Die Ausschilderung hätte besser sein können und die Pausen zum Netzwerken ein wenig länger – aber diese leise Kritik ist wahrlich Meckern auf hohem Niveau: Der Technologietag Leichtbau 2024 war ein gelungenes Revival. Am 06. November führte die Veranstaltung der neu gegründeten Leichtbau-Allianz BW etwa 85 Teilnehmende und ReferentInnen aus Industrie und Forschung in den Räumlichkeiten des Fraunhofer IPA in Stuttgart-Vaihingen zusammen.
Den letzten Technologietag Leichtbau veranstaltete die bis Ende 2022 tätige Leichtbau BW GmbH. Knapp zwei Jahre nachdem diese aufgrund eines Beschlusses des Landes Baden-Württemberg ihre Geschäftstätigkeit einstellen musste, sorgt die neu gegründete Leichtbau Allianz BW dafür, dass diese Veranstaltung als Gelegenheit zum Austausch und zum Netzwerken wieder angeboten werden kann.
In der einführenden Videobotschaft betonte Wirtschaftsministerin Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut die Wichtigkeit der Kooperation für nachhaltige Fortschritte und die Stärkung der regionalen Wirtschaft in der Leichtbau-Branche, um Standards für eine nachhaltige Transformation zu setzen. Nach der anschließenden Begrüßung durch den Gastgeber Prof. Alexander Sauer, Fraunhofer IPA, bedankte sich Prof. Markus Milwich, Sprecher der Leichtbau Allianz BW, beim Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus sowie dem Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg für die Förderung.
„Wir als Leichtbau-Allianz Baden-Württemberg sind fest entschlossen, die Bedeutung der Leichtbautechnologien als unverzichtbaren Bestandteil der modernen Industrie zu festigen. Unsere Aktivitäten als Allianz, bestehend aus den drei großen Leichtbauvereinen aus Baden-Württemberg: AFBW, CU BW des Composites United e.V. und LBZ-BW, zielen darauf ab, durch innovative Kooperationen und die Förderung von Forschung und Entwicklung, den Leichtbau als Schlüsseltechnologie für nachhaltiges Wirtschaften und ökologische Verantwortung weiter zu etablieren.“
Prof. Markus Milwich, Repräsentant der Leichtbau-Allianz BW
Dank eines straffen Zeitmanagements des Veranstalters und sehr disziplinierter Referentinnen und Referenten gelang es, im Laufe eines Tages 24 unterschiedliche Themen und Projekte vorzustellen und so einen großen Teil der Leichtbau-Themen zu berücksichtigen. Die Vorträge selbst waren zum Teil auf zehn, beim Start-up und Doktoranden Slam sogar auf fünf Minuten begrenzt – und boten beim anschließenden Netzwerken Stoff für lebhafte Diskussionen.
Diese Vielfalt bringt den Leichtbau voran: Der Austausch über Branchen- und Werkstoffgrenzen hinweg ist für Innovation, für neue Impulse und Ideen notwendig – und auch eines der Ziele von Leichtbauwelt: Das Wissen, wie’s leicht wird, bietet Inspiration für Ihren Fortschritt.
Obwohl in der Leichtbau-Allianz BW die Themen Fasern und Faserverbundwerkstoffe aufgrund der Ausrichtung der Partner thematisch stärker vertreten sind, war es den Organisierenden gelungen, Vorträge aus unterschiedlichen Branchen, zu unterschiedlichen Werkstoffen, aus Wirtschaft und Wissenschaft, Forschung und Praxis zusammenzustellen. Ebenso wurde in dieser Bandbreite sehr deutlich, dass Leichtbau an jedem Punkt der Prozesskette ansetzt.
Nachhaltigkeit in Form von Materialkreisläufen, Recycling, Energieeffizienz oder Verminderung von CO2-Emissionen zog sich als Thema durch nahezu alle Vorträge. Kaum eine Tagung kommt derzeit ohne diese Aspekte aus, die aktuell und nachvollziehbar zentrale Herausforderungen jeder Entwicklungstätigkeit sind.
