Als einer der Leichtbauwerkstoffe für die Zukunft gelten faserverstärkte Kunststoffe. Auch wenn sie sich für Strukturbauteile im Automobilbau – anders als in der Luftfahrt – nicht durchsetzen konnten. Ihr Potenzial ist in vielen Branchen für den Leichtbauh dennoch hoch, denn sie sind leicht und besitzen eine im Vergleich hohe Steifigkeit und Festigkeit. Außerdem sind sie sehr variabel.

In der Artikelserie „Werkstoffe der Leichtbauwelt“ stellen wir die im Leichtbau verwendeten Werkstoffe vor, beschreiben ihre Eigenschaften und Anwendungen, ihre Verfügbarkeit und Verbreitung. Wir schauen uns in verschiedenen Beiträgen an, wie sie verarbeitet werden können und was sie für den Leichtbau auszeichnet – aber auch welche Nachteile mit ihrem Einsatz verbunden sind. Ebenso wollen wir ihr Potenzial für die Zukunft, ihren CO2-Footprint und die Recyclingfähigkeit bewerten.

1. Was sind Composites oder Verbundwerkstoffe?

„Das Wissenschaftsgebiet der Verbundwerkstoffe und Werkstoffverbunde ist höchst komplex, Begriffsverwirrungen sind in vielen Veröffentlichungen an der Tagesordnung. Durchgesetzt hat sich in der Wissenschaft das Verständnis, dass Verbundwerkstoffe Werkstoffe sind, die makroskopisch homogen sind und aus mindestens zwei Werkstoffkomponenten bestehen. Dabei wird eine Matrix durch mindestens eine Werkstoffkomponenten verstärkt.“
Prof. Daisy Nestler, TU Chemnitz

Ein Überblick über Verbundwerkstoffe (Quelle: Prof. L. Kroll, Prof. D. Nester)

Composites, Faserverbundwerkstoffe, Verbundwerkstoffe, Verbundkunststoffe oder Faserverbundkunststoffe werden als Begriffe häufig bedeutungsgleich benutzt. Dabei sind das durchaus unterschiedliche Werkstoffgruppen. Das englische „Composites“ ist mit dem deutschen Begriff „Verbundwerkstoffe“ zu übersetzen. Composites bestehen aus zwei oder mehr Materialien und erhalten durch das Kombinieren ein neues, verbessertes Eigenschaftsprofil. Verbundwerkstoffe können faserverstärkte Kunststoffe sein, aber auch andere Materialkombinationen fallen unter diesen Begriff. Vertiefte Informationen vermittelt Prof. Daisy Nestler in diesem Ausschnitt ihrer Online-Vorlesung zum Thema Verbundwerkstoffe und Werkstoffverbunde.

Fünf Beispiele für Verbundwerkstoffe

  • Schleifscheiben (Verbund von Schleifpartikel auf Trägermaterial).
  • Einer der ersten Verbundwerkstoffe war beispielsweise Linoleum – ein Bodenbelag bestehend aus Leinöl, Korkmehl und Jutefasern.
  • Im Bauwesen erhofft man sich von Textilbeton oder Carbonbeton neue Impulse: Für diesen Verbundwerkstoff werden Carbonfasern in Beton eingebettet.
  • Aber auch die Natur kennt seit jeher Verbundwerkstoffe: Holz beispielsweise ist ein faserverstärkter Verbundwerkstoff.

Composites oder Verbundwerkstoffe bestehen aus einem Grundmaterial (Matrix) und weiteren funktionalisierenden Bestandteilen (Partikel, Beschichtung, Fasern, …).

2. Was sind faserverstärkte Kunststoffe?

Langglasfaserverstärktes PP (Quelle: Mitsui Chemicals)

Composites oder Verbundwerkstoffe ist folglich der Oberbegriff für die Gruppe der Faserverbundkunststoffe oder faserverstärkten Kunststoffe (FVK). Im englischen Sprachraum werden FVK ebenfalls als Composites bezeichnet, wenn auch die genaue Bezeichnung eher Fibre Reinforced Plastics (FRP) ist.

