Immer dann, wenn ein Bauteil in seiner Form an ein Rohr, ein Profil, eine Leiste oder einen Stab erinnert, sollte in der Produktentwicklung oder Konstruktion die Pultrusion als mögliches Fertigungsverfahren in Betracht gezogen werden. Das Pultrudieren – auch als Strangziehen bezeichnet – ist ein kontinuierliches Verfahren, mit dem längliche Bauteile hergestellt werden. Pultrudierte Bauteile bestehen häufig aus GFK oder CFK.
Leichtbau leicht gemacht: Fertigungsprozesse und Fügeverfahren In den Antworten auf sieben Fragen zur Pultrusion stellen wir das Strangziehen als Fertigungsprozess vor. Was ist Pultrusion? Welche Werkstoffe eignen sich für das Pultrudieren? Welche Bedeutung hat die Pultrusion im Leichtbau? Worauf müssen Produktentwickler achten? In welchen Branchen werden pultrudierte Bauteile verwendet? Welches sind die wichtigsten Vorteile und welches die wichtigsten Nachteile der Pultrusion Spritzgießens? Und wir zeigen Beispiele für pultrudierte Leichtbau-Teile.
Was ist Pultrusion?
Der Pultrusionsprozess zeichnet sich durch eine hohe Effizienz und Präzision aus. Zunächst werden kontinuierlich die Fasern eingezogen, die als Verstärkungsmaterial dienen. Im nächsten Schritt wird das Verstärkungsmaterial mit dem Matrixmaterial imprägniert und anschließend werden die imprägnierten Fasern dann durch ein Formwerkzeug gezogen.
Während des Durchlaufs durch das temperaturgeführte Werkzeug erhärtet das Material. Das Verfahren ermöglicht eine hohe Maßgenauigkeit und Reproduzierbarkeit. Durch den Pultrusionsprozess können komplexe Profilquerschnitte realisiert werden. Die produzierten Profile zeichnen sich durch eine hohe Festigkeit bei vergleichsweise geringem Gewicht aus, weshalb das Strangziehen in der industriellen Fertigung von Faserverbundbauteilen eine bedeutende Rolle eingenommen hat.
Welche Werkstoffe eignen sich für die Pultrusion?
Der Werkstoff der Wahl für die Herstellung pultrudierter Bauteile sind faserverstärkte Kunststoffe – ein Leichtbaumaterial mit hohem Zukunftspotenzial.
Fasern – die verstärkenden Materialien

Als Fasern zur Erhöhung von Festigkeit und Steifigkeit kommen für die Herstellung eines Profils durch das Strangziehverfahren vor allem die im Leichtbau üblichen Faser-Werkstoffe in Frage: Glasfaser, Carbonfaser, Naturfaser, Aramid- und Basaltfaser. Diese können jedoch nicht nur als Endlosfasern im Pultrusionsverfahren eingesetzt, sondern auch zu sogenannten Matten, Vliesen oder Geweben aus Glasfaser oder Carbonfaser verarbeitet dem Prozess zugeführt werden. Tabelle 1 zeigt Beispiele.
Matrix – Duroplaste, Thermoplaste und mehr
Beim Strangziehen werden in der Regel die kontinuierlichen Fasern mit Harz getränkt und durch eine formgebende Düse gezogen, um die gewünschte Querschnittsgeometrie zu erhalten. Verarbeitet werden vor allem ungesättigte Vinylester-, Epoxid-, ungesättigte Polyester- und Phenolharze sowie Methacrylatharze (wegen der optimalen halogenfreien Flammschutzeigenschaften), und Polyurethan.
Composites mit duroplastischer Matrix sind aufwändiger zu recyceln, weshalb zunehmend auch thermoplastische Faserverbundkunststoffe im Pultrusionsverfahren verarbeitet werden. Die thermoplastische Matrix sorgt zusätzlich für eine Verbesserung spezifischer Eigenschaften wie Oberflächengleitfähigkeit, nachträgliche Verformbarkeit bei Wärmeeinwirkung, Abriebfestigkeit und chemische Beständigkeit. Hauptsächlich werden Polyethylene, Polypropylene und Polyamide als Matrixmaterialien verwendet.
Welche Vorteile hat die Pultrusion?
➕ Die Pultrusion bietet ein hohes Maß an Gestaltungsfreiheit. Durch das gezielte Anpassen der drei Variablen Faser, Matrix und Werkzeug lassen sich viele Anforderungen an das Profil erfüllen. Als Querschnittsgeometrie lassen sich von Vollprofilen bis zu komplexen Mehrkammer-Hohlstrukturen verschiedene Formen realisieren.
➕ In der Herstellung sind unterschiedliche Längen realisierbar. Die Profile selbst können gerade sein oder einen leichten Krümmungsradius aufweisen.
➕ Da es sich um einen kontinuierlichen Prozess handelt, kann die Qualität der Profile mit vergleichsweise geringerem Aufwand konstant hoch gehalten werden.
➕ Beim Strangziehverfahren handelt es sich um einen ressourcenschonenden, materialeffizienten Herstellungsprozess.
➕ Sollten für individuelle Profileigenschaften Additive notwendig sein, so ist deren Zuführung im Prozess in der Regel unproblematisch.
➕ Die Pultrusion ist ein hochautomatisierbarer Fertigungsprozess und aufgrund des hohen möglichen Outputs als kosteneffizientes Verfahren für die Großserie einzustufen.
Welche Nachteile bringt die Pultrusion mit sich?
➖ Kleinteile lassen sich nicht im Pultrusionsverfahren herstellen.
➖ Primär werden durch das Verfahren des Strangziehens Halbzeuge hergestellt, da weitere Arbeitsschritte notwendig sind. Dem Pultrudieren folgen daher meistens weitere Verarbeitung durch Bohren, Fräsen, Schleifen und Polieren.
Worauf müssen Konstrukteure bei der Bauteilentwicklung für die Pultrusion achten?
Auf der Website der EPTA (European Pultrusion Technology Association) werden Parameter aufgezählt, im Rahmen derer nahezu jeder Profilquerschnitt hergestellt werden kann:
- max. Länge 12 m (Transport)
- max. Breite 1350 mm / 900 mm, abhängig von der Brennbarkeitsklasse
- Wandstärke mindestens 1,5 mm, in der Regel 3 bis 3,5 mm, max. 60 mm (extreme abrupte Wandstärkenänderungen sind zu vermeiden)
- Farben grundsätzlich nach RAL, homogene Pigmentierung nur bedingt möglich (Glas hat keine Pigmenttoleranz)
- Hinterschneidungen sind möglich – erfordern allerdings ein aufwändigeres Werkzeug
- Unterschiedliche Wandstärken sind möglich
- Hohlprofile sind möglich. Dabei sind aber die Toleranzgrenzen für Wanddickenschwankungen aufgrund des schwimmenden Dorns zu beachten
- Radien zwischen 0,5 und 2 mm sind erforderlich
Welche Bedeutung hat die Pultrusion im Leichtbau?