Darüber hinaus wurde gezeigt, wie beispielsweise die Digitalisierung neue Chancen für die Konstruktion und Fertigung bietet, welche Möglichkeiten die Integration von KI-Technologien zum Verbessern von Effizienz, Genauigkeit und Wettbewerbsfähigkeit in der Produktentwicklung und -prüfung bereithält. Ebenso wurde in einigen Vorträgen aber auch deutlich, dass gerade in der Produktentwicklung eine unkritische Übernahme digitaler Entwicklungsschritte nicht immer zielführend ist und die Aufgabe, für die die digitalen Helfer zum Einsatz kommen, mit Bedacht gewählt werden sollte.
Von Prozessen bis Serien-Bauteil, von Druckguss bis Composite-Prozess, von Faserverbundwerkstoff bis Aluminium, von Digitalisierung über KI bis Kosteneffizienz und von Automobilindustrie über Bauwesen bis hin zur Luftfahrt wurde in den Referaten die gesamte Bandbreite der Herausforderungen gezeigt und ebenso der weitreichende Nutzen dargestellt, der durch Leichtbau erreicht werden kann. Zu einigen Themen haben wir auch auf Leichtbauwelt schon berichtet, die Links finden Sie unter den jeweiligen Vorträgen.
- Laserapplikationen im Leichtbau – M. Beranek, Trumpf
- Design einer nachhaltigen Flugzeugkabine – S. Fiedler, Diehl Aviation
- Innovative Prozesstechnik für die Verarbeitung kreislauffähiger Monomaterialien – S. Kilian, Fraunhofer ICT
- Digitalisierung und Nachhaltigkeit im Composite-Leichtbau – S. Carosella, Uni Stuttgart – IFB
- Energieeffiziente Serienfertigung von Automobilteilen durch innovatove UV-Pultrusionsverfahren – S.K. Selvarayan, DITF
- KI-gestützte Virtual Twin Erlebnisse und nachhaltige Entwicklung im Automobilbau – S. Herrmann, CSI
- Leichtbau-Innovationen aus Hochleistungsfasern – T. Schmidt, Euro Advanced Carbon Fiber composites
- Carbon-SMC-Komponenten in der automobilen Großserie: Effizienzsteigerung durch Simulation und Integration – C. Krauß, KIT – FAST
- Adaptive Formwerkzeuge reduzieren Kosten in der CFK-Herstellung – Fraunhofer IPA
- Probabilistische Bewertung der Integrität gewickelter CFK-Wasserstoffdruckbehälter mit inhärenten fertigungsbedingten Ungängen – J. Hohe, Fraunhofer IWM
- Indrutec E: CO2-Reduktion, Leichtbau und Kostensenkungspotentiale bei Druckgussteilen – E. Beeh, DLR – Institut für Fahrzeugkonzepte
- Endlose Faser, endlose Möglichkeiten, Kohlefaser auf dem Weg zur Kreislauffähigkeit – M. Reiners, Holy Technologies
Pioniere der Leichtbauwelt – Holy Technologies: „Wir lösen die Kernprobleme im Leichtbau.“
- HydroSkin – Leichtbau-Fassadenelemente gegen Hochwasser und Hitze – Ch. Eisenbarth, Uni Stuttgart – ILEK
Gegen Hitze und Hochwasser: Textile Hochhausfassaden nutzen Verdunstung
- Bionischer Leichtbau – Maximale Performance, minimales Gewicht und höchste Effizienz – A. Panait, Lightbau Engineering
- Vernetzung und Nachhaltigkeit – Erfolgsfaktoren für einen zukunftsorientierten Leichtbau – J. Schachner Nedherer, Business Upper Austria
- Warmumformung von hochfesten Alu-Teilen im Leichtbau – J. Apacher, Schuler Pressen
- Federleicht: Ein neuer Ansatz zur Herstellung thermoplastischer Composite-Bauteile – L.Spirig, ETH Zürich