Der Grundwerkstoff – die Matrix – ist ein Kunststoff. Als funktionalisierender – meist verstärkender – Bestandteil werden Fasern in diese Kunststoffmatrix eingebettet. Die Matrix umschließt dabei die Fasern, fixiert sie an der gewünschten Position und schützt sie vor Umwelteinflüssen.

Je länger diese Fasern sind, desto höher ist die Verstärkungswirkung und je kürzer die Fasern sind, desto leichter lässt sich der FVK verarbeiten. Man unterscheidet deshalb auch zwischen kurzfaser-verstärkten, langfaser-verstärkten und endlosfaser-verstärkten Kunststoffen. Genaue Definitionen für die Faserlänge der jeweiligen Werkstoffgruppen gibt es m.W. nach nicht. (Anm: Sollte Ihnen eine Definition bekannt sein – bitte gerne eine Info an die Redaktion). Meist gelten Fasern ab mehreren Millimetern Länge als Langfaser.

Faserverstärkte Kunststoffe oder Faserverbundkunststoffe bestehen aus Fasern, die in einer Matrix aus Kunststoff eingebunden sind.

3. Wie entstehen die besonderen Eigenschaften faserverstärkter Kunststoffe?

Das hohe Anwendungspotenzial der Faserverbundkunststoffe ergibt sich aus der Kombination der jeweiligen Materialeigenschaften von Matrix und Fasern.

Kunststoff ist leicht, aber im Vergleich zu Metallen mechanisch nur begrenzt belastbar. Dieser Mangel kann durch die Fasern ausgeglichen werden, die zwar fest, in ihrer reinen Form aber auch sehr spröde sind. In Faserverbundkunststoff werden die Verstärkungsfasern deshalb zur Aufnahme der Zug- und Druckbelastungen eingesetzt, die Kunststoff-Matrix fängt hingegen Scherungskräfte auf.

Die spezifischen Eigenschaften des Leichtbau-Werkstoffs FVK können beim Herstellen durch die Auswahl des geeigneten Faser- und Matrixwerkstoffs, durch die Faserlänge, die Faserrichtung und den Faservolumenanteil beeinflusst werden.

Die Werkstoffgruppe der faserverstärkten Kunststoffe ist daher in ihren Eigenschaften sehr variabel und anpassbar. Faserverbundkunststoffe sind schon heute in vielen Anwendungen zu Hause: in der Luft- und Raumfahrt, der Mobilität (Auto, Schiff, Schiene), in der Windenergie, im Bauwesen sowie im Sport- und Freizeitbereich.

4. Was macht Faserverbund-Kunststoffe zu einem Leichtbau-Werkstoff?

Faserverstärkte Kunststoffe sind besonders leicht. Ihre spezifische Dichte liegt etwa bei einem Viertel von Stahl und etwa zwei Dritteln von Aluminium.

Sie haben – verglichen mit Aluminium oder Stahl – ein höheres Festigkeits-Gewichts-Verhältnis und gleichzeitig Steifigkeitseigenschaften, die deutlich über reinem Kunststoff oder anderen nicht metallischen Werkstoffen liegen.

Festigkeitswerte Zugfestigkeit in N/mm2 Dichte in g/cm3
glasfaserverstärkter Kunststoff GFK 3400 2,6
carbonfaserverstärkter Kunststoff CFK 5600 1,8
Aluminium 4000 2,7
Stahl 600 7,85

Quelle: Lehrerhandbuch Faserverbundkunststoffe

So kann im Leichtbau Gewicht reduziert werden, ohne an Festigkeit oder Steifigkeit einzubüßen.

5. Welche Eigenschaften haben faserverstärkte Kunststoffe?

Neben ihrem geringen spezifischen Gewicht und dem hohen Festigkeits-Gewichts-Verhältnis haben Faserverbundkunststoffe noch weitere Eigenschaften, die – je nach Anwendung – zusätzliche Vorteile darstellen und gewinnbringend genutzt werden können.

  • hohe Zug- und Biegefestigkeit;
  • chemische Beständigkeit;
  • Temperaturbeständigkeit;
  • freie Formgestaltung;
  • ausgezeichnete Korrosionsbeständigkeit;
  • hohes spezifisches Energieaufnahmevermögen;
  • Röntgenstrahltransparenz.