Pultrusionsprofile besitzen für den Leichtbau wichtige Eigenschaften. Sie werden mehrheitlich aus GFK oder CFK hergestellt – zwei Werkstoffe, die im Leichtbau aufgrund ihres Eigenschaftsspektrums ein hohes Potenzial besitzen. Sie haben eine konstante Qualität, sind leicht, fest und steif. Deshalb können sie als Alternative zu Metallen eingesetzt werden. Für thermoplastische Faserverbundkunststoffe gibt Ensinger eine Gewichtseinsparung bis zu 60 Prozent an. Auf die Kosten- und Ressourceneffizienz zahlen die lange Lebensdauer und der geringe Wartungsaufwand der auf Kunststoff basierenden Pultrusionsprofile ein.
In welchen Branchen werden pultrudierte Profile eingesetzt?
Für den Einsatz pultrudierter Profile ist häufig, aber nicht immer der Leichtbau die treibende Motivation. Formteile, Rotorblätter, Rohre, Tank- oder Fahrzeugbau – selbst sehr spezielle Bauteile können via Pultrusion hergestellt werden. Die Tabelle 2 zeigt beispielhaft Branchen, Bauteile und die Eigenschaften der pultrudierten Bauteile.
4 Beispiele für pultrudierte Bauteile
Beispiel 1 – Im Forschungsprojekt Recybar sollen Bewehrungsstäbe aus Faserabfällen hergestellt werden, welche Stahlbewehrungen auf den Baustellen ersetzen könnten:
Beispiel 2 – Die Carbonfaser-Profile für das CFK-Chassis leichter Nutzfahrzeuge werden pultrudiert.
Beispiel 3 – Die Continuous Composite Systems (CCS) Pultrusionstechnologie zusammen mit der Polyurethanchemie der BASF waren die Schlüsselfaktoren für den Leichtbau-Erfolg des Automobil-Bauteils
Beispiel 4 – Die beeindruckenden Geometrien dieser architektonischen Gebilde basieren auf bambusähnlichen Biocomposite-Hohlprofilen, welche auf Basis von Flachs- und Hanffasern per Pultrusion hergestellt werden.
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Bild oben: Schema der Pultrusion (Quelle: Depositphotos)
Verwendete Quellen: Ensinger Plastics, Fraunhofer IWU, Krafton, Bolek-Shop, Fiberline, Röchling, GS Bavaria, EPTA

Autor: Christine Koblmiller, Redakteurin, Gründerin, Fachjournalistin aus Leidenschaft und überzeugter Leichtbau-Fan.
Mit dem Metamagazin Leichtbauwelt.de habe ich 2018 ein neues Medienformat im B2B-Umfeld geschaffen. Leichtbauwelt ist Inspiration für Ihren Fortschritt und Wissen, wie’s leicht wird. Leichtbauwelt verlinkt, vernetzt und ordnet ein, verlagsunabhängig und transparent. Partei ergreife ich nur für den Leichtbau, von dessen Nutzen ich überzeugt bin.
Seit etwa 25 Jahren bin ich Redakteurin für technische B2B-Fachzeitschriften. Für verschiedene führende Fachmagazine habe ich als eBusiness-Projektmanager Industrie schon 2001 crossmediale Angebote eingeführt, denn die Digitalisierung aller Lebensbereiche hat Einfluss auf unser Informationsverhalten. Deshalb bin ich mir sicher, dass sich die Medienbranche wandeln muss. Mehr über mich finden Sie unter Conkomm, auf Xing oder LinkedIn.
„Leichtbau fasziniert und begeistert. Die Entwicklung von Leichtbauwelt über die letzten Jahre zeigt, dass der Markt unser Angebot braucht und gerne annimmt.“
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