900 Milliarden Euro – durch Schäden an Infrastruktur, Gesundheit und Produktivität. Diese Zahl zeigt, dass Klimaschutz eine wirtschaftliche Notwendigkeit ist – Leichtbau kann hier als Effizienzhebel eine zentrale Rolle spielen.

Was passiert, wenn Leichtbau politisch nicht vorkommt

Ohne strategische Verankerung fehlen gezielte Förderprogramme, der Ausbau von Transfernetzwerken und industrielle Anreize. Gerade für das wirtschaftliche Rückgrat Deutschlands, die KMU, die in der Umsetzung innovativer Leichtbaulösungen stark sind, entsteht so ein Nachteil gegenüber den großen Tech-Branchen mit klar definierter Polit-Agenda.

Und auch der Klimaschutz wird so zum Nebenprodukt statt zur zentralen Richtschnur technologischer Entwicklung. Die Agenda benennt zwar klimaneutrale Mobilität oder Energieerzeugung – aber der Klimaschutz selbst als Ressourceneffizienz und Nachhaltigkeit im Sinne der SDGs bleibt in der Hightech-Agenda seltsam konturlos und verschwommen.

Wo Leichtbau wirkt – konkrete Beispiele

Leichtbau bestimmt schon heute unseren Alltag und die Produktivität ganzer Industriezweige. In der Mobilität ermöglicht Leichtbau mehr Reichweite und geringeren Energieverbrauch. Für Nutzfahrzeuge sind durch Gewichtseinsparungen am Chassis und anderen strukturellen Bauteilen deutlich mehr Nutzlast und Laderaum drin – bei gleichzeitig reduziertem Energieeinsatz. Die E-Mobilität ist auf den Leichtbau angewiesen, sei es um Gewichtsklassen für Fahrzeuge einzuhalten, immer mehr Elektronik (Kabel sind schwer!) auszugleichen oder Batteriegehäuse leicht, sicher und recyclingfähig zu gestalten. In der Energieinfrastruktur reduziert Leichtbau den Materialeinsatz, verbessert Transport und Montage. Windkraft und Solarenergie profitieren von leichten Rotorblättern und geringem Gewicht bei Solarzellen. Auch können für Wasserstoff-Drucktanks systematisch Gewicht und Prozesskosten gesenkt werden. Und in der Luftfahrt – gleich ob klimaneutral oder nicht – ist Leichtbau Grundvoraussetzung, nicht Option. Strategische Forschungsfelder – wie beispielsweise die Raumfahrt – kommen ohne Leichtbau nicht weiter. Selbst im militärischen Bereich ist der Leichtbau unverzichtbar: Schwere Dronen haben kaum Traglast und Tragen persönlicher Schutzausrüstung ist bei geringerem Gewicht deutlich leichter. Und bei dieser Aufzählung habe ich sicher noch unzählige Anwendungen vergessen: Orthesen, (Hand-)Werkzeuge, Campingfahrzeuge, das Bauwesen, den Schiffbau und, und, und…

Und selbst wenn es nicht offensichtlich ist: Selbst in der Digitalisierung bietet Leichtbau eine geeignete Fläche, um die reale mit der virtuellen Welt zu verbinden. Der Einsatz von KI und Digital Twins beschleunigt nicht nur Entwicklungszyklen, sondern senkt in der Nutzungsphase der Bauteile und Produkte Kosten und Energieverbrauch – Test- und Anwendungsfelder dafür stellt der Leichtbau per se. Selbst in der Mikroelektronik entstehen durch funktionsintegrative Leichtbau-Konzepte neue Möglichkeiten: So kann Mikroelektronik direkt in thermoplastische Leichtbau-Strukturen integriert werden, was Bauraum spart und Systeme effizienter macht.

Fazit: Leichtbau und Klimaschutz sind kein Beiwerk, sondern die Basis

Die Hightech-Agenda nennt viele Zukunftsfelder – aber sie vernachlässigt die strukturellen Prinzipien, die diese Felder tragfähig machen. Leichtbau und Klimaschutz sind keine additiven Features, sondern das zentrale Fundament jeder nachhaltigen Innovationsstrategie. Wer sie nicht sichtbar macht und explizit fördert, riskiert, dass genau die Technologien scheitern, die man politisch eigentlich voranbringen will.

Unser Antrieb mit Leichtbauwelt ist genau das: Den Leichtbau sichtbar zu machen. Dazu einen öffentlichen Raum zu bieten, in dem der Leichtbau – als Denkweise und als wirtschaftlicher Faktor – durch Fachbeiträge, Projektbeispielen und im Jahrbuch der Leichtbau-Inspirationen die Sichtbarkeit bekommt, die er verdient.

Bild oben: Eine Hightech-Agenda ohne Leichtbau und Klimaschutz – Warum das ein Fehler ist. (Quelle: Depositphotos)


Quellen:


Christine Koblmiller

Autor: Christine Koblmiller, Redakteurin, Gründerin, Fachjournalistin aus Leidenschaft und überzeugter Leichtbau-Fan.

Mit dem Metamagazin Leichtbauwelt.de habe ich 2018 ein neues Medienformat im B2B-Umfeld geschaffen. Leichtbauwelt ist Inspiration für Ihren Fortschritt und Wissen, wie’s leicht wird. Leichtbauwelt verlinkt, vernetzt und ordnet ein, verlagsunabhängig und transparent. Partei ergreife ich nur für den Leichtbau, von dessen Nutzen ich überzeugt bin.

Seit etwa 25 Jahren bin ich Redakteurin für technische B2B-Fachzeitschriften. Für verschiedene führende Fachmagazine habe ich als eBusiness-Projektmanager Industrie schon 2001 crossmediale Angebote eingeführt, denn die Digitalisierung aller Lebensbereiche hat Einfluss auf unser Informationsverhalten. Deshalb bin ich mir sicher, dass sich die Medienbranche wandeln muss. Mehr über mich finden Sie unter Conkomm, auf Xing oder LinkedIn.

„Leichtbau fasziniert und begeistert. Die Entwicklung von Leichtbauwelt über die letzten Jahre zeigt, dass der Markt unser Angebot braucht und gerne annimmt.“

 

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