Glasfaserverstärkte Kunststoffe sind außerdem thermische Isolatoren, sie sind chemikalien- und korrosionsbeständig.

6. Welche Kunststoffe werden als Matrix verwendet?

Eine unidirektionale Auslegung der Faser verleiht den Gelege eine besonders hohe
Widerstandsfähigkeit. (Quelle: SGL Carbon)

Für die Matrix wird zwischen duroplastischen, thermoplastischen und elastomeren Materialien unterschieden. Die Eigenschaften des Matrixmaterials entscheiden darüber, wie der faserverstärkte Kunststoff hergestellt und weiterverarbeitet wird.

Duroplaste als Harz-Matrix bilden beim Aushärten unter Einwirkung von Wärme und/oder Druck stark vernetzte Polymere mit unlöslichen und unschmelzbaren starren Bindungen. Duroplastische FVK sind hochtemperaturbeständig. Bisher sind sie jedoch ohne mechanische Zerkleinerung nicht recyclingfähig.

Als Harzsysteme werden zum Beispiel Polyester (UPE), Vinylester (VE), Epoxidharze (EP) oder Polyurethan (PU) verwendet. Häufig werden den Harzen weitere Additive hinzugefügt. Diese sollen die Herstellkosten senken, die Verarbeitung erleichtern oder zusätzliche Eigenschaften generieren.

Der Trend bei faserverstärkten Kunststoffen geht aktuell aufgrund der kosteneffizienten Verarbeitung sowie der etwas besseren Recyclingfähigkeit zu thermoplastischen Faserverbundkunststoffen (TP-FVK). Hier werden die Fasern in eine Matrix aus Thermoplast eingebettet, die durch Wärmeeinwirkung geformt und immer wieder umgeformt werden kann.

Für Hochtemperatur-Anwendugen werden als Thermoplaste Hochleistungskunststoffe genutzt: Polyetheretherketon (PEEK), Polyphenylensulfid (PPS), Polysulfon (PSU), Polyetherimid (PEI) oder Polytetrafluorethen (PTFE). Möglich sind aber je nach Anwendung durchaus auch Polyamid (PA6) sowie Polypropylen (PP).

7. Welche Werkstoffe kommen als Fasermaterial in Frage?

Die häufigsten Faserwerkstoffe sind Glasfasern und Carbonfasern. Aus Gründen der Nachhaltigkeit verzeichnen Naturfasern (beispielsweise Flachs oder Cellulose) eine erhöhte Nachfrage. Verwendet werden außerdem Aramidfasern, Keramikfasern oder Basaltfasern.

Thermoplastische Organobleche von Ensinger.  (Quelle: Ensinger)

Aus den Fasern werden zur weiteren Verarbeitung Halbzeuge produziert, die anschließend mit der Kunststoffmatrix verbunden werden. Die Bandbreite der Faserhalbzeuge reicht dabei von Einzelfasern über Rovings (Faserbündel, Stränge oder Multifilamentgarne), Matten oder Vliese, Gelege (Tapes), Geflechte und Gewebe bis hin zu Gestricken. Die letzteren werden häufig als Technische Textilien bezeichnet.

Prepregs sind vorimprägnierte Faser-Halbzeuge (Faser + Harz), deren Harzkomponente noch nicht fertig ausgehärtet ist. Sie müssen daher kalt (-18°C) gelagert werden und haben eine Haltbarkeit von etwa einem Monat.

Organobleche sind ebenfalls Faser-Matrix-Halbzeuge. Sie bestehen aus einem Fasergewebe oder einem Fasergelege und einer thermoplastischen Kunststoffmatrix. Diese flächigen Halbzeuge aus faserverstärktem Kunststoff können durch Einwirken von Wärme dank der thermoplastischen Matrix umgeformt werden.