- Konzeption eines schnell und einfach anwendbaren Leichtbau-Produktentwicklungsprozesses – P. Busch, Fraunhofer IPA
- Material- und Prozessentwicklung von glasfaserverstärktem Polyamid6 im LFT-D Fließpressen – C. Schelleis, Fraunhofer ICT
- Makroskopische Umformsimulation von unidirektionalen Kohlenstofffasergelegen: Hyperelastische Materiamodellierung und 3D-Solid-Shell-Ansatz – B. Schäfer, KIT – FAST
- Leichtes und nachhaltiges Dachsystem aus vorgespanntem Carbonbeton – R.Fink, Fink Ingenieure
- Strukturoptimierung für FFF gedruckte Bauteile – I.Tesari, KIT – IAM-MMI
- Leichtbau in der Werkzeugmaschine mit nachwachsenden Rohstoffen – M. Schneider, Uni Stuttgart – IWM
- Robotic Flax Construction – Digital enabling technology for the ise of rapidly renewable building materials in architecture – M. Dörstelmann, FibR
Die Vorträge stellten unter vielen Gesichtspunkten dar, welche Schlüsselrolle der Leichtbau in der Konzeption moderner, effizienter und nachhaltiger Industrieprodukte und -verfahren spielt. Persönlich haben mir aber auch einige der Referate bestätigt, dass es im Leichtbau nicht primär um Gestaltoptimierung oder Materi>alsubstitution gehen kann. Vielmehr müssen sich die Projekte daran messen lassen, inwieweit sie eine Lösung für die Herausforderungen im direkten Kontext darstellen. Und diese können gänzlich unterschiedlich sein – von Bauraumbeschränkungen über Sicherheitsaspekte bis hin zur wirtschaftlich immer bedeutenderen Absenkung der CO2-Emissionen. An dieser Stelle zieht der Leichtbau eine weitere bisher noch zu wenig beachtete Trumpfkarte: Vielfach lässt sich mit neuen Geometrien und / oder innovativen Materialien auch die Lebensdauer verlängern, die einen hohen Einfluss bei der Dekarbonisierung der Industrie besitzt.
Bild oben: Collage verschiedener Vortragsfolien (Quelle: Leichtbauwelt)
Zur Erstellung des Beitrags wurde auch die Pressemitteilung des Veranstalters Leichtbau Allianz BW genutzt.
Autor: Christine Koblmiller, Redakteurin, Gründerin, Fachjournalistin aus Leidenschaft und überzeugter Leichtbau-Fan.
Mit dem Metamagazin Leichtbauwelt.de habe ich 2018 ein neues Medienformat im B2B-Umfeld geschaffen. Leichtbauwelt ist Inspiration für Ihren Fortschritt und Wissen, wie’s leicht wird. Leichtbauwelt verlinkt, vernetzt und ordnet ein, verlagsunabhängig und transparent. Partei ergreife ich nur für den Leichtbau, von dessen Nutzen ich überzeugt bin.
Seit etwa 25 Jahren bin ich Redakteurin für technische B2B-Fachzeitschriften. Für verschiedene führende Fachmagazine habe ich als eBusiness-Projektmanager Industrie schon 2001 crossmediale Angebote eingeführt, denn die Digitalisierung aller Lebensbereiche hat Einfluss auf unser Informationsverhalten. Deshalb bin ich mir sicher, dass sich die Medienbranche wandeln muss. Mehr über mich finden Sie unter Conkomm, auf Xing oder LinkedIn.
„Leichtbau fasziniert und begeistert. Die Entwicklung von Leichtbauwelt über die letzten Jahre zeigt, dass der Markt unser Angebot braucht und gerne annimmt.“
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