Beispiele für Bauteile aus faserverstärkten Kunststoffen

8. Was ist bei Konstruktion und Entwicklung mit faserverstärkten Kunststoffen zu beachten?

Faserverbundwerkstoffe sind anisotrope Materialien. Das bedeutet, dass ihre mechanischen Eigenschaften richtungsabhängig sind. Ein Material ist isotrop, wenn seine mechanischen und thermischen Eigenschaften in alle Richtungen identisch sind. Typische Konstruktionswerkstoffe wie Stahl und Aluminium sind isotrope Werkstoffe.

Die Anisotropie der faserverstärkten Kunststoffe erfordert spezifisches Know-How für die Konstruktion und Auslegung der Bauteile ebenso wie die Verarbeitung der Werkstoffe und Halbzeuge.

Den geringsten Grad an Anisotropie zeigen dabei unidirektional ausgerichtete Faserverbunde, sogenannte UD-Tapes. Prüf- und Simulationsverfahren für Kunststoffe sind deshalb nur bedingt auf die Konstruktion und Entwicklung mit faserverstärkten Kunststoffen übertragbar. Spezifische Tools und Materialdatenbanken sind hier gefragt – und gesucht.

Videotipps
Kennwerte von Faserverbundwerkstoffen (HTW Berlin)
Faserverbundwerkstoffe: Herstellung und Anwendungsbeispiele (Composites United)

9. Welche Nachteile haben Faserverbundkunststoffe?

  • Die Entwicklung von Bauteilen aus FVK ist anspruchsvoll.
  • Im Vergleich zu Metallen wie Stahl und Aluminium sind faserverstärkte Kunststoffe teurer.
  • Ihre Herstellung und Verarbeitung benötigt viel Energie.
  • Die Be- und Verarbeitung der Faserverbundkunststoffe ist aufwendig – meist sind mehrere Prozessschritte bis zum geformten Bauteil notwendig.
  • Werkstoff- und Bauteilprüfung verursachen zusätzliche Kosten.
  • An günstigen Fertigungsprozessen für Großserien wird noch immer gearbeitet. Hier zeichnet sich bei hohen Stückzahlen ein Trend zu thermoplastischen faserverstärkten Kunststoffen (TP-FVK) ab.
  • Das Recycling der faserverstärkten Werkstoffe ist mit einer Faserverkürzung und daher mit Einbußen in den mechanischen Eigenschaften verbunden. Die Nachhaltigkeit, den CO2-Footprint und die Recyclingmöglichkeiten werden wir hier auf Leichtbauwelt noch in einem eigenen Beitrag aufgreifen.

Doch selbst bei Beachtung all dieser Herausforderungen sind faserverstärkte Kunststoffe im Materialmix für den hybriden Leichtbau schon jetzt unentbehrlich. Und das Potenzial diese Werkstoffe scheint noch längst nicht ausgeschöpft.


Verwendete Quellen: Wikipedia; Lehrerhandbuch Faserverbundwerkstoffe (Composites United); Polymerservice Merseburg (Prüfung von Verbundwerkstoffen); Was sind Composites und welche Vorteile bieten sie? (KEM Industrie); Composites im Leichtbau (Teubert); Bild oben: Wikipedia Commons


Christine Koblmiller

Autor: Christine Koblmiller, Redakteurin, Gründerin, Fachjournalistin aus Leidenschaft, überzeugter Leichtbau-Fan.

Mit dem Metamagazin Leichtbauwelt.de habe ich 2018 den Schritt in die Selbständigkeit gewagt und mit Leichtbauwelt ein neues Medienformat im B2B-Umfeld geschaffen. Seit etwa 25 Jahren bin ich Redakteurin für technische B2B-Fachzeitschriften. Für verschiedene führende Fachmagazine habe ich als eBusiness-Projektmanager Industrie schon 2001 crossmediale Angebote eingeführt, denn die Digitalisierung aller Lebensbereiche hat Einfluss auf unser Informationsverhalten. Deshalb bin ich mir sicher, dass sich die Medienbranche wandeln muss. Mehr über mich finden Sie unter Conkomm, auf Xing oder LinkedIn.

„Leichtbau fasziniert und begeistert. Eine Zukunft ohne Leichtbau ist nicht denkbar. Deshalb bin ich sicher, dass Leichtbauwelt.de Inspiration für Ihren Fortschritt ist.“

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